Kann man Babys verwöhnen?

Frau küsst kleines Baby auf die Wange
©Pexels/Public Domain Pictures

„Du verwöhnst es noch!“, bekommen junge Eltern häufig zu hören, wenn sie ihr schreiendes Baby hochnehmen. Doch kann man Babys verwöhnen? Wir haben recherchiert.

Was bedeutet „verwöhnen“ eigentlich?

Um festzustellen, ob du dein Baby verwöhnen kannst, solltest du dir erstmal die Definition des Wortes „verwöhnen“ ansehen.

Der Duden hat dazu gleich zwei Bedeutungen:

  1. jemanden durch zu große Fürsorge und Nachgiebigkeit in einer für ihn nachteiligen Weise daran gewöhnen, dass ihm jeder Wunsch erfüllt wird
  2. durch besondere Aufmerksamkeit, Zuwendung dafür sorgen, dass sich jemand wohlfühlt

Das Wort verwöhnen hat laut Duden also zwei, doch recht unterschiedliche Aussagen des Wortes, die aber beide auf eine gleiche Basis zurückgehen: jemanden mit Fürsorge und Zuwendung behandeln.

Während die erste Definition eine negative Sichtweise hat, ist die zweite Bedeutung schon positiver. Eltern sehen sich vor allem mit der ersten Bedeutung des Wortes konfrontiert: Die Aussage „du verwöhnst ja noch dein Baby!“ zielt hier klar auf die „zu große Fürsorge und Nachgiebigkeit in einer für ihn nachteiligen Weise“ ab.

Verwöhnen – eine veraltete Auffassung?

Dein Baby schreit, du gehst sofort hin und nimmst es hoch und prompt kommt der Satz „du verwöhnst es ja!“ von deinen Eltern oder Großeltern? Vor allem die älteren Generationen sind häufig noch der Auffassung, dass ein Baby verwöhnt werden kann.

: Hilfreich oder schädlich?

Das kommt meistens durch die Zeit, in der deine Eltern und Großeltern aufgewachsen sind. Vor allem in der Zeit des dritten Reichs war es das oberste Erziehungsziel von Eltern, Kinder zu absolutem Gehorsam und Stärke zu erziehen. Die Kinder sollten früh abgehärtet werden, zeigten sie Gefühle galten sie als schwach und verweichlicht.

Mütter wurden vom NS-Regime gezielt dazu aufgefordert, nicht auf die Bedürfnisse ihrer Babys einzugehen und ihnen keine Fürsorge zu geben. Dadurch würden Babys bindungsarm und emotionslos und so zu besseren Soldaten werden.

Eine große Rolle spielt dabei die NS-Ärztin Johanna Haarer, die Familien- und Kinderratgeber schrieb, in denen sie solche furchtbaren Methoden ausdrücklich empfiehlt. Auch nach Ende der NS-Zeit wurden die Werke von Johanna Haarer noch verkauft – bis in die 80er Jahre.

Es ist also nicht verwunderlich, wenn die Generation deiner Eltern oder Großeltern noch veraltete und widerlegte Ansätze zum Thema „Baby verwöhnen“ haben.

Verwöhnen oder versorgen?

Um die eigentliche Frage zu beantworten: Kann man Babys verwöhnen? Nein, man kann ein Baby nicht verwöhnen. Da sind sich Wissenschaftler und Forschungsinstitute seit Jahren einig. Ein Baby braucht in seinen ersten Lebensmonaten so viel Liebe und Fürsorge, wie du nur geben kannst. Ein „Zuviel“ gibt es nicht.

Die Entwicklungspsychologinnen Prof. Dr. Ute Ziegenhain und Julia Weber schreiben:

„In den ersten Lebensmonaten können Sie Ihr Baby nicht verwöhnen. Geben Sie ihm zuverlässig, was es braucht. Damit stärken Sie sein Vertrauen und seine Bindung an Sie.“

Durch die Sicherheit, die du deinem Baby durch deine Fürsorge und Liebe gibst, stärkst du das Vertrauen deines Kindes. Dein Baby muss sich darauf verlassen können, dass du dich um es kümmerst, wenn es dich braucht.

Verwöhnen durch hochnehmen?

Babys können leider in den ersten Monaten ihres Lebens nur durch Schreien ausdrücken, wenn ihnen etwas fehlt oder sie etwas möchten. Lässt du dein Baby schreien, wird sein Vertrauen in dich gestört.

Es ist daher absolut nicht sinnvoll auf „Ratschläge“ und Vorwürfe zu hören, die dir sagen, du würdest dein Kind zu sehr verwöhnen, wenn du es schnell hochnimmst und beruhigst.

Es ist sogar nachgewiesen, dass Babys, die von Anfang an schnell beruhigt werden, später weniger schreien.

Eine andere Studie hat sogar über einen Zeitraum von 20 Jahren die positiven Effekte des Tragens dargestellt. Kinder, deren Mütter das „känguruhn“ anwenden, haben auch nach längerer Zeit einen positiven Einfluss.

Mit der Zeit lernt dein dein Baby, sich selbst zu beruhigen und braucht dich nicht jedes Mal, wenn es schreit. Wann das eintritt, ist von Baby zu Baby unterschiedlich. Ab dem 8. Lebensmonat kannst du deinem Baby aber beibringen, auch mal kurz zu warten, bevor du es gleich beruhigst.

Sobald es anfängt, krabbelnd oder laufend die Welt zu erkunden, kannst du dein Baby auch ruhig mal machen lassen. Dann musst du nicht mehr beim kleinsten Quengeln hingehen und trösten. Wichtig ist nur, dass dein Baby merkt, dass du da bist, sobald es wirkliche Schmerzen oder großen Frust verspürt.

Ignoriere beim nächsten Mal also einfach die „du verwöhnst es noch“ Sprüche deines Umfelds.  Du kannst dein Baby in den ersten Monaten auf keinen Fall verwöhnen. Im Gegenteil: es braucht so viel Liebe und Fürsorge, wie du nur geben kannst. Hochnehmen und Körperkontakt stärkt das Vertrauen deines Babys zu dir – und das Gefühl geliebt und versorgt zu werden ist mit das wichtigste für dein Baby.

Quellen