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Hodenhochstand bei Kindern: Diagnose und Behandlung

Junge schaut nach oben
© Pexels/ samer daboul

Ein Hodenhochstand ist eine meist angeborene Fehllage einer oder beider Hoden. Weil dadurch das Risiko für Unfruchtbarkeit und spätere Hodentumore steigt, sollte ein Hodenhochstand bei Kindern frühzeitig behandelt werden.

Inhalt geprüft von Dr. med. Ralf Brügel, Kinderarzt

Was bedeutet Hodenhochstand bei Kindern?

Bei einem Hodenhochstand (auch Hodenretention oder Maldescensus testis) befinden sich ein oder beide Hoden nicht im Hodensack, sondern meist in der Bauch- oder Leistengegend. Die Hoden liegen also höher – daher auch der Name.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Urologie kommt der einseitige Hodenhochstand fast doppelt so häufig vor wie der beidseitige. Außerdem ist der rechte Hoden häufiger betroffen als der linke.

Typischerweise kommt die Hodenfehllage bei Neugeborenen vor – hier befinden sich die Hoden dann zum errechneten Geburtstermin nicht im Hodensack.

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Auch bei Jungen und Männern kann später ein sogenannter sekundärer Hodenhochstand auftreten.

Wie oft kommt es dazu?

Bei etwa drei Prozent der männlichen Babys, die termingemäß geboren werden, kommt es zu einem Hodenhochstand. Je geringer das Geburtsgewicht ist, desto häufiger tritt die Fehllage auf.

„Bei Frühchen steigt das Risiko bis auf 30 Prozent“, erklärt Professor Dr. Raimund Stein, Vorsitzender des DGU-Arbeitskreises Kinderurologie. Bis zum errechneten Geburtstermin können die Hoden bei ihnen aber noch in den Hodensack wandern.

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Zwischen ein und zwei Prozent der Jungen entwickeln erst nach der Geburt einen sogenannten sekundären Hodenhochstand. „Daher sollte es Standard sein, dass bei sämtlichen Vorsorgeuntersuchungen ab der U2 die Hodenlage vom Kinderarzt kontrolliert wird“, sagt der Kinderarzt Dr. med. Ralf Brügel. Er empfiehlt, dass Eltern diese Untersuchung unbedingt vom Arzt einfordern sollten, falls sie nicht gemacht wird.

: Sekundärer Hodenhochstand

Bei einem sekundären Hodenhochstand hat sich die Hodenretention erst nach der Geburt entwickelt. Bei der Geburt waren die Hoden also im Hodensack tastbar, später dann aber nicht mehr.

Wirklich nur sehr selten tritt ein sekundärer Hodenhochstand später durch Wachstumsstörungen oder Vernarbungen nach bestimmten Operationen (z.B. eine Leistenbruch-OP) auf.

Formen des Hodenhochstands

Es gibt verschiedene Formen der Hodenfehllage bei Kindern. Der Kinderarzt kann ertasten, welche Form vorliegt. „Am allerbesten ist es, wenn das Kind dafür im Schneidersitz sitzt, weil dann der sogenannte Kremasterreflex ausgeschalten ist, der die Hoden oft nach oben zieht“, erklärt Dr. med. Ralf Brügel.

  • Bauchhoden
    Bei dieser Form des Hodenhochstands haben die Hoden schon im Bauchraum die Herabwanderung gestoppt.
  • Leistenhoden
    Hierbei handelt es sich um die häufigste Form der Hodenfehllage. Die Hoden liegen in der Leistengegend.
  • Gleithoden
    Gleithoden befinden sich im knapp oberhalb des Hodensacks. Sie können mit sanftem Druck in den Hodensack verschoben werden, dann ziehen sie sich aber recht schnell wieder zurück nach oben. Da der Gleithoden nie von allein im Hodensack bleibt, ist hier eine Behandlung (meist eine OP) notwendig.

Abzugrenzen davon ist der Pendelhoden. Hier befinden sich die Hoden zeitweise im Hodensack, können aber durch einen Muskel im Schambereich in den Leistenkanal zurückgezogen werden. Meist sind äußere Reize wie Berührung, Kälte oder sexuelle Erregung Auslöser dafür. Der Hoden ‚pendelt‘ also zwischen Hodensack und Leistenkanal – deswegen auch der Name. Ein Pendelhoden muss nicht behandelt werden.

