Großfamilie und Corona: Zu elft durch die Krise

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Mit einem, zwei oder sogar drei Kindern zu Hause zu sein, deren Tage mit Schule, Spielen und Spaß zu füllen – und dabei nicht die Nerven zu verlieren: Das fällt vielen Mamas und Papas in diesen Wochen unglaublich schwer. Doch wie geht eine Großfamilie mit der Situation um?

Was anfangs vielleicht noch ganz entspannt gewesen sein mag, wird jetzt zu einem wahren Kraftakt. Unsere Autorin Anja Polaszewski kann davon ein Liedchen singen und berichtete ja schon ein bisschen über ihren neuartigen Alltag mit zwei Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter – und darüber, wie anstrengend der sein kann … Dabei hat sie ’nur‘ zwei Kinder. Ihre Freundin Alexandra hingegen hat sage und schreibe neun Kinder im Alter von zwölf Monaten und zweiundzwanzig Jahren zu „managen“. Anja hat sie dazu einmal befragt.

Alexandra, mich interessiert brennend, wie ihr zu elft in diesen Zeiten eure Tage über die Runden bekommt. Geht das nur noch mit „Regeln und Struktur“ oder lebt ihr, wie es gerade kommt? Erzähl doch mal.
Wir sind ja ’nur‘ noch zehn: Unsere Älteste hat schon eine eigene Wohnung hat, kommt aber trotzdem oft nach Hause. Ehrlich gesagt meistern unsere Kids das ziemlich klasse, obwohl sie – wie alle Kinder – so abrupt aus ihrem ’normalen‘ Leben gerissen wurden. Keine Freunde mehr treffen, die erste große Liebe nicht mehr sehen, alles wurde verschoben: Klassenfahrten, Schüleraustausch, Konfirmation. Mein Mann Ralf hat die ersten zwei Wochen gearbeitet, und unser Zweitältester kann seinen Bundesfreiwilligendienst in einer einer Grundschule zum Glück weiter leisten, bewahrt sich so also ein gutes Stück ‚Normalität‘. Zu Hause haben wir jetzt fünf Schulkinder, ein Kindergartenkind und einen Einjährigen. In den ersten zwei Wochen habe ich sehr auf einen strukturierten Tagesablauf geachtet, weil wir merkten, dass uns der wichtig war – ruhig und entspannt aber dennoch.

Wie genau lief der ab?
Nach dem Frühstück und Ankleiden folgte das ‚Homeschooling‘. Im Anschluss sind wir spazieren gegangen und haben gespielt. Nachmittags haben wir immer das gemacht, worauf wir gerade Lust hatten: Experimente, Backen, Lesen, Spielen … In den Ferien brauchten die Kinder nichts für die Schule tun. Da der Urlaub ja flach fiel, machten wir eben unseren Garten schön …

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… und aktuell?

Wird es langsam etwas schwieriger: Für unsere Teenager ist es manchmal besonders schlimm, weil Freunde, Hobbys, die erste große Liebe ja für sie jetzt so wichtig sind. Aber Not macht erfinderisch: Sie schreiben sich jetzt zum Beispiel Briefe.

Worauf achtest Du aktuell besonders, und wie haltet ihr es mit den Medien?

Ich sehe zu, dass hier nicht ständig das Radio läuft und die Kids nicht nur noch das Wort ‚Corona‘ hören. Das Thema ist ja sowieso allgegenwärtig. Wir sprechen darüber und klären auf, aber in Maßen. Wir verbreiten keine Panik und sind entspannt – damit die Kinder es eben auch bleiben. Das ist mir persönlich total wichtig. Die älteren Kinder sind gut informiert und sitzen abends gern noch mit uns Eltern zusammen und reden über die aktuelle Situation … Und nein, wir halten uns im Moment nicht strikt an irgendwelche ‚Medienzeiten‘. Wir sind da ganz locker und schauen auch viel fern. Aber wie gesagt: Ich möchte nicht, dass hier ständig die Nachrichten laufen.

Kann man sein Kind nicht doch einmal länger fernsehen lassen? Anja beschreibt in diesem Artikel, wie sie mit Kindern und Quarantäne umgeht

Fast überall höre ich von Schwierigkeiten beim Homeschooling. Wie klappt das bei euch?
Eines vorweg: Was die Lehrer leisten, bekomme ich in dieser Form nicht hin, klar. Das spielerische Lernen im Alltag ist wichtig für die Kids. Und es bleibt so viel mehr hängen, als wenn sie nur stumpf vor ihrem Arbeitsblatt hocken. Ich habe hier Klasse zwei, vier, sechs, acht und elf vertreten – plus Kindergartenkind, das natürlich auch Aufgaben bekommen möchte. Wenn ich Glück habe, schläft der Einjährige auf meinem Rücken. Seit Anfang der Woche häufen sich die Aufgaben der Kinder, dennoch müssen sie bei mir nicht alles für den vorgesehen Tag erledigen. Es bringt uns allen ja nichts, wenn die Kinder frustriert sind und nichts mehr machen wollen und bei uns Eltern die Nerven flach liegen. Wir versuchen, den Druck rauszunehmen, indem wir auch mal eine Stunde nach draußen oder in die Küche verlegen. Lesen kann man sowieso überall.

Ich finde, bei euch klingt alles unglaublich harmonisch und bereitet mir als gerade ziemlich überlasteter Mama ehrlich gesagt ein ziemlich schlechtes Gewissen …

Nein, Quatsch! Natürlich ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Ich hadere auch mit mir und stoße an meine persönlichen Grenzen. Wir haben hier alle unsere Schwierigkeiten. Einige lassen sich ablenken, streiten, aber es bilden sich auch Pärchen aus Geschwistern, die sonst eher weniger miteinander zu tun hatten. Das ist ganz interessant zu erleben …

Aber zurück zum Thema Schule. Ein großes Problem für mich zurzeit: Ich habe ein ‚Übergangskind‘, das also nach den Sommerferien auf eine weiterführende Schule kommt. Der junge Mann verweigert oft die Schularbeiten und hat generell eine Nullbockhaltung der Schule gegenüber. Den zu motivieren ist echt eine Herausforderung, es ist zum Verzweifeln. Ich lasse ihn jetzt so lernen, wie er möchte. Denn wenn ich Druck ausübe, erzeugt das nur Gegendruck …

Wir halten es jetzt ähnlich mit unserem Erstklässler, nachdem es die ersten beiden Tage Tränen der Frustration regnete.

Kannst Du denn trotz allem aus dieser Situation etwas Gutes ziehen?

Auf jeden Fall. Das Entschleunigen tut uns gut, und wir werden nach der ‚Corona-Zeit‘ definitiv etwas ändern, eben entspannter bleiben und uns selbst immer wieder daran erinnern, was wichtig ist. Wir wollen positiver denken und unsere Zeit zusammen noch intensiver genießen. Wir sind als Familie jetzt noch enger zusammengerückt, das soll bitte so bleiben.