High-Need Baby – meine Erfahrung

Baby liegt auf der Brust seiner Mutter
Wie kümmere ich mich um mein High-Need Baby?
© Pixabay/ angel4leon

Wie erkenne ich, ob ich ein High-Need-Baby habe? Und noch wichtiger: Wie gehe ich mit meinem anspruchsvollen Baby um? Hier ein kurzer Überblick und ein paar Worte über meine persönliche Erfahrung.

Habe ich ein High-Need-Baby?

Ich erinnere mich noch ganz genau, als ich eines Morgens auf dem Teppich im Wohnzimmer mit meinem Laptop saß. Ich litt unter unmenschlichem Schlafmangel und völlig übertriebenem Stress. Mit meinem dauer-unzufriedenen Säugling neben mir, fing ich an zu googeln:

„Was zur Hölle läuft hier falsch, wie lange dauert das noch, und was kann ich dagegen machen“

Meine Tochter war ungefähr sechs Monate alt und ihre besonderen Merkmale waren:

  • Sie konnte es nicht länger als 2-3 Minuten ohne Körperkontakt aushalten,
  • sie musste mindestens einmal am Tag kräftig schreien (manchmal bis zu einer Stunde) und
  • sie hat nicht mehr als 3-4 Stunden am Stück geschlafen – tagsüber fast gar nicht.

Ich war schon nach einem halben Jahr mit diesem Kind überfordert und fertig. Habe ich etwa ein High-Need-Baby?

Was ist ein High-Need-Baby?

Der amerikanische Kinderarzt Dr. William Sears und seine Frau Martha, eine Krankenschwester, haben den Begriff „High-Need Baby“ – auf Deutsch ein „Baby mit erhöhten Bedürfnissen“ – geprägt. Das Konzept haben sie nach ihrem vierten gemeinsamen Kind entwickelt, das etwas „anders“ als die ersten drei war.

12 Anzeichen für ein High-Need-Baby

Zusammen haben William und Martha ein tolles Buch geschrieben, The Fussy Baby Book, in dem sie ihre Geschichte erzählen. Nach den Sears – und von mir übersetzt – haben High-Need Babys manche oder alle dieser 12 Eigenschaften.

  • Stark – Sie geben nicht leicht oder sogar nie auf, bis sie haben, was sie wollen.
  • Hyperaktiv – Sie bleiben nicht lange still und brauchen viel Bewegung oder Unterhaltung.
  • Anstrengend – Sie beanspruchen viel Zeit und Kraft von ihrer Hauptbezugsperson und dementsprechend die Energiereserven der Mutter.
  • Wollen oft trinken – Sie suchen oft die Brust oder die Flasche, nicht nur für Nahrung, sondern auch für Trost.
  • Anspruchsvoll – Sie äußern ihre Wünsche laut, kräftig und oft.
  • Brauchen wenig Schlaf – sowohl am Tag als auch in der Nacht
  • Unzufrieden – Sie lassen sich nicht leicht beruhigen oder bleiben nicht lange ruhig.
  • Unberechenbar – Was heute funktioniert hat, muss nicht unbedingt morgen funktionieren!
  • Hypersensibel – Sie sind leicht überreizt.
  • Brauchen viel Körperkontakt – Sie wollen oft oder sogar dauernd gehalten werden, sind am liebsten auf den Armen der Mutter.
  • Können sich selber nicht beruhigen – Sie brauchen die Hilfe eines Menschen (sprich kein Schnuller/Spielzeug/Kuscheltuch), um sich wieder wohlzufühlen oder einzuschlafen.
  • Anhänglich – Sie bevorzugen eine Person über alle anderen und lassen sich nicht leicht abgeben.

Meine Erfahrungen: Was hilft einem High Need Baby?

Bei meinem Baby trafen viele dieser Anzeichen zu. Niemand konnte mir das Baby wirklich abnehmen und ich habe trotzdem dauernd das Gefühl gehabt, dem Baby nichts wirklich recht machen zu können. Was hilft?

Nach Dr. Sears gibt man High-Need Babys am besten einfach das, was sie brauchen und verlangen. Ein High-Need Baby ist sensibel und hartnäckig genug, zu bekommen, was es will: Die beste und aufmerksamste Betreuung, die es gibt.

: 10 bewährte Methoden

Ich werde nicht lügen: Das war hart! Ich war erschöpft und irgendwann wirklich verzweifelt. Durch die erhöhten Bedürfnisse meines Babys habe ich mich selbst regelrecht vernachlässigt. Daher kann ich allen Mamas nur den Tipp geben, sich trotz aller Erschöpfung auch um sich selbst zu kümmern.

Wie bleibe ich als Mama gesund und stark?

Was mir wirklich geholfen hat, waren regelmäßige Treffen mit meiner Emotionelle Erste Hilfe Therapeutin (EEH). Sie hat mir Tipps gegeben, um vor allem besser mit dem Schreien umzugehen, damit ich währenddessen ruhig bleiben konnte.

Am wichtigsten war für mich aber, dass sie mir das Gefühl gegeben hat, keine Versagerin zu sein. Ich war eine gute Mutter und wollte mich gut um mein Baby kümmern, auch wenn ich meine Nerven verlor und das Kind anschrie (was öfter, als ich zugeben will, passiert ist) oder Abstand brauchte.

Was sonst noch helfen kann, ist der Austausch mit anderen Eltern, die auch High-Need-Babys haben und dich gut verstehen können. Du bist und musst nicht alleine sein. Ich biete hier mein offenes Ohr an: Wenn man das Bedürfnis hat, darf man gerne mit mir in Kontakt treten.

: Hier gibt es außerdem Hilfe

Du kannst immer mit deiner Hebamme oder dem Kinderarzt sprechen. Sie können dir Tipps geben oder Beratungsstellen empfehlen.

Schreiambulanzen sind für Eltern mit High-Need Babys da. Wo du die nächste Schreiambulanz findest und weitere Informationen erhältst du hier: https://www.elternsein.info/suche-schreiambulanzen/

Die „Frühen Hilfen“ können dir auch weiterhelfen. Sie bieten Beratungsgespräche, Eltern-Kind-Kurse und vieles mehr an. Informationen über die „Frühen Hilfen“ gibt es hier: https://www.fruehehilfen.de/ 

Wann wird es mit einem High-Need-Baby besser?

Mit zunehmendem Alter entwickeln High-Need-Babys mehr Selbstständigkeit – auch durch das wachsende Sprachverständnis können sie ihre Bedürfnisse irgendwann besser artikulieren oder sogar selbst stillen.

Das bedeutet also, nicht jedes High-Need-Baby wird auch zu einem High-Need-Kind. Wann genau es mit einem High-Need-Baby „besser wird“, lässt sich jedoch nicht pauschal sagen. Das ist von Kind zu Kind unterschiedlich.

Mein Versprechen an euch

Die harte Zeit mit deinem High-Need-Baby wird vorbei gehen. Das Kind wird sich bestimmt nicht groß verändern – mein viereinhalbjähriges Mädchen ist immer noch die gleiche Persönlichkeit – aber das Leben wird einfacher und das Kind vernünftiger.

Das ist das erste Versprechen und das Zweite: Ihr macht es alle besser, als ihr denkt. Seid nett zu euch selbst und meldet euch, wenn ihr Unterstützung braucht.