# 1 Ur-Vertrauen oder Ur-Misstrauen (1. Lebensjahr)
Im ersten Lebensjahr braucht dein Kind jede Menge körperliche Nähe, Zuneigung und Geborgenheit. Bekommt es das, kann es Urvertrauen aufbauen. Es fühlt sich wohl und lernt seine Umgebung als sicheren und vertrauten Ort kennen.
Fehlende Nestwärme und Vernachlässigung führt zu einem Gefühl von Hilflosigkeit – dem Ur-Misstrauen. Das Kind lernt, dass es ausgeliefert ist und seine Umwelt nicht beeinflussen kann. Dauert dieser Zustand länger an, wird es unfähig, soziale Kompetenzen aufzubauen, die Entwicklung deines Babys verzögert sich und es treten Sprachstörungen auf. Müssen Babys und Kleinkinder nach Nahrung oder Liebe hungern, neigen sie später zu innerer Leere, Ängsten und Depressionen. Misstrauen anderen gegenüber und Gefühle ständiger Bedrohung stehen unbewusst im Persönlichkeitsprofil. Auch das Risiko in irgendeiner Weise abhängig zu werden – sei es von Menschen oder Suchtmitteln – erhöht sich stark.
Um diese erste Krise erfolgreich zu beenden, müssen positive Erfahrungen überwiegen und Gefühle der Enttäuschung, Missachtung oder Einsamkeit möglichst eingeschränkt werden.
# 2 Autonomie oder Scham und Zweifel (2. bis 3. Lebensjahr)
Wird dein Kind größer, will es die Welt erkunden. Unterstützt du es dabei und schenkst ihm dein Vertrauen, lernt es, sich auszuprobieren, ohne dabei deine Liebe aufs Spiel zu setzen. Darf dein Kind Dinge nicht tun, weil sie zu gefährlich sind, reagiert es in dieser Phase mit Wut. Dieses Trotzverhalten ist wichtig, um eigene Grenzen auszuloten. Lob und Stolz führen zu mehr Selbstbewusstsein und weniger Abhängigkeit.
Schränkst du dein Kind in dieser Phase extrem ein oder strafst es mit „Liebesentzug“, wird es stark an sich und seinen Bedürfnissen zweifeln, sie sogar als falsch und schmutzig bewerten. Es schämt sich für seine Wünsche. Ein zu viel an autoritärer Erziehung führt später zu zwanghaften Eigenschaften, harscher Selbstkritik und einem Streben nach Perfektion. So kann pedantische Sauberkeit und maßloser Fleiß ebenso ausgeprägt werden wie ein übertriebenes Schamgefühl.
Natürlich lassen sich Frustrationen im Kindesalter nicht gänzlich vermeiden. Klare Grenzen, nachvollziehbare Konsequenzen, Liebe und Zuneigung helfen, positive Erfahrungen zu sammeln, um auch diese Krise zu meistern. Nach Erikson hängt die Summe des Vertrauens in dieser Phase allerdings nicht von der Quantität, sondern stark von der Qualität der Eltern-Kind-Beziehung ab.
# 3 Initiative oder Schuldgefühl (4. bis 6. Lebensjahr)
Im Kindergartenalter strebt dein Kind nach mehr eigener Initiative. Dieser Entwicklungsschritt dient dazu, ein Gefühl für sozialen Kontakt zu entwickeln. Andere Personen als Eltern und Geschwister rücken in den Fokus. Durch Rollenspiele probiert dein Kind aus, welche Art Mensch es werden möchte. Es bildet in diesem Alter bereits ein Gewissen aus und weiß zumindest, was richtig oder falsch ist – auch wenn es sich noch nicht daran hält. Auch in dieser Phase ist eine Bestätigung wichtig. Begleitest du die Zielstrebigkeit deines Kindes positiv, kann sie zur Grundlage seines Strebens nach Leistung und Unabhängigkeit werden.
Zu viel Einschränkung führt in dieser Phase zu einem verminderten Selbstwertgefühl. Ängste und Schuldgefühle werden mit einem Übermaß an Gewissenhaftigkeit ausgeglichen. Ständige Reizbarkeit, Komplexe und Überdrehtheit bis hin zu Hysterien sind die Folge.
Egal, welche Phase dein Kind gerade durchläuft, du bist seine wichtigste Bezugsperson. Mit viel Liebe und Vertrauen aber auch mit konsequentem Verhalten kannst du ein Vorbild sein. Geh mit gutem Beispiel voran, dann kann es eine gesunde Persönlichkeit entwickeln, die fürs Leben gewappnet ist.
Quelle:
Stephanie Scheck: Das Stufenmodell von Erik H. Erikson. Bachelor + Master Publication, 2014
Laura E. Berk: Entwicklungspsychologie. Pearson München, 2011
https://mymonk.de/8-lebenskrisen/ (letzter Zugriff: 04.04.2019)
http://www.social-psychology.de/do/PT_erikson.pdf (letzter Zugriff: 09.04.2019)