Schule, Hobbys & Co. – Freizeitstress bei Kindern vermeiden

Kleinkind beim Klavierunterricht
"Kinder brauchen keinen Terminkalender"
© Unsplash / Paige Cody

Freizeitstress kann einen manchmal an den Rande der Belastbarkeit bringen, findet unser Autor und Papa Markus Kirschbaum. Vor allem dann, wenn es gar nicht die eigene Freizeit betrifft, sondern den Nachwuchs. Warum sich Markus darauf wenig einlässt und auch die Verantwortung für schulische Belange vorwiegend bei seinen Kindern lässt, erzählt er uns heute.

Der Stress mancher Eltern hat mich schon verwundert, da hatte ich noch gar keine eigenen Kinder

In grauen Vorzeiten – also bevor ich eigene Kinder hatte – habe ich mich schon oft über den Freizeitstress so mancher Familien gewundert. Da wurde der Nachwuchs zu Kursen geschleppt, von denen ich noch nie gehört hatte. Nicht nur einmal ist mir da ein spontanes: „Also zu meiner Zeit gab‘s sowas nicht!“ herausgerutscht.

Damals, da lernten wir ab einem gewissen Alter ein Musikinstrument, gingen zum Fußball oder in den Schwimmkurs. Gut betuchte Freunde erzählten vielleicht von Reit- oder Tennisstunden. Das war es dann aber auch schon! Ganz sicher fingen Hobbykurse nicht im Babyalter an!

Heutzutage gibt es Kurse, da fährt man samt Nachwuchs gefühlt direkt aus dem Kreißsaal hin. Babyschwimmen, Babymassage oder Babyyoga zum Beispiel. Letztens ist mir sogar ein Kurs mit dem klingenden Namen „Windeldance“ untergekommen, kein Spaß! Ich weiß schon, meine Meinung ist nur eine von vielen, aber ich habe das irgendwie immer ein bisschen seltsam gefunden.

Anstatt mit dem Baby die Welt zu entdecken – so wie sie ist – schleppt man es von einem teuren Kurs in den nächsten, wundert sich, wo das Geld bleibt und klagt darüber, wie stressig das Leben ist, mit all diesen Terminen. Nicht nur einmal habe ich das so erlebt!

Von Kindern, die einen eigenen Terminkalender haben

Auch später, als mein eigener Nachwuchs längst auf der Welt war, habe ich mich über den Freizeitstress in manchen Familien nur gewundert. Nicht selten war es der Fall, dass Kindergartenkollegen meiner Kinder eilig am Händchen gen Ausgang geschleift (JA!) wurden, weil die XY-Stunde (bitte nach Belieben einsetzen: Jazzdance, Theater, Schwimmen, Reiten, Yoga, Turnen,…) gleich beginnt.

Die verzweifelte Anmerkung des Kindes, dass das jetzt nicht so recht in seine eigene Zeitplanung passt („NEEEIN, WIIILL NIIIICHT KUUURS!“) wurde dezent ignoriert.

Nein, das ist tatsächlich kein Scherz! Das habe ich mehrmals genau so erlebt und weiß noch, wie ich mich die ersten Male richtig erschrocken habe. Danach habe ich innerlich nur mehr resigniert den Kopf geschüttelt.

Ich meine, nichts dagegen, wenn ein Kleinkind in „seinem“ Hobby so richtig aufgeht, aber da waren schon einige Kinder dabei, die eigentlich keinen Hehl daraus gemacht haben, wie sie das finden („Will nicht reiten, Mama/Papa will!“).

Die denkwürdigste Situation in diesem Zusammenhang hatten wir übrigens damals, als meine Tochter Einladungskarten für ihren vierten Geburtstag verteilte. Beim Abholen meinte die Mutter einer Kindergartenfreundin plötzlich zu mir: „Warte kurz, ich schau mal nach, ob XY an dem Tag Zeit hat!“

Dann öffnete sie am Handy einen Kalender – und zwar nicht ihren eigenen, sondern tatsächlich den des dreijährigen Mädchens. Da war ich dann wirklich kurz baff! (Und das passiert mir eher selten.)

Kurse, Workshops und andere Hobbys? Qualität vor Quantität!

