Erfahrungsbericht: natürliche Geburt trotz Steißlage

Schwangere Frau steht am Bett ihres Kindes
©Twenty20/Vanessa Aline

Wenn ein Baby am Ende der Schwangerschaft in Steißlage liegt, findet man kaum Erfahrungsberichte aus erster Hand, die ein natürliches Geburtserlebnis in dieser Situation wiedergeben. Viele Frauen entschieden sich aus Unsicherheit für einen Kaiserschnitt, der oft gar nicht nötig gewesen wäre. Julia von Jordan gehört zu den Müttern, die sich für eine natürliche Geburt entschieden haben. Wir haben sie dazu befragt.

HE: Wann war für dich klar, dass sich dein Baby nicht mehr in die Schädellage drehen würde?

Julia: Unser Baby hatte sich die ganzen letzten Schwangerschaftswochen nicht mehr aus der Beckenendlage gedreht, aber ich hatte trotzdem lange die Hoffnung, dass es sich noch drehen würde. Mit der Hebamme hatten wir dann auch die Methode des Moxens ausprobiert – leider ohne Erfolg. In dieser Zeit hatte ich mich auch schon ein wenig über Entbindungen in Beckenendelage informiert. Dennoch, die Tatsache, dass sie sich nicht mehr drehen würde, wurde mir erst ungefähr in der 38. Woche ernsthaft bewusst.

Was hatte dir Deine Hebamme geraten?

Ich hatte mich ja bereits etwas über die Möglichkeiten der Entbindung in Steißlage informiert. Dabei hatten mir besonders die Erfahrungsberichte anderer Frauen viel geholfen. Als ich mit der Hebamme über diese Möglichkeit sprach, war sie zwar zunächst vorsichtig mit ihren Antworten, hat mich aber unterstützt indem sie mir einen Arzt nannte, der auf solche Geburten spezialisiert ist.

Ich vereinbarte dort einen Termin. Nachdem dieser Arzt mich untersucht hatte, machte er mir Mut: Er meinte dass er sich gut vorstellen könnte, dass ich in Steißlage und sogar ambulant entbinden würde. Das war die Antwort, die mir sehr geholfen hat. Schon die ganze Zeit über hatte mir mein inneres Gefühl gesagt, dass alles gut gehen wird. Dennoch war ich durch Horrorgeschichten aus dem Bekanntenkreis verunsichert. Mit der Aussage des Arztes fühlte ich mich nun in meinem Gefühl bestätigt und war zuversichtlich. Meine Hebamme begrüßte und unterstützte meine Entscheidung für eine natürliche Geburt. Dadurch habe ich mich mit diesem Entschluss trotz aller Warnungen aus dem Umfeld wohl fühlen können. Außerdem hatte mir der Arzt in der Klinik zugesichert, zu jeder Tages- und Nachtzeit zu meiner Entbindung zu kommen.

Was hat dein Mann dazu gesagt?

Nik hat mich in dieser Sache natürlich voll unterstützt. Er hätte mich aber auch bei jedem anderen Entschluss unterstützt – die endgültige Entscheidung lag bei mir.

Hattest du Ängste oder Zweifel an deiner Entscheidung?

Ja, natürlich. Besonders meine Mutter war so besorgt und auch die vielen Menschen aus meinem Umfeld die mir abgeraten hatten … das hat mich schon verunsichert. Aber der Arzt hatte mir gesagt, dass im Bedarfsfall jederzeit noch der Kaiserschnitt möglich sei und ich dachte dabei „Nein, das wird sicher nicht passieren“.

Wie war es dann bei der Geburt?

Die Wehen fingen einen Tag vor dem errechneten Termin an, als ich mit meinem Sohn David bei der Spielgruppe war. Abends merkte ich dann, dass es stärker wurde und wir fuhren in die Klinik. Zunächst schien es nicht sicher, ob es wirklich schon soweit ist, doch nach einem Spaziergang auf dem Klinikgelände und einigem Treppensteigen konnte ich vor Wehen kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen. Der Arzt wurde gerufen und war schon bald bei uns. Da ich bei meiner ersten Entbindung aus Angst erst spät in die PDA eingewilligt hatte, wollte ich diesen Fehler nicht wiederholen und habe dieses Mal sehr früh darum gebeten. Ich fühlte mich sicher und gut betreut. Kurz nach Mitternacht merkte ich dann, dass sich etwas veränderte und bald danach kamen die Presswehen.

Wie lief diese Phase der Geburt ab? 

Ich war entschlossen so sehr zu pressen, wie es ging – damit unser Baby nicht stecken blieb. Ich musste regelrecht ermahnt werden, nicht ständig zu pressen. Und schon nach drei oder vier Presswehen war es geschafft: Unser Baby kam mitsamt der intakten Fruchtblase zur Welt. Ein Bein angewinkelt, eines gestreckt kam es heraus und erst dann platzte die Fruchtblase und unsere Tochter Amelie war da! 3200 Gramm schwer und 50 cm groß.

Wie waren die ersten Minuten?

Amelie hat erst etwas geweint aber sie war topfit und hat fast sofort angefangen nach der Brust zu suchen und dann selig zu trinken. Und auch mir ging es gut: Ich war am Damm weder gerissen noch geschnitten worden. Schon mittags konnten wir die Klinik verlassen und nach Hause fahren.

Wenn du die Entbindungen deiner beiden Kinder vergleichst, wie war die Steißgeburt?

Davids Geburt habe ich als sehr viel schwerer empfunden. Sie war mehr von Medizin geprägt und ich hatte Angst vor der PDA. Am Ende wurde es eine Zangengeburt und ich hatte einen Dammschnitt, der lange unangenehm war. Amelies Geburt erschien mir trotz der Steißlage viel leichter. Natürlich profitierte ich von meiner Erfahrung und habe die PDA früh in Anspruch genommen und hatte für die Presswehen noch genügend Kraft. Für mich war die Geburt von Amelie tatsächlich die leichtere.

Würdest du wieder so entscheiden?

Ja.

 Was war für dich bei all dem besonders wichtig?

Die Unterstützung und gute Betreuung durch den Arzt und die Hebamme und natürlich durch meinen Mann. Auch dass es bei der Entbindung keinen Schichtwechsel gab, fand ich hilfreich.

Vielen Dank, Julia, dass Du uns an Deiner Erfahrung teil haben lässt und dass Du Dir die Zeit für dieses Interview genommen hast!