Self care für Eltern: Gerade anspruchsvolle Babys profitieren davon

Sensibles Baby
© Unsplash/ Ginny Rose Stewart

Bei ihrem ersten Kind dachte Marei Theunert noch, sie mache alles falsch. Ihr Sohn hat sehr viel geweint und brauchte sehr viel Nähe – vor allem von Mama. Negative Gefühle wie Überforderung, Hilflosigkeit und Schuldgefühle kennt die Pädagogin aus eigener Erfahrung und weiß: überforderte Eltern führen zu einem überforderten Baby. Ein echter Teufelskreis.

In ihrem neuen Buch „Mein sensibles, kleines Wunder“ schreibt Marei über den Umgang mit besonders sensiblen Babys – wie ihr Sohn eines war. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie eine Portion gesunder Egoismus hilft, den Teufelskreis zu durchbrechen. Denn nur Eltern, die für sich selbst sorgen, können sich auch gut um ihr Baby kümmern.

Hallo:Eltern: Marei, in deinem Buch schreibst du über den Umgang mit einem sensiblen Baby. Was ist ein sensibles Baby?

Marei Theunert: Sensible Babys sind Kinder, die entweder allgemein sehr viel weinen, oder sehr viel weinen, wenn sie nicht im Kontakt mit ihrer Bezugsperson sind. Das heißt, es fällt ihnen sehr schwer, abgelegt zu werden – es fällt ihnen schwer, sich zu beruhigen, wenn sie einmal angefangen haben zu weinen.

Der Begriff sensibles Baby beschreibt also ein Baby, was sehr intensiv ist in allem, was es tut. Schreien und Weinen sind auch deutlich lauter und eindringlicher. Die Kinder kommen schwer zur Ruhe, sie sind sehr ausdauernd. Sie haben oft Schwierigkeiten, in den Schlaf zu kommen oder dann auch weiter zu schlafen ohne engen Kontakt zur Mutter (oder zu den Eltern) und sie wirken oft sehr unzufrieden und dauerhaft angespannt.

Diese Sensibilität ist sicher nicht nur für das Kind selbst anstrengend, sondern auch für die Eltern. Du schreibst in deinem Buch auch aus eigener Erfahrung – wie war das für dich?

Mein Sohn, er ist mittlerweile 6, ist derjenige, der mich quasi zu dem Thema gebracht hat. Ich war Pädagogin und dachte, als ich Mutter wurde, „Ja, ich weiß ja, wie der Hase läuft, gar kein Problem“ und dann kam ein Kind auf die Welt, was so wahnsinnig viel geweint hat, und eigentlich nur bei mir zufrieden war.

Ich hatte das Gefühl, dass alles, was ich tute, falsch ist. Hauptsache, ich laufe eigentlich die ganze Zeit auf und ab und stille ihn ununterbrochen und auch das war irgendwann nicht mehr genug.

Und das ist eben das, was Eltern schnell in eine große Herausforderung – oft eben auch in eine Überforderung und eine Hilflosigkeit – bringt.

Erlebst du das bei anderen Eltern auch in deinen Beratungen?

Täglich erlebe ich in den Begleitungen und Beratungen, die ich mache, dass Eltern das Gefühl haben „Ich mache immer alles falsch. Ich bin schuld daran, dass mein Kind so ist.“

Vor allem, weil sie nur erleben, dass alle um sie herum ein Kind haben, das sich vielleicht leicht ablegen lässt, was seltener weint, was viel zufriedener und glücklicher wirkt als ihr eigenes Kind. Und was dann eben ganz oft passiert – neben der unglaublichen körperlichen Anstrengung (wenig Schlaf, vergessene Mahlzeiten) – sind psychische Auswirkungen. Überforderung, Hilflosigkeit, Schuld, Scham und viele, die dann auch in depressive Phasen reinrutschen dadurch.

Viele Eltern denken, sie wären in dieser Situation allein. Wie wichtig schätzt du den Austausch zwischen Eltern mit sensiblen Babys ein?

Super wichtig! Ich habe damals eine Mama kennengelernt und das war ein Teil, der mich, glaube ich, richtig richtig doll gerettet hat.

Ich erlebe auch immer wieder in meinen Beratungen Mütter, die sagen „Ich habe das Gefühl, ich bin die einzige!“ Das ist der Grund, wieso ich eine Plattform gegründet habe, auf der sich Familien von sensiblen, hochsensiblen, gefühlsstarken Kindern austauschen, unterstützen oder einfach mal ausweinen können.

: Gefühlvolle Familien

In deinem Buch betonst du, dass Selbstfürsorge für Eltern wichtig beim Umgang mit sensiblen Babys ist. Warum?

Selbstfürsorge ist so wichtig, weil wir unsere Kinder nur regulieren können. Regulieren bedeutet nicht, dass unsere Kinder aufhören zu weinen oder aufhören irgendwelche Gefühle zu haben, sondern, dass sie mit all diesen Gefühlen und Empfindungen umgehen können – wenn wir selbst reguliert sind. Und das ist eben die große Herausforderung, weil wir das oft in unserer eigenen Geschichte nicht gelernt haben.

Die meisten von uns Erwachsenen haben gelernt, Gefühle zu unterdrücken, zu funktionieren, sich ganz viel Mühe zu geben, sich anzustrengen. Und wenn ich dann ein kleines Baby habe, dem es schwer fällt, sich zu regulieren, dann ist es oft eine große Herausforderung für Eltern in der Regulation zu bleiben. Gerade, wenn man selbst schon überfordert ist.

