Cybergrooming: Kinder vor sexualisierter Gewalt im Internet schützen

Mädchen sitzt auf dem Sofa und spielt am Smartphone: Gefahr von Cybergrooming
© Bigstock / Guruxox

Ein neuer Dokumentarfilm wirft Licht auf ein schreckliches Thema: Wie leicht es für Kriminelle ist, im Internet Kontakt zu Kindern aufzunehmen, um sie zu sexuellen Handlungen zu nötigen. Wir erklären, wie die Täter dabei vorgehen und wie du dein Kind vor dem sogenannten Cybergrooming schützen kannst.

Cybergrooming – Was versteht man darunter?

Cybergrooming bedeutet übersetzt in etwa: Internet-Anbahnung. Das meint die gezielte Kontaktaufnahme Erwachsener mit Kindern im Internet, um sexuelle Handlungen anzubahnen. Dieses strategische Vorgehen von Tätern und Täterinnen ist als Vorbereitung zum sexuellen Missbrauch zu werten und damit verboten und strafbar.

Oft fordern die Täter und Täterinnen die Kinder dazu auf sich selbst anzufassen oder sich während eines Videochats auszuziehen. Die Täter schicken auch unaufgefordert Nacktbilder von sich oder masturbieren, sodass die Kinder gezwungen sind zuzusehen.

In den polizeilichen Kriminalstatistiken des Bundeskriminalamtes tauchen in den letzten Jahren immer mehr solcher Vergehen auf.

“Die Fallzahlen des strafbaren Einwirkens auf Kinder mit technologischen Mitteln […] sind mit 3.264 Fällen in 2019 im Vergleich zum Vorjahr (2018: 2.439) um fast 34 Prozent signifikant gestiegen. Einen Großteil dieser Fälle macht seit einigen Jahren das sogenannte Cybergrooming aus.” – so Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes in der Pressekonferenz zu kindlichen Gewaltopfern.

Es ist daher wichtig, sich der Gefahren bewusst zu sein.

Fallbeispiele zeigen die Realität

Wie dreist und schamlos Täter vorgehen, verdeutlicht die neu erschienene Dokumentation „Gefangen in Netz“. Sie zeigt wie gefährdet Kinder und Jugendliche von sexuellem Missbrauch im Internet sind.

: Gefangen im Netz

Während der Dreharbeiten haben sich drei volljährige Schauspielerinnen als zwölfjährige Mädchen ausgegeben und sich in Chats und Portalen angemeldet. Über den Zeitraum von zehn Drehtagen haben 2458 Täter versucht, die Mädchen zu sexuellen Handlungen zu überreden, zu erpressen und sie zu treffen.

Zitat von Silke Noak, Leiterin von N.I.N.A.

© Gefangen im Netz

Wie erkennt man Cybergrooming?

Die Täter und Täterinnen sind dort aktiv, wo sich auch ihre Opfer im Internet aufhalten. Das sind vor allem die sozialen Medien wie TikTok, Instagram und Snapchat, Chat-Portale und Online-Gaming-Plattformen mit Chatfunktion.

Dabei gehen die Kriminellen meist nach dem gleichen Schema vor:

  • Die Täter wollen bereits nach einem kurzen Gespräch in einen privaten Chat wechseln, etwa über Whats-App.
  • Sie machen auffällig viele Komplimente.
  • Die Täter fragen, ob das Kind allein ist.
  • Die Täter möchten Video-Chatten, aber machen die eigene Kamera nicht an.
  • Sie möchten viele Details wissen, ohne selbst etwas von sich zu erzählen.
  • Nach kurzer Zeit machen die Täter sexuelle Anspielungen.
  • Sie fordern Fotos und Videos und machen ein schlechtes Gewissen, wenn das Kind dieses verneint.
  • Die Täter werden immer aufdringlicher und drohen damit die Fotos zu veröffentlichen.

Mit Kindern über Cybergrooming sprechen

Prävention ist die beste Maßnahme, um Kinder vor sexualisierter Gewalt im Internet zu schützen. Deshalb solltest du in erster Linie das Gespräch mit deinem Kind suchen, um auf die Gefahr von Cybergrooming aufmerksam zu machen.

Mehr Tipps wie du mit deinem Kind über sexualisierte Gewalt sprechen kannst, findest du bei Innocence in Danger.

Kindern Cybergrooming erklären

Erkläre, dass Erwachsene, die im Internet mit unbekannten Kindern schreiben, keine echten Freunde sind. Sie interessieren sich nicht wirklich für die Kinder, das erkennen sie daran, dass das Gespräch immer wieder in eine sexuelle Richtung zurückgelenkt wird.

Die Täter fragen beispielsweise immer wieder nach, ob das Kind sich im Videochat zeigen möchte oder sich sogar ausziehen könnte. Sobald dein Kind ein ungutes Gefühl hat, soll es die Unterhaltung beenden und dir Bescheid sagen.

Wie können Kinder Cybergrooming erkennen?

Die Täter zeigen ein auffällig hohes Interesse in Form von Likes und Kommentaren. Außerdem zeigen sie auffällig viel Verständnis für die Probleme der Kinder, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Oft werden auch kleine Geschenke angeboten, etwa der Kauf kostenpflichtiger Erweiterungen in Online-Spielen.