Übrigens: Ist der Hoden nicht tastbar, sprechen Ärzte von verborgenen Hoden (Kryptorchismus). Das ist zum Beispiel bei Bauchhoden der Fall – aber auch, wenn die Hoden gar nicht angelegt sind (Hodenagenesie)

Wie kommt es zum Hodenhochstand? Ursachen & Risikofaktoren

Die Hoden von männlichen Feten entstehen im Bauchraum – in der Nierengegend und wandern im Laufe der weiteren Entwicklung nach unten. Ab dem 7. Schwangerschaftsmonat wandern die Hoden über den Leistenkanal in den Hodensack (diese Wanderung wird auch escensus testis genannt).

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Bis zum Geburtstermin sollten sie dort dann tastbar sein. Ein maldescensus testis (also eine Behinderung des vollständigen Hodenabstiegs) kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden. Die Deutsche Gesellschaft für Urologen nennt beispielsweise:

  • anatomische Besonderheiten wie ein Leistenbruch
  • Umweltfaktoren
  • Beeinträchtigungen eines komplizierten Regelkreises von Steuerungshormonen zwischen dem Gehirn und dem Hoden, der sogenannten Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse
  • genetische Faktoren

Ein sekundärer Hodenhochstand wird vor allem durch Wachstumsstörungen oder Vernarbungen nach bestimmten Operationen (z.B. eine Leistenbruch-OP) begünstigt.

Hodenhochstand: Kinder zeigen meist keine Symptome

Wie bemerkt man einen Hodenhochstand? Im Baby- und Kindesalter zeigen sich durch die Hodenfehllage meist keine Beschwerden wie Hormonstörungen oder Schmerzen. Die Fehllage ist also meist nur tastbar.

Tipp vom Kinderarzt: Der Kremasterreflex sorgt dafür, dass der Hoden bei Berührungen am Oberschenkel nach oben gezogen wird. Manchmal wird der Reflex auch durch Kälte oder Anspannung ausgelöst. Wenn Eltern die Hoden ihres Kindes selbst ertasten wollen, geht das am besten in der warmen Badewanne, wenn das Kind entspannt im Schneidersitz sitzt. In dieser Position ist der Reflex ausgeschalten.

Wie wird ein Hodenhochstand festgestellt?

Eine Hodenretention kann auf verschiedene Arten erkannt werden. Ja nachdem wie eindeutig die Fehllage ist, können einige Schritte nötig sein:

  • Körperliche Untersuchung (Abtasten)
    Die genaue Untersuchung des Hodensacks gehört zur Routineuntersuchung bei Neugeborenen. Durch das Abtasten kann der Arzt den Hodenhochstand beim Baby sowie meist auch die Art der Fehllage bestimmen.
    Ab dem Kleinkindalter ist der Schneidersitz dafür die optimale Untersuchungsposition.
  • Ultraschall und MRT
    Bildgebende Untersuchungen werden eingesetzt, wenn der Hoden nicht im Hodensack oder in der Leiste tastbar ist.
  • Bluttest
    Werden die Hoden auch mit den bildgebenden Maßnahmen nicht gefunden, kommen spezielle Bluttests zum Einsatz. Sie untersuchen, ob überhaupt Hoden vorhanden sind.
  • Bauchspiegelung
    Zeigt der Bluttest, dass Hoden vorhanden sind, können diese mithilfe einer Bauchspiegelung gefunden werden. Übrigens kann der Hodenhochstand beim Kind während der Bauchspiegelung auch gleich behoben werden.

Hodenhochstand: Kind muss frühzeitig behandelt werden!

Wie gefährlich ist ein Hodenhochstand?

Nicht im Hodensack liegende Hoden sind einer etwas höheren Körpertemperatur ausgesetzt – das kann sich vor allem auf die Fortpflanzungsfähigkeit auswirken. So können Jungen mit einem unbehandelten Hodenhochstand unfruchtbar oder eingeschränkt fruchtbar sein.

Noch wichtiger ist das höhere Risiko für die Entwicklung von Hodenkrebs, die eine Fehllage der Hoden mit sich bringen kann. Schätzungen zufolge hatten bis zu zehn Prozent der Männer, die Hodentumore entwickeln, früher einen Hodenhochstand.

