Was viele Eltern beim Thema Babyschlaf vergessen: Ihre eigenen Bedürfnisse

vonMichaela Brehm | Redaktionsleitung
Müdes Baby gähnt
© Pexels/ Antoni Shkraba

Schaukeln, Wippen, Föhngeräusche, ganz viel Körperkontakt und nur gemeinsame Nickerchen – Hauptsache das Kind schläft gut. Bei all dem Engagement vergessen viele Mamas & Papas einen ganz wichtigen Punkt: Ihre eigenen Bedürfnisse. Wir haben mit der Psychologin und Schlafberaterin Katharina Meier-Batrakow über ihr neues Buch gesprochen. Ein Ratgeber, der das Thema „Schlaf“ ganzheitlicher angeht.

Hallo:Eltern: Katharina, du hast ein Buch über Schlaf geschrieben und nennst es „Drei Jahre wach?!“. Wie passt das zusammen?

Katharina Meier-Batrakow: Mir war es wichtig, aus dem Thema Schlaf und Durchschlafen den Druck herauszunehmen. Ich möchte zeigen, dass es Zeit braucht, bis es Kinder schaffen, auch ohne die Hilfe ihrer Eltern mehrere Stunden am Stück zu schlafen. Und das ist ganz normal, dass das eben länger als ein paar Monate dauert, wie es manche Schlaftrainer suggerieren.

Ja, aber wie überlebe ich als Mama oder Papa diese ersten Jahre ohne Schlaf?

Der Titel trägt ja noch das kleine Fragezeichen. Schlaf ist auch für Eltern ein Grundbedürfnis. Es geht im Kern darum, einen gesunden Familienschlaf zu entwickeln. Also dass neben jeder Fokussierung auf die Bedürfnisse des Kindes auch die eigenen Bedürfnisse nicht vergessen werden dürfen. Dazu möchte ich in meinem Buch ermutigen, möchte Hilfestellungen und Denkanstöße geben.

Gesunder Familienschlaf: Was meinst du damit genau?

Wenn ich mich mit dem Thema Schlaf beschäftige, dann orientiere ich mich natürlich zunächst an den Bedürfnissen des Babys – vor allem in den ersten Lebensmonaten. Doch langfristig geht es darum, Kompromisse zu finden: Kompromisse zwischen den Bedürfnissen, die die Kinder haben einerseits und andererseits den Bedürfnissen der Eltern. Irgendwann kommen wir alle an unsere Grenzen. Dann muss ich das nicht ertragen, sondern ich darf in einem gewissen Rahmen handeln.

Du nennst in deinem Buch das Beispiel einer Mama, deren Tochter nur einschlafen konnte, wenn sie auf einem Pezziball auf und ab hüpfte. Das wurde der Mama dann irgendwann zu viel – vor allem, weil sie dadurch auch Rücken- und Nackenschmerzen hatte.

Ich versuche in meinem Buch zwischen Bedürfnissen und Wünschen zu unterscheiden. Bedürfnisse sind Dinge, die ein Mensch zum Überleben braucht: z. B. Nahrung oder eben auch Nähe, Bindung und Sicherheit. Wünsche sind Dinge, die man gerne hätte, um diese Bedürfnisse zu befriedigen, die dafür aber nicht unbedingt notwendig sind. Ich glaube beim Thema Schlaf wird das oft noch vermischt. Da geht es dann darum, zu tun und zu machen, damit das Kind schläft und am Ende sind mache Eltern so verunsichert, dass sie sich nicht mehr trauen, überhaupt noch etwas zu verändern.

Um bei dem Beispiel von eben zu bleiben: Für das Mädchen war die Nähe und der Körperkontakt zu seiner Mama wichtig, aber das Auf- und Abhüpfen eher eine Gewohnheit, die es damit verknüpft hat. Es ist also ok, wenn ich an solchen Schlafsituationen etwas ändern will, auch wenn sie für mein Kind funktionieren?

