Neugeborenen-Screening: Untersuchung zur Früherkennung von Krankheiten

vonConnie Gräf-Adams | freie Autorin
Mann hält Baby in der Hand
Was wird bei Neugeborenen-Screening untersucht?
© Unsplash/ Kelly Sikkema

Beim Neugeborenen-Screening handelt es sich um eine Untersuchung des Babys, die in den ersten Lebenstagen stattfindet. So können bestimmte Erkrankungen frühzeitig erkannt werden. Wir beantworten alle deine Fragen rund um das Screening!

Für neugeborene Babys wird in Deutschland einige Tage nach der Geburt eine Blutuntersuchung angeboten, mit der sich seltene angeborene Krankheiten frühzeitig erkennen lassen. Dazu gehören z.B. Stoffwechseldefekte sowie Störungen des Hormon- und Blutsystems, der Immunabwehr und des neuromuskulären Systems.

Mit dem sogenannten erweiterten Neugeborenen-Screening können Erkrankungen, die zu Organschäden, geistiger und körperlicher Behinderung und schlimmstenfalls sogar zum Tod führen, rechtzeitig behandelt und damit schwerwiegende gesundheitliche Folgen größtenteils verhindert werden.

Was wird bei Neugeborenen-Screening untersucht?

Das Neugeborenen-Screening stellt eine Ergänzung zu den üblichen Früherkennungsuntersuchungen dar. Es beinhaltet Tests auf seltene angeborene Erkrankungen, die bei U1 und U2 nicht erkannt werden können. Oftmals wirken die Kinder zunächst völlig gesund, sind aber von ernsthaften Störungen betroffen, deren Symptome in den folgenden Wochen und Monaten auftreten und dann teilweise nur noch schwer zu behandeln sind.

Zum 1. Oktober 2021 wurde das Neugeborenen-Screening auf Untersuchungen zu insgesamt 16 Erkrankungen erweitert:

  • Angeborene Stoffwechselstörungen:

Das Blut des Säuglings wird auf Ahornsirupkrankheit, Biotindasemangel, Carninitinstoffwechseldefekte, Galaktosämie, Glutaracidurie Typ 1, Isovalerianacidämie, LCHAD-Mangel und VLCAD-Mangel, MCAD-Mangel und Tyrosinämie Typ 1 untersucht. Unbehandelt können diese seltenen Erkrankungen unter anderem Stoffwechselkrisen, geistige und teilweise auch körperliche Behinderungen hervorrufen. Zudem besteht die Gefahr, dass betroffene Kinder ins Koma fallen oder die Krankheit tödlich verläuft.

Getestet wird im Neugeborenen-Stoffwechselscreening zudem auf die bekannteren und häufiger auftretenden Erkrankungen Mukoviszidose und Phenylketonurie.

Über Phenylketonurie

Über Mukoviszidose

  • Adrenogenitales Syndrom:

Die Hormonstörung infolge eines Defekts der Nebennierenrinde verursacht bei Mädchen eine Vermännlichung bzw. führt bei beiden Geschlechtern zum verfrühten Einsetzen der Pubertät. Die Erkrankung, die etwa bei 1 von 10.000 Neugeborenen auftritt, kann schlimmstenfalls tödlich verlaufen. Eine frühzeitige Behandlung durch Hormongaben kann die Symptome weitestgehend verhindern.

  • Hypothyreose:

Die angeborene Schilddrüsenunterfunktion-Unterfunktion tritt bei ca. 1 von 3.000 Kindern auf und kann schwere Störungen der körperlichen und geistigen Entwicklung nach sich ziehen. Zudem kann es zu Apathie, Trinkschwäche und Gelbsucht bei Neugeborenen kommen.

: Symptome und Behandlung
  • SCID:

Die Kurzbezeichnung SCID (Severe Combined Immundefiency) steht für einen schweren kombinierten Immundefekt. Infolge der genetischen Erkrankungen sind die Betroffenen bereits im Säuglingsalter extrem anfällig für Infektionen, unbehandelt versterben die meisten Kinder innerhalb weniger Jahre.