: Kein echter Freund

„Deine Eltern wollen nicht, dass du im Internet chattest, sie verstehen dich nicht. Du solltest es ihnen nicht erzählen.“ Die Täter fragen oft gezielt nach den Eltern, um die Kinder gegen sie aufzubringen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Kinder nicht mit ihren Eltern darüber reden. Sie stellen sich als der verständnisvolle Freud dar.

Um Kindern zu veranschaulichen, wie Täter vorgehen wurde die Dokumentation “Gefangen im Netz” auch in einer kindgerechten Version geschnitten. Diese enthält keine explizit sexuellen Szenen, sondern der Film wird an dieser Stelle unterbrochen. Den Kindern werden dann Handlungsempfehlungen und Tipps gegeben, wie sie mit so einer Situation umgehen können.

Cybergrooming: Wie kann ich mein Kind schützen?

Statt deinem Kind den Aufenthalt in sozialen Netzwerken zu verbieten, solltest du mit deinem Kind gemeinsam den Account anlegen. Vorab solltest du dich dennoch über die Plattform und ihre Nutzer informieren.

Besonders am Anfang kann es sinnvoll sein, wenn du dabei bist, während dein Kind eine neue App oder eine neue Plattform nutzt. Dabei könnt ihr gemeinsam einige Regeln vereinbaren, die für die Nutzung gelten sollen.

Wichtig: Verdeutliche deinem Kind, dass es dir alles erzählen kann, auch wenn es diese Sicherheitsregeln gebrochen hat. Die Täter nutzen die Angst der Kinder vor Ärger mit den Eltern aus, um sie zum Schweigen zu bringen.

Tipps, um einen sicheren Account anzulegen

  • Der Username darf keine Hinweise auf das Geschlecht oder Alter des Kindes geben: Der Nutzername Pferdefreundin09 zum Beispiel gibt den Tätern bereits alle Angaben, um zu wissen, dass es sich um ein zwölfjähriges Mädchen handelt, die Pferde mag.
  • Profil nicht öffentlich machen: Dadurch können Fotos und Videos nur von den eigenen Followern gesehen werden.
  • Follower zuerst bestätigen: Dein Kind muss zuerst zustimmen, bevor jemand dem Profil folgen kann.
  • Nachrichten nur von Followern: Diese Einstellung verhindert, dass dein Kind Nachrichten gesendet bekommt, die nicht von einem Follower stammen.
  • Nutzer blockieren: Erkläre deinem Kind, dass es jederzeit das Recht hat die Unterhaltung zu beenden. Wenn ein Nutzer blockiert wird, kann er keine Nachrichten mehr senden und keine Inhalte des Profils mehr sehen.
  • Keine Sandorttags verwenden: Auf Fotos oder Videos sollte dein Kind keine Angaben zum Aufenthaltsort machen, besonders nicht zum Wohnort.
: Falsches Profil

Nicht alle Täterinnen und Täter geben ihre Identität vor ihren Opfern Preis. Einige geben sich als gleich alte Bekanntschaften aus. Lass dein Kind daher niemals allein zu dem ersten Treffen mit einem Freund oder einer Freundin aus dem Internet gehen.

Cybergrooming ist Missbrauch – Hilfe für Betroffene

Wenn du Verdacht hast, dein Kind könnte sexualisierter Gewalt durch Cybergrooming zum Opfer gefallen sein, solltest du das Gespräch suchen. Dabei ist es wichtig offene Fragen zu stellen, also keine auf die das Kind nur mit Ja oder Nein antwortet. Für eine Strafanzeige ist es wichtig, dass dein Kind die Geschichte in seinen Worten erzählt.

Oft ist es für Kinder schwer mit ihren Eltern über Cybergrooming-Vorfälle zu sprechen, weil sie sich schämen. Du kannst deinem Kind anbieten, mit einer unabhängigen Beratungsstelle, wie dem Hilfetelefon für sexuellen Missbrauch, zu sprechen.

Hilfetelefon Sexueller Missbrauch: 0800 22 55 530

Ist Cybergrooming strafbar?

Jede sexuelle Handlung, die an oder vor Kindern unter 14 Jahren durchgeführt wird, ist als sexueller Missbrauch strafbar. Dazu zählen auch das Ausziehen und Masturbieren vor einer Webcam, das Versenden pornographischer Inhalte an Kinder, sowie die Aufforderung des Kindes zu sexuellen Handlungen bei sich selbst.

Nach § 176 Abs. 6 StGB ist auch bereits der Versuch dazu strafbar und kann zur Anzeige gebracht werden. Damit ist Cybergrooming als strategisches Kontaktieren von Kindern strafbar.

Das Gute: Die Täter machen sich auch strafbar, wenn sie nur denken, dass sie mit einem Kind chatten. Das heißt, auch wenn Eltern sich als ihr Kind ausgeben oder die Polizei zur Ermittlung mit den Tätern schreibt, können diese dafür angeklagt werden.

Weitere Informationen zum Sexualstrafrecht findest du hier.

Quellen