Dabei ist es gar nicht so, dass ich meinen Kindern keine Hobbys gönne, gar nicht! Aber als Kleinstkinder sollten sie eben die Welt entdecken, da hatten sie ohnehin genug zu tun.

Außerdem ist es mit zwei Kleinkindern schon stressig genug, wenn ich ehrlich sein darf. Da hätte ich den Teufel getan, sie auch noch von Kurs zu Kurs zu schleppen und uns das Leben noch anstrengender zu machen, als es ohnehin schon ist.

Etwas Anderes wäre es natürlich gewesen, hätten sie ihre Hobbywünsche wiederholt und mit Nachdruck eingefordert. Dann hätte ich mich sicher nicht quergestellt! Aber sind wir ehrlich: Welches Kleinstkind (!) hat schon derartige Ansprüche an seine Freizeit? Das kommt doch eher von den Eltern.

Der Wunsch nach konkreten Hobbys fängt bei Kindern eher später an, so ab dem späten Kindergartenalter, frühen Grundschulalter, würde ich meinen. Zumindest bei meinem Nachwuchs war das so.

Ab diesem Alter haben sie sich dann auch ein wenig ausprobiert. Mehr als einen Kurs pro Kind haben wir aber nicht „erlaubt“. Schließlich musste das Bringen und Holen ja auch irgendwie bewältigbar sein.

Grundsätzlich habe ich es ab diesem Alter aber in Ordnung gefunden. Die Kinder haben sich IHRE (!) Hobbys selbst ausgesucht und konnten auch mit den Anforderungen an die Situation (pünktlich sein, sich in eine Gruppe einfügen etc.) umgehen. Das hätten sie als Kleinkinder ganz sicher nicht geschafft!

: Alleine spielen lernen

Mittlerweile haben sich beide längst für „ihren“ Freizeitkurs entschieden. Töchterchen spielt einmal die Woche Klavier, Söhnchen geht zum Tischtennis. Das erledigen sie nach der Schule übrigens völlig eigenständig und kommen danach heim. Ich gebe ganz ehrlich zu: Das ist mir ganz recht so! So ist es für mich und meine Frau relativ stressfrei.

: Richtige Wahl treffen

Schule? Das ist dein Job!

Voraussetzung für sämtliche Hobbys und Freizeitaktivitäten ist jedenfalls, dass das Schulzeug erledigt ist. Das haben wir recht früh – so gut es geht – an die Kinder selbst ausgelagert. Das heißt nicht, dass wir kein Auge darauf haben oder bei Bedarf nicht unterstützen, aber es ist eben NICHT unser Job. Das wissen unsere Kinder sehr genau.

Das klingt jetzt vielleicht nicht weiter erwähnenswert, aber ich hätte selbst auch nicht für möglich gehalten, wie viele Eltern (!) sich für die Schulbelange ihrer Kinder zuständig fühlen und diese anstelle des Nachwuchses erledigen.

Witzigerweise ist es vielen Eltern nicht einmal unangenehm, zu erwähnen, ein Referat, einen Aufsatz oder ein Mathe-Beispiel für das Kind erledigt zu haben. Nein, das käme mir wirklich nicht in den Sinn! Einerseits fördere ich solch eine Einstellung („Ich mache einfach nichts, Mama/Papa werden es schon richten!“) nicht, andererseits ist mir MEINE Freizeit dafür zu schade!

Freizeit? Gehört dem Kind!

Unterm Strich glaube ich tatsächlich, dass man sich als Familie viel Stress erspart, wenn man mit der institutionellen Freizeitgestaltung so lange wartet, bis entsprechende Wünsche tatsächlich vom Kind kommen.

Babys und Kleinstkinder von Kurs zu Kurs zu schleppen, nur weil es geht und alle es so machen, mutet doch irgendwie seltsam an.

Freizeitstress kommt noch früh genug, da macht es durchaus Sinn zu warten, bis das Kind alt genug ist, um einen Teil der „Verantwortung“ (Wegzeit etc.) selbst zu tragen. Es ist ja schließlich seine eigene Freizeit.

Und sind wir ehrlich: Am schönsten ist Freizeit doch eigentlich dann, wenn sie einen entspannt und nicht für zusätzlichen Stress sorgt. Den hat man im Alltag schon zur Genüge!