Ab wann erinnern sich Kinder?

Papa hebt Baby in die Luft
Die Erinnerung setzt beim Menschen schon früh ein - aber nicht dauerhaft (Symbolbild)
© Unsplash / Edward Cisneros

In den ersten Lebensjahren passiert im Leben eines Menschen viel Aufregendes. Dennoch können wir uns später nicht mehr an die ersten Schritte oder das erste gesprochene Wort erinnern. Dabei können sich schon die kleinsten Babys an Dinge erinnern – nur woran genau? Und warum vergessen sie diese Dinge wieder?

Wann setzt die bewusste Erinnerung ein?

Es ist ein Phänomen, das alle Erwachsenen kennen: An unsere frühe Kindheit haben wir höchstens schlaglichtartige Erinnerungen. Meist geht es dabei um bestimmte Augenblicke oder Situationen aus dem Familien-Alltag, als wir etwa drei oder vier Jahre alt waren. Aber an die ersten Schritte, das erste gesprochene Wort oder die Feier zum ersten Geburtstag erinnert sich niemand. Dabei bemühen wir uns als Eltern

Die Wissenschaft spricht erst ab einem Alter von etwa 18 Monaten von Erinnerungen. Vermutet wird ein Zusammenhang mit der Sprachentwicklung. Säuglinge und kleine Kinder sind noch nicht in der Lage, ihre Erinnerungen sprachlich zu codieren und so bewusst im Gedächtnis „abzulegen“. Deshalb wird der spätere Zugriff auf diese Erinnerungen schwierig.

Sprache hilft Kindern beim Erinnern

Doch sobald Kinder beginnen, tatsächlich in Worten zu denken und sprechen, setzt bei ihnen auch die Erinnerung ein. Immer wieder erstaunen Zwei- oder Dreijährige ihre Eltern, indem sie sich noch Wochen später an vermeintliche Kleinigkeiten erinnern, die Erwachsenen längst entfallen sind. Etwa dass sie beim Familienausflug mit Oma in den Zoo einen Becher Apfelsaft getrunken haben.

In der „Apotheken-Umschau“ erklärt der Psychologe Thorsten Golling, woher das kommt:

„Kinder sehen anders auf die Umwelt und fokussieren auf andere Lebensinhalte. Sie nehmen selbst kleine Reize wahr, die wir Erwachsenen gar nicht mehr bemerken.“

Doch bleiben diese Erinnerungen in den ersten Jahren meist bruchstückhaft. Erst im Grundschulalter verarbeitet das Gedächtnis autobiographische Episoden im Leben verlässlicher.

Schon Babys können sich an Dinge erinnern

Das heißt jedoch keineswegs, dass sich Babys vor diesem Alter an nichts erinnern können. Die sogenannte „infantile Amnesie“ bezieht sich nur auf Erinnerungen aus der Sicht von Erwachsenen. Doch auch Säuglinge erinnern sich schon an etwas, zum Beispiel an Gesichter, Düfte oder auch an bestimmtes Spielzeug. Sie vergessen es nur schneller wieder. Je älter sie werden, desto länger bleiben ihnen Eindrücke im Gedächtnis.

Forscher konnten nachweisen, dass sich Neugeborene an die Herztöne erinnern, die sie im Mutterleib gehört haben. Mit der Geburt setzt das sogenannte „prozedurale Gedächtnis“ ein – heißt: Babys lernen nach und nach Abläufe und Fähigkeiten, die sie in der Welt brauchen. Das sind Dinge, an die sich nicht bewusst erinnern, auf die sie aber bei Bedarf zurückgreifen, so wie es beim Fahrradfahren der Fall ist.

Aus den genannten Gründen – dem schnellen Vergessen und der mangelnden sprachlichen Ausdrucksfähigkeit – ist es schwer bis unmöglich zu erfahren, woran sich Babys in ihrem ersten Lebensjahr konkret erinnern können.

So können Eltern mit ihren Kindern die Erinnerung schulen

Allerdings ist es sehr wohl möglich, mit etwas älteren Kindern die Erinnerung zu „trainieren“. Etwa indem man mit Kindern über Erlebtes spricht und ihnen so hilft, Eindrücke in Worte zu fassen. Oft helfen hier offene Fragen weiter, etwa: „Was hat dir beim Ausflug am besten gefallen?“ oder „Was glaubst du, wie es dann weiterging?“ So trainieren Kinder die sprachliche Verknüpfung von Worten und Bildern im Kopf.

Was ebenfalls hilft und für alle Eltern ein schöner Zeitvertreib ist: Fotoalben mit Bildern aus dem Leben deines Kindes ansehen – das geht natürlich auch digital auf dem Handy und in Form von Videos.

Hierbei weist Professor Dr. Manfred Spitzer, Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm, aber auf einen wichtigen Faktor hin: Bilder ansehen alleine reicht nicht – Eltern müssen mit Kindern auch über die Motive sprechen.

„Sonst hat das Kind irgendwann das Erlebnis nur noch als Abziehbildchen im Kopf. Erinnerungen sollten aber ein Teil der Persönlichkeit sein.“

Quellen