In der 4. Klasse wird’s ernst
Der Wechsel auf die weiterführende Schule erfolgt in Deutschland ab der 5. Klasse, aber schon im 4. Schuljahr steht die Entscheidung an, auf welche Schule das Kind gehen soll. Ab dem ersten Schultag auf der weiterführenden Schule werden die Weichen für den Schulabschluss gestellt.
Gymnasium für alle?
Ein Großteil der Eltern wünscht sich aktuell, dass ihr Nachwuchs auf das Gymnasium geht – schließlich ist das Abitur die Eintrittskarte für ein Studium und damit einhergehend für einen gutbezahlten Job. Aber längst nicht jedes Kind erfüllt seinen Eltern diesen Wunsch und schließt die gymnasiale Laufbahn auch mit dem Abitur ab.
Einige wechseln noch in der Sekundarstufe I in eine andere Schulform, andere beenden ihre Schullaufbahn nach der 10. Klasse mit dem Abschluss der Mittleren Reife, machen das Fachabitur oder wechseln auf eine andere (Fach-)Schule. Auch andere Abschlüsse können später ein Studium ermöglichen.
Nicht für jedes Kind ist das Gymnasium die richtige Wahl und nicht jedes Kind möchte später einmal studieren, auch wenn sich die Eltern das noch so sehr wünschen. Die Schule muss zum Kind passen, nicht zu den Wünschen der Eltern.
Die passende Schule finden
Fehlentscheidungen in Bezug auf die Wahl der weiterführenden Schule können im schlimmsten Fall zu einer psychischen Belastung für das Kind werden, wenn es ständig überfordert ist und im Unterricht nicht richtig mitkommt. Ähnlich fatal ist es, wenn das Kind unterfordert ist und sich nur langweilt. Aus diesem Grund solltest du gründlich abwägen, wie der passende schulische Werdegang für dein Kind aussieht.
Wichtig ist, dass der Leistungsanspruch und das Lerntempo der Schule den Bedürfnissen und dem Lernverhalten deines Kindes gerecht wird. Einen guten Anhaltspunkt geben zudem die Noten aus der Grundschulzeit und die Schulempfehlung. Wenn du dir noch immer unsicher bist, kannst du auch die Meinung von Fachkräften wie einem Beratungslehrer oder einem Schulpsychologen einholen.
Neue Lehrer und Mitschüler
Die alten Freunde gehen nicht länger in die gleiche Klasse, manchmal nicht einmal auf die gleiche Schule. Außerdem haben sie neue Mitschüler und viel mehr Lehrer als bisher. Nicht jedes Kind kommt mit diesen Veränderungen gut zurecht. Daher bergen neue Lehrer und eine vollkommen neue Klassenzusammensetzung für einige Kinder ein Potenzial für Konflikte und Probleme.
Ausgrenzung durch Mitschüler
Jede Schulklasse entwickelt – wie jede soziale Gruppe – ihre ganz eigene Dynamik und interne Spielregeln. Wer nicht „mitspielt“, sondern anders denkt und handelt, oder aus anderen Gründen keinen Anschluss in der Klasse findet, gerät schnell in eine Außenseiterrolle.
Wenn du bemerkst, dass dein Kind unter seiner Rolle als Außenseiter leidet, solltest du im Gespräch zunächst den genauen Grund für die Situation herausfinden und gemeinsam mit dem Kind Maßnahmen ergreifen, die für eine Verbesserung der Lage führen können. Wichtig ist, dass du deinem Kind vermittelst, dass es ein wertvoller, liebenswerter Mensch ist, auch, wenn es sich den anderen Kindern nicht anpasst.
Mobbing in der Klasse
Besonders schlimm ist es, wenn ausgegrenzte Kinder von ihren Mitschülern gemobbt werden: Ein oder sogar mehrere Schüler hetzen gegen einen einzelnen, aus harmlosen Auseinandersetzungen können fiese Beleidigungen bis hin zu Handgreiflichkeiten und Sachbeschädigung werden. Mobbing über die sozialen Netzwerke ist ebenfalls ein großes Problem.
Wenn sich dein Kind plötzlich ungewöhnlich verhält, solltest du hellhörig werden:
- es ist in sich gekehrt, ängstlich oder wirkt niedergeschlagen
- es möchte nicht mehr zur Schule gehen
- innerhalb kürzester Zeit sind immer wieder Schulsachen beschädigt oder fehlen ganz
- es kommt häufig mit körperlichen Verletzungen nach Hause
Du kannst dein Kind nicht davor beschützen, aber du kannst ihm dabei helfen, die Situation zu überstehen:
- Sprich dein Kind darauf an, wenn du den Verdacht hast, dass es gemobbt wird.
- Gib ihm die Möglichkeit, mit dir darüber zu sprechen, ohne zu aufdringlich zu sein.
