„Alkoholfrei“ bedeutet nicht immer auch „ohne Alkohol“
Von fast jeder Biermarke findet man mittlerweile eine alkoholfreie Version. Und alkoholfrei sollte ja eigentlich ohne Alkohol bedeuten – und damit für Kinder okay sein. So einfach ist es dann aber doch nicht: In Deutschland darf alkoholfreies Bier bis zu 0.5% Alkohol enthalten. In anderen Ländern sind die Regeln für alkoholfreies Bier teilweise strenger. In Großbritannien dürfen alkoholfreie Biere zum Beispiel höchstens 0.05% Alkohol enthalten.
Die meisten alkoholfreien Biere in Deutschland enthalten tatsächlich zwischen 0.3 und 0.45% Alkohol. Das ist zwar ein geringer Gehalt, dafür, dass man aber gar keinen Alkohol erwartet, doch erstaunlich viel. Deshalb wurde auch schon vermehrt gefordert „alkoholfrei“ in „alkoholarm“ umzuwandeln.
Nur in Produkten mit der Aufschrift „ohne Alkohol“ ist ein Grenzwert von 0,0 % Vol. gesetzlich vorgeschrieben.
Dürfen Kinder trotzdem alkoholfreies Bier trinken? – Das sagt das Gesetz
Im Sinne der Vorzugshinweise des Jugendschutzgesetzes (VJuSchG) ist alkoholfreies Bier kein alkoholisches Getränk. Es dürfte also auch an Kinder unter 16 Jahren verkauft werden. Grundsätzlich gibt es also kein Gesetz, das es Eltern verbietet, ihren Kindern alkoholfreies Bier zu geben.
Für viele Eltern ist die Frage aber nicht, ob sie ihrem Kind alkoholfreies Bier geben DÜRFEN, sondern, ob sie ihrem Kind alkoholfreies Bier geben SOLLEN/KÖNNEN. Hier sind Fragen der Gesundheit und der Moral wichtig.
Alkoholfreies Bier für Kinder – die Diskussion
2008 sorgte Jens Lehmann für Aufruhr. In der Talkshow Maybrit Illner gab er nämlich zu, dass seine damals noch zweijährige Tochter manchmal alkoholfreies Bier trinken darf. Im Internet sorgte das erstmal für Unruhe. Die Frage, ob alkoholfreies Bier für Kinder okay ist, ist bis heute noch stark diskutiert. Eine eindeutig richtige Antwort scheint es nicht zu geben.
Warum alkoholfreies Bier nichts für Kinderhände ist – Argumente der Kritiker
#1. Alkohol ist und bleibt ein Nervengift. Experten erklären immer wieder: Je jünger ein Kind ist, desto eher kann der Konsum von Alkohol die Gesundheit und Entwicklung des Kindes beeinflussen.
#2. Kinder gewöhnen sich an den Geschmack. Manche Eltern sehen hier auch ein großes Risiko. Mit alkoholfreiem Bier werden Kinder quasi nur an den Geschmack von Alkohol gewöhnt und an das Trinken herangeführt. Der Schritt vom alkoholfreien Bier zum richtigen Bier – und vielleicht darüber hinaus – sei nur ein kleiner.
#3. Gefahren werden verharmlost. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Kinder so nie den richtigen Umgang mit Alkohol lernen. Wenn mit Alkohol so entspannt umgegangen wird, dann verstehen Kinder nicht, wie gefährlich er wirklich sein kann. In der Gesellschaft und in der Werbung würde das Trinken von Alkohol sowieso verharmlost. Die Message „Alkohol gehört dazu!“ wird den Kindern von außen vermittelt, also sollten die Eltern aktiv dagegenwirken.
#4. Es gibt auch andere Getränke. Außerdem betonen Verfechter, dass es zig Alternativen gebe. Eltern können ihren Kindern viele verschiedene Getränke anbieten, die ihnen wahrscheinlich auch besser schmecken würden. Denn auch alkoholfreies Bier ist bitter und malzig – und das werden die meisten Kinder auch nicht wirklich mögen.