Übrigens: Das Risiko, später an Hodenkrebs zu erkranken, bleibt nach der Behandlung des Hodenhochstands bestehen – jedoch ist es deutlich vermindert.

Hodenretention: Behandlung

Alle Formen des Hodenhochstands sollten behandelt werden. Einzige Ausnahme ist der Pendelhoden. Behandelt wird die Fehllage der Hoden meist mit einem operativen Eingriff. Auch eine Hormontherapie ist möglich. Das werde in der Praxis aber immer weniger gemacht, so die Einschätzung des Kinderarztes: „Ich hatte in 15 Jahren Praxis ein einziges Kind, bei dem eine Hormontherapie gemacht wurde.“

Hormontherapie

Soll eine Hormontherapie zur Behandlung von Hodenhochständen bei Babys eingesetzt werden, werden die Hormone verabreicht, die während der Schwangerschaft für den natürlichen Hodenabstieg verantwortlich sind:

  • HCG – wird als Spritze verabreicht
  • GnRH – gibt es auch als Nasenspray

Die Hormontherapie ist laut Schätzungen in nur etwa 20 Prozent der Fälle erfolgreich. Je näher die Hoden am Hodensack liegen, desto wahrscheinlicher ist der Erfolg.

Leider ist die Hormontherapie bei einem Hodenhochstand auch mit möglichen Nebenwirkungen verbunden – zum Beispiel:

Schmerzen im Genitalbereich
Wachstum von Schamhaaren
Zunahme der Penis-Größe

Operativer Eingriff

Bei einer Operation liegt die Erfolgsrate bei über 90 Prozent. Es gibt verschiedene Methoden, die angewendet werden können:

  • Laparoskopische OP
    Hier wird der Hodenhochstand des Kindes während einer Bauchspiegelung behandelt. Liegt der Hoden nah am Hodensack, ist für die laparoskopische OP nur ein kleiner Schnitt nötig. Ist er weiter entfernt, ist ein zweiter Schnitt notwendig.
    Meistens kommt hier die sogenannte zweizeitige Operation nach Fowler-Stephens zum Einsatz: Dabei werden der Hoden und der Samenstrang zuerst vom umliegenden Gewebe befreit. Nach sechs Monaten werden die Hoden in den Hodensack verlagert.
  • Offene Operation
    Dein Hodenhochstand beim Kind kann auch durch eine offene Operation behandelt werden. Hierfür macht der Arzt einen kleinen Schnitt im Bereich der Bauchfalte. Hoden und Samenstrang werden wieder vom umliegenden Gewebe freigelegt und dann sanft in den Hodensack verlagert. Damit der Hoden nicht wieder in die alte Position zurückrutscht, wird er mit einem dünnen Faden an der Innenseite des Hodensacks festgenäht.
  • Autotransplantation (bei einigen Bauchhoden)
    Auch bei dieser Methode zur Behandlung einer Hodenretention handelt es sich um eine offene Operation. Es kommt bei bestimmten Formen von Bauchhoden zum Einsatz – und zwar, wenn die Gefäße, die den Bauchhoden versorgen, nicht lang genug sind, um ihn in den Hodensack zu verlegen.
    Bei einer Autotransplantation wird der Hoden von den Gefäßen abgetrennt und dann mit Gefäßen in der Bauchdecke verbunden, die näher am Hodensack liegen. Dann findet die Verlagerung statt.

Bis wann muss ein Hodenhochstand operiert werden?

Je älter die Kinder werden, desto belastender kann ein unbehandelter Hodenhochstand sein. Vor allem wenn im Jugendalter das sexuelle Bewusstsein einsetzt, nehmen Jungen ihren eigenen Körper dann als „unnormal“ wahr – eine große psychische Belastung.

Dr. med. Ralf Brügel rät:

„Eine grobe Faustregel ist, dass bis zur U6, also rund um den ersten Geburtstag eine Behandlung des Hodenhochstands zumindest in die Wege geleitet worden sein sollte.“

So können schwere Langzeitfolgen verhindert werden.

Hodenhochstand: Langfristige Behandlung wichtig!

Da auch nach der Behandlung der Hodenretention das Risiko für Hodenkrebs erhöht ist, ist es wichtig, dass Jungen und Männer regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen bei ihrem Arzt wahrnehmen.

Quellen

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