- Übe mit deinem Kind Verhaltensweisen, die es stark machen gegen Mobbing-Attacken.
- Mach deinem Kind seine Stärken und Talente bewusst. Zu wissen, was man gut kann, sorgt für ein besseres Selbstbewusstsein.
- Außerdem hilft es eine Liste zu erstellen mit den Personen, die das Kind lieben und mögen, und denjenigen, die es nicht mögen. So hat dein Sprössling immer vor Augen, dass es viel mehr Menschen gibt, denen er etwas bedeutet als solche, die ihn nicht leiden können.
Probleme mit einem Lehrer
Manchmal ist es aber auch die Angst vor einem bestimmten Lehrer, die bei einem Schüler für Bauschmerzen und zitternde Knie sorgt. Wenn sich dein Kind anfängt auffällig zu verhalten, steckt dahinter möglicherweise die Angst vor einem Lehrer.
Wichtig ist es, den Grund für die Angst herauszufinden, indem du mit deinem Kind über die Situation sprichst. Eventuell hat die Lehrkraft nur eine einschüchternde Art oder einen rauen Umgangston. In dem Fall hilft ein Gespräch mit der entsprechenden Person.
Kinder reagieren empfindlich auf Beschimpfungen aber Bestrafungen müssen nicht zwangsläufig ungerechtfertigt sein. Vielleicht gab es in letzter Zeit häufiger Schwierigkeiten mit ungemachten Hausaufgaben oder Störungen im Unterricht, die den Lehrer zu der Konsequenz veranlasst haben.
Mehr Fächer und andere Lehrmethoden
Die Anzahl an Schulfächern in der Grundschule ist gut überschaubar. Ab der fünften, teils auch erst ab der sechsten oder siebten Klasse, kommen ein paar Schulfächer dazu. Das sind Biologie, Chemie und Physik, die in manchen Bundesländern seit einigen Jahren zu dem Fach Naturwissenschaften (kurz NaWi) zusammengefasst werden.
Hinzu kommen Fremdsprachen. In der Regel sind das Englisch und Französisch, wahlweise ist auch Latein und/oder eine weitere Fremdsprache möglich. Die Fächer Erdkunde, Sozialkunde, Geschichte und Politik werden in den Schulen zunehmend zu Gesellschaftslehre zusammengefasst. Je nach Schule und Bundesland ergänzen weitere Fächer den Stundenplan, zum Beispiel Psychologie, Technik, Wirtschaft und Informatik.
Neue Lehrmethoden
Dein Kind muss sich auf der weiterführenden Schule aber nicht nur auf neue Fächer einstellen, sondern auch auf neue Lehrmethoden. In der Grundschule sind die Fächer, soweit möglich, inhaltlich aufeinander abgestimmt, sodass sich die Kinder den Unterrichtsstoff besser merken können und ihn in den verschiedenen Fächern präsent haben.
Auf der weiterführenden Schule sind die Inhalte der einzelnen Schulfächer im Grunde voneinander abgekoppelt. Dein Kind muss lernen, nach dem Ende einer Schulstunde das gerade Gelernte auszublenden und sich auf ein völlig neues Fach zu konzentrieren.
Die Inhalte des Unterrichts werden zunehmend über digitale Medien vermittelt, da Medienkompetenzen inzwischen gewissermaßen zur Allgemeinbildung gehören. Dafür kommen Tablets, Notebooks und Smart Boards zum Einsatz. Insgesamt besteht in Deutschland aber noch viel Nachholbedarf, was die Nutzung digitaler Medien im Unterricht beziehungsweise die Vermittlung von Medienkompetenzen an die Schüler betrifft: Mit 60,2 Prozent der Lehrkräfte, die diese Medien heute schon im Unterricht nutzen, liegt Deutschland zwar über dem internationalen Mittelwert von 47,9 Prozent, allerdings werden die Medien überwiegend im Frontalunterricht eingesetzt und nicht interaktiv.
Dazu kommt, dass immer noch viele Lehrkräfte den digitalen Medien im Unterricht kritisch gegenüberstehen. Die Gründe dafür sind vielfältig:
- eine eigene mangelnde Medienkompetenz
- die Befürchtung, dass die Medien die Schüler zu sehr vom Unterrichtsinhalt ablenken
- rechtliche Unsicherheiten, etwa in Bezug auf den Datenschutz
Nicht zuletzt scheitert der digitale Unterricht an der bislang eher spärlichen Ausstattung der deutschen Schulen und daran, dass es noch kein klares Konzept gibt, wie genau die Digitalisierung in den Schulen vonstattengehen soll.
Die Neugier auf das Neue wecken
Der Wechsel auf die neue Schule und die neuen Fächer sind für viele Kinder eine spannende Sache, auf die sie sich freuen. Manchen Kindern machen sie aber auch Angst, weil sie nicht so richtig wissen, was auf sie zukommt, und befürchten deswegen, die Leistungserwartungen in den bislang fremden Fächern nicht erfüllen zu können.