: Stress und Überforderung
Ein Teufelskreis

Man kann sich das quasi so vorstellen wie Stimmgabeln – wenn man eine Stimmgabel anklingt, dann fängt ja die andere automatisch an mitzuvibrieren. Und ähnlich ist das auch mit unseren Nervensystemen – wenn das Nervensystem des Babys dauerhaft überfordert ist und das von uns Eltern auch, dann schwingen wir einfach immer weiter in diesem Stressmodus mit.

Einer von beiden muss aus diesem Teufelskreis aussteigen – und das ist eben nicht die Aufgabe des Babys und auch nicht die von Kindern. Das können sie einfach noch nicht, sie brauchen Co-Regulation und das können wir erst machen, wenn wir quasi unsere Stimmgabel versorgt haben.

Und wie kann Selbstfürsorge dann konkret im Alltag aussehen?

Was Eltern oft hören, ist „Nimm dir doch mal eine Auszeit, gib das Kind doch mal ab“, aber das ist für die Eltern meistens gar nicht vorstellbar oder oft auch gar nicht machbar, weil das Baby eben einfach wahnsinnig viel Nähe braucht.

Trotzdem ist es wichtig, eine Bindungsperson miteinzubeziehen – also den Partner, Großeltern oder eine enge Freundin – wo man eben anfangen kann, Stück für Stück Auszeiten für sich zu finden.

Wie sollten Eltern freie Minuten nutzen, damit sie auf die Selbstfürsorge einzahlen?

Handy weg! Das ist das, was die meisten machen – und ich will das jetzt gar nicht verteufeln – aber viele Mütter fangen dann an, mit anderen Müttern zu schreiben oder gehen auf Instagram und auch da können Beiträge sehr schnell triggern.

Wenn ich wirklich nur fünf oder zehn Minuten Zeit habe, dann geht es wirklich darum, vielleicht mal an die frische Luft zu gehen, sich mal zu bewegen ohne Kind. Wenn die andere Bezugsperson in dieser Zeit das Kind hat, dann nicht die ganze Zeit danebenstehen. Sonst hört man das Kind möglicherweise auch noch weinen und denkt, dass man jetzt sofort hinmuss.

In diesen Auszeiten sollten Eltern nicht anfangen, den Haushalt zu regeln, sondern sich einfach Zeit zu nehmen, etwas Gutes für sich und für seinen Körper zu tun.

Eltern von ‚Durchschnittsbabys‘ haben oft schon Probleme, freie Momente zu finden. Bei sensiblen Babys ist das wohl noch schwerer. Was können Eltern tun, die absolut keine Auszeit finden?

Selbstfürsorge kann im ganz Kleinen beginnen – während das Baby bei einem ist oder auf einem liegt. Zum Beispiel durch Atemtechniken, die ich auch in meinem Buch aufgeführt habe, Meditation, mal kurz die Augen zu schließen oder vielleicht mit dem Kind in der Trage bei Musik, die einem guttut, zu tanzen.

Es gibt viele Methoden, die versprechen, dass Kinder damit die Selbstregulation lernen. Was hältst du davon?

Wichtig ist immer: Es gibt keine Standardlösung für diese Dinge. Was viele Eltern immer wollen, sind klare Anweisungen und Tipps für unsere Kinder. Aber Kinder sind so individuell und wunderbar und vielseitig.

Dein Buch hat ja den sehr schönen Titel ‚Mein sensibles kleines Wunder‘ – kannst du zum Schluss vielleicht noch ein paar wundervolle und tolle Eigenschaften von sensiblen Babys nennen?

Was ich am prägnantesten finde, ist das Lachen. Sensible Babys lachen, finde ich, so wahnsinnig herzlich. Diese starken Gefühle, die sensible Babys haben, haben sie eben auch auf anderen Ebenen – also nicht nur ‚ich bin überfordert oder ich bin erschöpft‘.

Allgemein würde ich Eltern empfehlen, den Blick mal weg vom Negativen (Mein Baby weint immer) zu werden. Dieser Blick ist übrigens erstmal ganz normal: Man spricht über sein Baby und welches Temperament es hat und hat immer einen Blick auf das, was anstrengend ist.

Eltern sollten auch einen Blick auf positiven Dinge werfen und diese wahrnehmen. Zum Beispiel, wenn das Baby unterwegs endlich eingeschlafen ist, nicht sofort denken „Oh mein Gott, gleich wacht es wieder auf und es wird total anstrengend!“

Also auch einfach die schönen Momente genießen.

Genau, das ist total wichtig, da wieder hinzukommen. Natürlich wird es weiterhin anstrengende Phasen geben und es geht nicht darum, diese zu ignorieren, ganz im Gegenteil. Aber es ist wichtig beiden Seiten Aufmerksamkeit zu schenken.

Danke dir für das tolle Gespräch.

: Gewinnspiel

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Über die Autorin und das Buch

Marei Theunert

Marei Theunert ist Diplom-Pädagogin und Mama von mittlerweile drei Kindern. Ihr erstes Kind, das sehr viel Nähe brauchte, brachte Marei zum Thema ’sensible Babys und Kinder‘.

Seit 2019 begleitet Marei in ihrer Praxis Elbfamilienglück Familien mit sensiblen und temperamentvollen Kindern. In diesem Zuge eröffnete Marei auch die erste Plattform für Familien mit High-Need, gefühlsstarken und hochsensiblen Kindern, www.gefuehlvolle-familien.de

Mit ihrem Buch ‚Mein sensibles kleines Wunder‘ gibt Marei Familien mit sensiblen Babys und Kindern Informationen und konkrete Tipps, die den Alltag leichter machen.

Das Buch ist ab sofort im Handel erhältlich oder direkt hier bei Amazon.

Mein sensibles kleines Wunder: Wie Eltern von High Need- und Schrei-Babys gut für ihr Kind und sich selbst sorgen

Preis: 19,99 € Verlag: GU Verlag