#5. Wann hört das auf? Kritiker werfen eine interessante Frage in den Raum. Ein siebenjähriges Kind darf alkoholfreies Bier trinken. Sollte ein vierzehnjähriges Kind dann auch nikotinfreie E-Zigaretten rauchen dürfen? Wo wird die Grenze gezogen?
Warum alkoholfreies Bier für Kinder okay ist – Argumente der Befürworter
#1. Alkoholfreies Bier ist nicht schädlich. Die Restmenge an Alkohol in alkoholfreien Bieren ist auch für Kinder nicht schädlich, wenn sich der Konsum in Grenzen hält. Höhere Mengen an Alkohol finden sich beispielsweise in Medikamenten, die Kinder ja auch ohne Bedenken einnehmen können.
#2. Bier ist gesünder als Softdrinks. Ein Vorteil, den Eltern im alkoholfreien Bier gegenüber anderen Softdrinks sehen, sind die Inhaltstoffe. Alkoholfreies Bier besteht nämlich nur aus Wasser, Hopfen und Malz. Es enthält Mineral- und Nährstoffe. Fruktose, Süßstoffe, Koffein, Industriezucker und Farbstoffe sind in alkoholfreien Bieren nicht zu finden – in den meisten Softdrinks jedoch schon.
#3. Alkoholfreies Bier ist isotonisch. Im Allgemeinen ist Bier DAS isotonische Getränk schlechthin. Sportler nutzen zum Beispiel alkoholfreies Bier, um ihren Elektrolyt-Haushalt auf Vordermann zu bringen.
#4. Kindern wird das Interesse genommen, etwas Verbotenes zu tun. Eltern bringen hier das Argument hervor, dass Verbote meistens zu mehr Interesse führen. Die Tabuisierung von Alkohol macht es für Kinder interessanter und sie seien deswegen eher dazu geneigt, Alkohol probieren zu wollen. Und das könnte dann in einem unsicheren Umfeld passieren. Der entspannte Umgang mit Alkohol und das Probieren von kleinen Mengen durch alkoholfreies Bier würden Kindern so die Faszination nehmen.
#5. Es gibt mehr Lebensmittel mit verstecktem Alkohol. Die Menge an Alkohol, die in alkoholfreien Bieren enthalten ist, ist doch sehr gering. Betrunken werden ist mit dieser Menge an Alkohol kaum möglich. Ähnliche Mengen an Alkohol finden sich außerdem in anderen Lebensmitteln, die Kinder teilweise täglich konsumieren.
Diese Lebensmittel sind auch nicht ganz ohne Alkohol
- Brot – bis zu 0.3% Vol.
- Apfelsaft – bis zu 0.4% Vol.
- Sauerkraut – bis zu 0,5 % Vol.
- Traubensaft – bis zu 0.6% Vol.
- Reife Banane – bis zu 1% Vol.
Hier entsteht der Alkohol durch den natürlichen Gärungsprozess. Weil der Alkohol sich also von Natur aus in diesen Lebensmitteln befindet, muss er auch nicht angegeben werden. Laut dem Verbraucherinformationssystem Bayern (VIS) ist ein solcher natürlicher Alkoholgehalt außerdem nicht bedenklich. Vor allem, „da er selten 0,3 Volumenprozente übersteigt und geschmacklich nicht an Alkohol erinnert.“
- Unterschiedliche Mengen an Alkohol finden sich auch in Süßigkeiten: Marzipan, Fertigkuchen, Eis, gefüllten Schokoladenartikeln oder Cremeschnitten
- Auch in Suppen, Saucen und Salatdressings können kleinere Mengen von Alkohol enthalten sein
Auch hier muss der Alkohol nicht zwingend auf der Zutatenliste angegeben werden. Wenn Alkohol nämlich als Trägerstoff, beispielsweise für Aroma, hinzugefügt wird, gilt er nicht als Zutat.