Du kannst deinem Kind die Angst nehmen, indem du von deiner eigenen Schulzeit erzählst oder ältere Geschwisterkinder bittest, möglichst von positiven Erlebnissen aus der Schule zu berichten und was man in den einzelnen Fächern lernt. Das weckt das Interesse und zeigt deinem Kind, dass es keine Angst haben muss.
Mehr Leistungsdruck
Üblicherweise gibt es auch mehr Hausaufgaben zu erledigen und mehr Tests und Klassenarbeiten zu schreiben. Die Kinder müssen deutlich mehr Leistung bringen als auf der Grundschule. Das bedeutet ein größeres Lern- und Arbeitspensum, an das sich die Kinder erst einmal gewöhnen müssen.
Du kannst und sollst deinem Kind diese Last nicht abnehmen. Aber du kannst ihm dabei helfen, sich selbst zu organisieren, konzentriert und effektiv zu arbeiten, die richtige Lernmethode zu finden und damit die Hürden des Schulalltags aus eigener Kraft zu meistern.
Das richtige Lernmanagement
Spätestens jetzt ist es also an der Zeit, gemeinsam mit deinem Kind herauszufinden, welche Lernmethode am besten funktioniert, um sich den Stoff am besten einzuprägen. Manchen Kindern hilft es am besten, abgefragt zu werden, andere kommen mit einer Mindmap oder einem Karteikasten besser zurecht.
Außerdem ist es wichtig, den richtigen Lernrhythmus zu finden, damit dein Kind konzentriert bei der Sache bleibt. Natürlich kann sich dein Kind unmöglich die Inhalte aller Fächer auf einmal einprägen. Deswegen solltet ihr anhand des Stundenplans gemeinsam einen Plan erstellen, wann welche Hausaufgaben erledigt und wann welches Fach gelernt wird. Später kann dein Kind seine Arbeit dann selbst organisieren.
Mut zur Nachfrage
Lernen beginnt nicht erst zuhause am Schreibtisch, sondern bereits in der Schule. Kinder, die den Unterricht aufmerksam verfolgen und aktiv mitarbeiten, haben den Stoff viel schneller drauf. Außerdem ist jetzt Eigeninitiative angesagt. Deswegen solltest du dein Kind dazu ermutigen, beim Lehrer nachzufragen, wenn es etwas nicht verstanden hat oder sich unsicher ist.
Ein neuer Alltag
Der Wechsel auf eine weiterführende Schule bedeutet für den Familienalltag vor allem eines: ein neuer Rhythmus muss her!
Früher raus aus den Federn
Mit dem Schulwechsel verändert sich meist auch der Schulweg, der oft länger ausfällt als bisher. Das bedeutet: Dein Kind muss ab sofort früher aufstehen, um es rechtzeitig zur Schule zu schaffen. Deshalb solltest du schon gegen Ende der Sommerferien damit beginnen, dein Kind an die neue Aufstehzeit zu gewöhnen. Lass es in den letzten ein bis zwei Ferienwochen jeden Morgen ein bisschen früher aufstehen, dann fällt es am ersten Schultag nicht ganz so schwer.
Längere Schultage
Dein Sprössling muss jetzt nicht nur früher aufstehen, sondern kommt meist auch später nach Hause als bisher. Zwar gibt es in der fünften und sechsten Klasse in der Regel noch keinen Nachmittagsunterricht, aber durch den längeren Schulweg rückt die Freizeit trotzdem weiter nach hinten. Ebenso dann, wenn dein Kind am Ganztagsprogramm der Schule teilnimmt.
Neue Zeiteinteilung
Durch die längeren Schultage und mehr Hausaufgaben, die es zu erledigen gibt, muss der Tagesrhythmus deiner Familie umstrukturiert werden, etwa was die Essens- und Hausaufgabenzeiten angeht. Außerdem muss sich die Freizeitgestaltung, sprich die gemeinsame Spielzeit mit der Familie und individuelle Hobbys, an die neuen Gegebenheiten anpassen.
So bereitest du dein Kind auf den Schulwechsel vor
Eltern können und sollen ihren Kindern nicht ihre Probleme und Konflikte aus der Hand nehmen, die sich beim Wechsel auf die weiterführende Schule ergeben. Aber sie können ihnen mit guter Vorbereitung dabei helfen, die Flut an Veränderungen zu meistern, und sie im neuen Schulalltag unterstützen.