Ja, natürlich. Allerdings ist es wichtig, dabei die individuelle Entwicklung des Kindes zu berücksichtigen. Eine Veränderung ist nur dann möglich, wenn das Kind von seinem Alter und von seiner Entwicklung soweit ist.

Wie erkenne ich das?

Viele Babys brauchen in den ersten Monaten viel Nähe und weinen oft. Da sind Eltern dann natürlich besonders gefordert und sie erwarten auch erstmal nichts anderes, als dass es anstrengend ist. An diesem Punkt zu sagen, unterscheide zwischen Wünschen und Bedürfnissen, muss gar nicht sein. Aber wenn diese Phase eben 8, 9, 10, 12 Monat anhält, dann wünschen sich die meisten doch eine Veränderung. Und dann sollte man nochmal genau hinschauen und überlegen, was habe ich als Mama/ Papa für ein Gefühl, was mein Kind eigentlich möchte und wie kann ich einen Kompromiss finden.

Du kennst das aus eigener Erfahrung nur zu gut …

Ja, mein erstes Baby brauchte auch eine intensive Schlafbegleitung und unsere Nächte waren anstrengend. Schließlich hat uns der Kinderarzt und die Expertinnen in der Schreiambulanz ein Schlaftraining empfohlen. Das hat für unsere Familie aber gar nicht funktioniert.

… und das hat dich sicher zusätzlich verunsichert …

Ich glaube mich hat die Sorge etwas falsch gemacht zu haben, stärker belastet als der Schlafmangel an sich. Ich hätte mir gewünscht, dass mir damals Alternativen zum klassischen Schlaftraining aufgezeigt worden wären. Es ist eben sehr individuell was für eine Familie funktioniert und was nicht. Darum biete ich in meinem Buch keine konkreten Vorgehensweisen an, sondern arbeite mit Fallbeispielen. Diese Denkanstöße kann dann jeder auf seine individuelle Situation anwenden.

Und was passiert nach dem 3. Lebensjahr: Schlafen wir dann alle besser?

Die meisten Eltern sind ab dem 3. Lebensjahr aufwärts mit den wirklich anstrengenden Nächten durch. Viele Kinder schlafen dann wesentlich ruhiger. Nur um hier wieder den Druck rauszunehmen: Ganz viele Studien zeigen, dass dieses wirkliche Durchschafen (10-12 Stunden am Stück) erst im Vorschulalter stabil ist. Das klingt erst erschreckend. Aber das heißt ja nicht, dass das Kind jede Nacht mehrmals am Stück aufwacht. Nur braucht es uns eben weiterhin für seine Nöte und Bedürfnisse – vielleicht hat es Durst, muss auf die Toilette oder hatte einen schlechten Traum. Wie tagsüber auch, sind wir dann natürlich für unsere Kinder da und helfen.

Katharina, vielen Dank für das Gespräch.

Infos zur Autorin und zum Buch „Drei Jahre wach?!“

Buch-Cover "Drei Jahre wach?!" von Katharina Meier-Batarkow

Katharina Meier-Batrakow ist Psychologin in Weiterbildung zur Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeutin, Schlafberaterin und Autorin. Mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern lebt sie in der Nähe von Bremen. Sie berät Eltern zum Thema Baby- und Kleinkinderschlaf. Dabei ist es ihr besonders wichtig, bindungsbasiert und entwicklungsorientiert zu arbeiten: nah an den Bedürfnissen und der Reife des Kindes, aber auch der Eltern/Familie.

In ihrem neuen Buch „Drei Jahre wach?!“ gibt sie Eltern praktische Tipps an die Hand, wie sie wieder in einen guten Tag-Nacht-Rhythmus finden und zur Ruhe kommen können.

Es ist ab sofort im Handel erhältlich oder direkt hier bei Amazon.

Drei Jahre wach?!
So bekommen Kinder und Eltern genügend Schlaf

Preis: 19,99 €
Verlag: GU Verlag