Frühkindlicher Autismus: Symptome, Diagnose und Therapie

Junge spielt alleine im Sand
Autistische Kinder ziehen sich oft zurück und spielen lieber alleine
©Unsplash/David Sonluna

Frühkindlicher Autismus gehört zu den Autismus-Spektrum-Störungen. Kinder mit frühkindlichem Autismus fällt es häufig schwer soziale Kontakte zu knüpfen – doch das allein reicht nicht für eine Diagnose! Lies hier, wie du die Störung erkennst und wie sie therapiert werden kann.

In diesem Artikel:

Frühkindlicher Autismus: Definition

Der frühkindliche Autismus (Kanner-Syndrom) ist eine emotionale Entwicklungsstörung und zeigt sich meistens schon vor dem dritten Lebensjahr. In manchen Fällen entwickeln sich die Kinder bereits in den ersten Lebensmonaten auffällig. Andere Kinder entwickeln sich anfangs (scheinbar) normal und die auffälligen Verhaltensmuster werden erst im zweiten oder dritten Lebensjahr sichtbar.

Frühkindlicher Autismus: Häufigkeit

Es gibt keine genauen Zahlen, die zeigen wie viele Kinder deutschlandweit unter Autismus-Spektrum-Störungen leiden. Untersuchungen in Europa, den USA und Kanada  ergaben allerdings, dass zwischen 1,3 bis 2,2 von 1.000 Kindern von frühkindlichem Autismus betroffen sind, so der „Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus“ in ihren Artikel „Was ist Autismus“. Dabei sind Jungs häufiger betroffen als Mädchen.

Frühkindlicher Autismus: Symptome

Erste Anzeichen eines frühkindlichen Autismus können laut dem „Berufsverband und Fachgesellschaft für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie“ Ablehnung der Brust beziehungsweise Schwierigkeiten beim Zufüttern, sowie ausgeprägte Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus sein. Allerdings können diese Symptome auch Anzeichen für andere Krankheiten sein. Deswegen ist eine Diagnose des Kinderarztes wichtig.

Ein Kind mit frühkindlichem Autismus zeigt allerdings auch oft weitere Symptome. Deswegen sind Wutausbrüche, Aggressionen, Selbstverletzungen, Phobien oder Schlaf- und Essstörungen nicht selten.

Frühkindlicher Autismus zeichnet sich laut den Experten der „Neurologen und Psychiater im Netz“ aber vor allem durch drei Hauptmerkmale aus, die in unterschiedlicher Form vorhanden sein können:

  1. gestörte soziale Interaktion
  2. beeinträchtigte Kommunikation/ Sprache
  3. wiederholte, stereotype Verhaltensweisen und Interessen

#1 Gestörte soziale Interaktion

Autistische Kinder können nur begrenzt mit ihrem sozialen Umfeld umgehen und ziehen sich deswegen gerne zurück. Die Kinder sind in sich gekehrt und spielen lieber alleine, als mit anderen. Betroffene Kinder vermeiden also den Kontakt zu Menschen, eventuell auch zu Eltern und Geschwistern. Sie wollen ungern berührt oder umarmt werden. Ihr Interesse ist stärker auf Gegenstände und Dinge gerichtet. Blickkontakt anderer Menschen weichen Kinder mit frühkindlichem Autismus aus und auch auf Lächeln oder Weinen reagieren sie nur sehr schwach.

#2 Beeinträchtigte Kommunikation und Sprache

Laut der „Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie“ ist das Spektrum hier sehr weit gefächert. Manche Menschen mit frühkindlichem Autismus sprechen überhaupt nicht, andere haben durchaus einen großen Wortschatz, aber Schwierigkeiten sich mitzuteilen. Viele autistische Kinder verständigen sich daher mit Bild- und Buchstabenkarten.

Autistische Kinder, bei denen die Sprachstörung schwächer ist, betonen die Wörter oft monoton oder wiederholen Worte zwanghaft (Echolalie), vertauschen die Personen – „ich“ wird zum Beispiel zu „du“ – oder erfinden Fantasie-Ausdrücke.

#3 Stereotype Verhaltensweise

Frühkindlicher Autismus äußert sich durch bestimmte, sich wiederholende Verhaltensweisen oder Sätze des Kindes. Diese sich wiederholenden Handlungen werden auch Stereotypien genannt und können in verschiedenen Bereichen auftreten.

So werden häufig ungewöhnlich oft Gegenstände gesammelt und nach ihrer Größe angeordnet. Beim Spielen picken sich die Kinder meist nur ein bestimmtes Detail des Spielzeugs heraus und beschäftigen sich intensiv damit, zum Beispiel das Rad eines Spielzeugautos.

Dabei läuft das Spiel nach einem bestimmten Muster ab und wirkt oft sehr einfallslos. Wenn du oder andere Leute die Rituale unterbrechen, entstehen bei dem Kind häufig extreme Angst und/oder Unruhe. Außerdem machen Veränderungen autistischen Kindern Angst, deswegen ist es am besten, wenn du sie nur sehr langsam vornimmst.

Frühkindlicher Autismus: Diagnose

Es ist schwierig vor dem 18. Lebensmonat eine sichere Autismus-Diagnose zu stellen, da potenzielle erste Anzeichen eines frühkindlichen Autismus auch Symptome für andere Erkrankungen oder eine stark ausgeprägte Variante eines normalen Verhaltens sein.