Das Selbstvertrauen des Kindes stärken
Der Wechsel auf die neue Schule und die Veränderungen, die sich dadurch ergeben, wecken in vielen Kindern Ängste und Unsicherheiten. Deshalb ist es wichtig, dass du schon vor Beginn des neuen Schuljahrs das Selbstvertrauen deines Kindes stärkst. Nutze Angebote wie den Tag der offenen Tür oder Schnuppertage, um die neue Schule und die relevanten Räumlichkeiten kennen zu lernen. Übt gemeinsam den neuen Schulweg, damit dein Kind darin sicher wird.
Frage dein Kind nach seinen Ängsten und Sorgen und überlegt euch für jede Situation einen Notfallplan. Dann weiß dein Kind, was zu tun ist, wenn es etwa den Bus verpasst, in der Schule krank wird oder Ärger mit einem Mitschüler hat. So verliert es die Angst und wird selbstsicherer.
Für Kinder ist es zudem eine unangenehme Erfahrung, wenn sie plötzlich feststellen müssen, dass sie nicht mehr Klassenbeste sind – das nagt am Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Mach deinem Kind klar, dass es unabhängig von seinen schulischen Leistungen geliebt und angenommen wird.
Im Alltag kannst du das Selbstvertrauen deines Kindes mit folgenden Methoden fördern und stärken:
- Lass dein Kind Probleme und schwierige Situationen möglichst allein lösen – so lernt es, dass es nicht (immer) auf die Hilfe von anderen angewiesen ist, sondern eigenständig zu einer Lösung kommt.
- Ein Hobby vermittelt deinem Kind Fertigkeiten, die nichts mit dem Schulalltag zu tun haben. Dieses Talent ist besonders dann eine wichtige Stütze und eine Erinnerung an die persönlichen Stärken, wenn es in der Schule mal nicht gut läuft und dein Kind von Selbstzweifeln geplagt wird.
Keine zu großen Erwartungen haben
Mit der beruflichen Zukunft ihrer Kinder im Hinterkopf, wünschen sich Eltern, dass ihr Sprössling von Anfang an gute Noten mit nach Hause bringt, im Unterricht immer gut mitmacht und die Schulaufgaben ohne Probleme erledigt. Das ist eine hohe Erwartungshaltung, die im Grunde kein Kind in jedem Fach und an jedem einzelnen Schultag erfüllen kann. Dennoch halten viele Eltern daran fest und setzen ihren Nachwuchs damit ungewollt unter großen Druck.
Vor allem, wenn sie ihren Wunsch nach guten Leistungen immer wieder nachdrücklich äußern oder das Kind bei schlechten Leistungen sogar eine Schimpftirade oder eine Strafe fürchten muss. Ein solcher Druck schmälert die Motivation und das Selbstvertrauen des Kindes.
Durch den Wechsel von der Grundschule auf die weiterführende Schule sacken bei vielen Kindern die Noten um ein bis zwei Stufen ab. Dementsprechend fällt das Zeugnis in der fünften Klasse oft etwas schlechter aus als zuvor. Das ist kein Grund zur Sorge, sondern völlig normal, schließlich muss sich dein Kind erst an die neue Schule gewöhnen. Lass deinem Kind also Zeit, sich mit dem neuen Schulalltag vertraut zu machen.
Bringt der Sprössling eine schlechte Note mit nach Hause, solltest du nicht böse oder mit einer Strafe reagieren, sondern gemeinsam mit dem Kind überlegen, was ihr nächstes Mal besser machen könnt.
Haben wir richtig entschieden – und was, wenn nicht?
Trotz gründlicher Überlegungen kann es vorkommen, dass sich das Kind auf der neuen Schule nicht wohlfühlt. Aber woran erkennst du, ob dein Kind Probleme hat? Und wann ist ein Schulwechsel sinnvoll?
In den ersten Monaten ist es schwer zu sagen, ob die Schule die richtige Wahl war, weil sich dein Kind erst umgewöhnen muss. Das zeigt sich frühestens ab dem zweiten Halbjahr des fünften Schuljahrs, manchmal auch erst später.
Hat sich dein Kind in der neuen Schule eingelebt, solltest du auf mögliche Anzeichen achten, ob sich dein Kind möglicherweise nicht wohlfühlt. Rege dein Kind dazu an, von seinen Erlebnissen in der Schule zu erzählen und frag, ob es Spaß hat und wie es ihm dort geht. Schlechte Noten sind in der ersten Zeit allerdings kein Zeichen dafür, dass das Kind nicht zurechtkommt.
Doch wenn du bemerkst, dass dein Kind in der Schule unter- oder überfordert ist, kann möglicherweise ein Wechsel zu einer anderen Schulform nötig sein. Wahlweise kann es helfen, wenn dein Kind eine Klassenstufe überspringt oder wiederholt. Bei der Entscheidung, was für dein Kind die beste Maßnahme ist oder ob überhaupt etwas getan werden muss, kann dir ein Gespräch mit dem Klassenlehrer am Ende des Schuljahres helfen.