  • Sichelzellenkrankheit (SCD):

Der angeborene Gendefekt, mit dem pro Jahr etwa 150 Kinder in Deutschland zur Welt kommen, führt zu einer Verformung der roten Blutkörperchen, die eine Sichelform annehmen. Dadurch wird die Sauerstoffversorgung im Blut gehemmt, die Folge sind Blutarmut, Gefäßverschlüsse und chronische Organschäden.

  • Spinale Muskelatrophie (SMA):

Bei der SMA handelt es sich ebenfalls um einen seltenen genetischen Defekt. Infolge des Absterbens motorischer Nervenzellen im Rückenmark kommt es Muskelschwund, was die Entwicklung motorischer Fähigkeiten wie Sitzen, Krabbeln und Gehen verzögert oder sogar vollständig verhindert.

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Wann macht man Neugeborenen-Screening und wie läuft die Untersuchung ab?

Das Neugeborenen-Screening erfolgt nach Möglichkeit zwischen der 36. und 72. Lebensstunde des Kindes. Für die Blutuntersuchung auf die diversen Stoffwechselstörungen und sonstige seltene Erkrankungen müssen dem Säugling einmalig nur wenige Tropfen Fersenblut entnommen und auf eine Testkarte gegeben werden, die ausschließlich in zugelassenen Speziallaboren ausgewertet wird.

Die Blutentnahme wird entweder in der Geburtsklinik vorgenommen oder im Falle einer ambulanten Entbindung von Hebamme oder Kinderarzt.

Hörscreening als Teil des Neugeborenen-Screenings

Zum erweiterten Neugeborenen-Screening gehört auch eine Untersuchung auf die Hörfähigkeit des Kindes. Nach Informationen des Deutschen Berufsverbands der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. werden in Deutschland 1 bis 3 von 1.000 Babys mit Hörstörungen geboren. Um die altersgerechte Sprachentwicklung und Lernfähigkeit betroffener Kinder nicht zu beeinträchtigen, müssen Hörstörungen frühzeitig erkannt und therapiert werden.

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Die Messung der otoakustischen Emissionen erfolgt mittels einer Sonde, die in den äußeren Gehörgang eingeführt wird. Das Neugeborenen-Hörscreening ist vollkommen schmerzfrei, dauert nur einige Minuten und kann sogar im Schlaf vorgenommen werden.

Ist das Neugeborenen-Screening Pflicht?

Blutuntersuchung und Neugeborenen-Hörscreening sind nicht verpflichtend. Die Maßnahmen werden zwar von Ärzten und Gesundheitsbehörden angeraten, letztendlich können alle Eltern aber frei entscheiden, ob sie ihr Baby testen lassen wollen.

Dass das Baby nach der Geburt einen gesunden Eindruck macht, sollte die Entscheidung nicht beeinflussen. Die meisten der zu untersuchenden Erkrankungen machen sich zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht bemerkbar.

: was du wissen musst

Was kostet ein Neugeborenen-Screening?

Gemäß der Kinder-Richtlinie des Gemeinsames Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (G-BA) werden die Kosten für die Untersuchungen in voller Höhe von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Was passiert, wenn Untersuchungsergebnis beim Neugeborenen-Screening auffällig ist?

Ein positives Screening-Ergebnis stellt noch keine ärztliche Diagnose dar. Bei Verdacht auf eine der Erkrankungen finden weitere Untersuchungen in spezialisierten medizinischen Zentren statt. War der Zeitpunkt für das Neugeborenen-Screening nicht optimal, wird der Test gegebenenfalls wiederholt.

Eine aktuelle Langzeitstudie zeigt, dass das Neugeborenen-Screening in Deutschland bei nahezu allen Kindern durchgeführt wird und die Prozesszeiten der Laboruntersuchungen kurz sind. So konnte erreicht werden, dass bei einem positiven Befund nach weiteren Kontrolluntersuchungen eine Behandlung in der Regel innerhalb von zwei Wochen beginnen kann, z. T. schon kurz nach der Geburt.

Die genannten Stoffwechselstörungen und sonstigen Defekte sind zwar nicht heilbar, in vielen Fällen können schwerwiegende Symptome durch eine rechtzeitige Behandlung jedoch teilweise oder sogar vollständig verhindert und dem betroffenen Kind somit eine normale körperliche und geistige Entwicklung ermöglicht werden.

Quellen