Durch eine körperliche, psychiatrische, neurologische und labormedizinische Untersuchung grenzt dein Kinder- und Jugendpsychiater zunächst andere Krankheiten aus. Es muss zum Beispiel sichergestellt werden, dass das Kind nicht doch unter ADHS, Angst- oder Zwangsstörungen leidet. Außerdem müssen noch potenzielle Hör- und Sehstörungen ausgeschlossen werden.

Zur Diagnose des frühkindlichen Autismus haben sich die Merkmalslisten vom Bundesverband “Hilfe für das autistische Kind e.V.” durchgesetzt. Diese Merkmalslisten umfassen viele Einzelmerkmale. Erst wenn bestimmte Merkmale gemeinsam auftreten, kann dies zur Diagnose führen. Dabei müssen nicht alle Symptome gleichzeitig nebeneinander vorhanden sein, einige der in dieser Liste aufgeführten Merkmale schließen sich auch gegenseitig aus.

Eine sichere Diagnose aus dem Autismus-Spektrum kann nur ein erfahrener Spezialist stellen. Hast du also das Gefühl, dass dein Kind unter frühkindlichem Autismus leidet, solltest du dich unbedingt von deinem Kinderarzt an einen Spezialisten überweisen lassen.

Frühkindlicher Autismus: Abgrenzung zum Asperger-Syndrom

Das sogenannte Asperger-Syndrom ist nicht mit frühkindlichem Autismus gleichzusetzen. Das Asperger-Syndrom ist eine leichte Form des Autismus, die sich erst nach dem dritten Lebensjahr bemerkbar macht. Die Sprachentwicklung und die intellektuelle Entwicklung sind, anders wie beim frühkindlichen Autismus, nicht verzögert. Außerdem zeigen viele Menschen mit Asperger-Syndrom ausgeprägte Sonderinteressen, die sie zwanghaft verfolgen. Dazu gehört zum Beispiel das Auswendiglernen von Fahrplänen oder der Schmelzpunkte aller Metalle.

Frühkindlicher Autismus: Ursachen

Es gibt verschiedene Erklärungen für die Entwicklung von Autismus, jedoch gibt es bis jetzt keine allgemeingültige Ursache. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass die Ursachen von Autismus zum größten Teil in den Genen liegen. Möglicherweise spielen auch Umweltfaktoren mit hinein.

Dass das Verhalten der Mutter oder eine gestörte Eltern-Kind-Beziehung für die Entstehung von frühkindlichem Autismus verantwortlich sind, ist übrigens ein Mythos – wenn auch ein hartnäckiger. Der „Autismus Hamburg e.V.“ geht sogar davon aus, dass „die Störungen des Kindes sich umgekehrt auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirken“. Autistische Kinder hätten also eine besonders starke Beziehung zu ihren Eltern.

Frühkindlicher Autismus: Therapie

Es besteht bis heute keine medizinische Möglichkeit, Autismus-Spektrum-Störungen vollständig zu heilen. Es gibt allerdings verschiedene Therapiemöglichkeiten autistischen Kindern ein Leben im sozialen Umfeld zu erleichtern. Frühkindlicher Autismus lässt sich so im familiären Umfeld, teilstationär oder vollstationär behandeln.

Zur Behandlung haben sich psychotherapeutische und körperbetonte Therapieformen durchgesetzt: Dazu gehören zum Beispiel Verhaltenstherapie, Musiktherapie, Tiertherapien oder gezieltes Sprachtraining. Medikamente können die Symptome Autismus, unterstützend zur Verhaltenstherapie, abschwächen. Einen individuellen Therapieplan kann nur ein entsprechender Experte erstellen.

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Quellen:

  • Berufsverbänden und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz:
    Was sind Autismus-Spektrum-Störungen? https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugend-psychiatrie/erkrankungen/autismus-spektrum-stoerung-ass/was-sind-autismus-spektrum-stoerungen/ (letzer Zugriff: Mai 2019)
  • Von Aster, Sigrid (2008): Kinder- und Jugendpsychiatrie: Eine praktische Einführung ; 177 Tabellen, Georg Thieme Verlag
  • Remschmidt, Helmut (2012): Autismus: Erscheinungsformen, Ursachen, Hilfen, C.H. Beck Verlag
  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie: Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter,
    https://www.ib-niedersachsen.de/download/attachments/1507504/AWMF_Leitlinie_Tief_greifende_Entwicklungsstoerungen.pdf?version=1&modificationDate=1349768278260&api=v2 (letzter Zugriff: Mai 2019)
  • Deutsches Ärzteblatt: Das Asperger-Syndrom – eine Autismus-Spektrum-Störung,
    https://www.aerzteblatt.de/archiv/55038/Das-Asperger-Syndrom-eine-Autismus-Spektrum-Stoerung (letzter Zugriff: Mai 2019)
  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie: Autismus-Spektrum-Störungen im
    Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter,
    https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/028-018l_S3_Autismus-Spektrum-Stoerungen_ASS-Diagnostik_2016-05.pdf (letzter Zugriff: Mai 2019)
  • Autismus Hamburg e.V.: Autismus Ursachen,
    http://www.autismushamburg.de/ursachen.html /(letzter Zugriff: Mai 2019)