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Warum zu viel Lob schadet
„Das Bild hast du aber schön gemacht!“, „Jetzt hast du aber brav Zähne geputzt“ und „Ganz toll, wie du aufgegessen hast!“ Das sind Sätze, die wir zu unseren Kindern sagen, um sie zu motivieren, sie für ihr Verhalten zu loben.
Es gibt jedoch die Theorie und auch passende Studien dazu, die beispielsweise von Autor Alfie Kohn vorgestellt wurden, dass Lob genauso schädlich sein kann wie Strafe.
In einer Studie der Universität Utrecht haben Psychologen den Effekt von übermäßigem Lob auf Kinder erforscht. Das Ergebnis: Kinder, die im Versuch nicht oder angemessen gelobt wurden, trauten sich anschließend schwierigere Aufgaben zu. Die Kinder, die übertrieben gelobt wurden entschlossen sich für die leichteste Aufgabe. Das übermäßige Lob sorgt dafür, dass sich besonders Kinder ohne großes Selbstbewusstsein noch weniger zutrauen.
Das klingt erst einmal total unlogisch. Lob ist doch etwas Tolles. Etwas das uns zeigt, dass wir richtig handeln. Angeblich ist es aber so, dass zu viel Lob Kinder verunsichert. Es kann gönnerhaft wirken, es macht abhängig von Anerkennung und kann manipulativ eingesetzt werden.
Kinder loben kann manipulieren und klein machen
Wenn dein Kind das erste Mal seine Schuhe allein zubindet, dann ist das sehr lobenswert. Beim 15. Mal ist das nicht mehr notwendig. Übermäßiges Lob für alltägliche Dinge suggeriert dem Kind, dass du ihm nicht viel zutraust. Mit der Zeit wird dein Kind diese Zuschreibung übernehmen.
Das Wichtigste ist, dass das Lob ehrlich gemeint ist. Auch Kinder haben bereits ein Gespür dafür. Übertriebenes Lob ist nicht authentisch und hinterlässt negative Gefühle bei deinem Kind. Über die richtige Portion Lob soll dein Kind lernen, sich selbst zu vertrauen.
Mit zu viel Lob erreichst du nur, dass dein Kind Aufgaben des Lobes willen tut.
Das passiert, wenn wir Kinder zu viel loben
Diese Kinder werden später mitunter auch zu Erwachsenen, die unsicher durch das Leben gehen und immer jemanden brauchen, der ihnen sagt, ob sie etwas gut gemacht haben oder nicht. Jemanden, der ihnen auf die Schulter klopft. Aber im Grunde wünschen wir uns doch Kinder, die voller Stolz rufen „Ich habe es geschafft!“, statt unsicher auf ihren Lippen zu kauen und zu fragen „War das so gut Mama?“.
Besonders deutlich erklärt Autor Alfie Kohn diese Theorie in seinem Buch “Liebe und Eigenständigkeit– Die Kunst bedingungsloser Elternschaft, jenseits von Belohnung und Bestrafung“. Darin beschreibt er, was es bewirken kann, weniger zu loben:
„Menschen, die wissen, dass sie unabhängig von ihren Leistungen geliebt werden, erreichen oft ziemlich gute Leistungen. Das Wissen, bedingungslos angenommen zu werden, hilft ihnen, ein gesundes Selbstvertrauen zu entwickeln und Mut zu haben, Risiken einzugehen und neue Dinge zu probieren.“
„Der Mut, etwas zu leisten, wurzelt in tiefer Zufriedenheit.“
Nicht zu loben, aber anerkennend und wertschätzend zu sein, bedeutet das Kind als Persönlichkeit zu sehen, nicht seine Leistung. Eltern sollten also nicht nur auf das Ergebnis schauen, sondern auf den Weg dorthin, die Bemühungen.
Kinder richtig loben: 5 Tipps
Der Effekt von Lob steht und fällt mit der Wortwahl. Mit Aussagen wie „Das hast du toll gemacht!“ oder „Das war aber lieb von dir“ bewertest du die Leistung deines Kindes. Besonders das berühmte „Gut gemacht“ vermittelt, dass es auch eine schlechte Leistung gibt.
Dein Kind wird sich immer öfter fragen, ob es gut oder gut genug war. Statt das Kind den ganzen Tag über zu loben, sollen Eltern sich lieber überlegen, was sie stattdessen Persönliches hätten sagen können.
1. Lobe das was du siehst
Das dein Kind dir ein selbst gemaltes Bild zeigt, ist eine der häufigsten Situationen, in der Lob falsch vermittelt wird. Anstatt einem „Gut gemacht!“ oder „Das ist aber schön geworden“ versuche einmal in Worte zu fassen, was dir besonders daran gefällt. Zum Beispiel wie genau die Farbe des Autos getroffen ist oder, dass es dir gefällt, wie sehr die Personen lächeln. Suche dir ein Detail aus, das du besonders hervorheben möchtest.
Diese reine Feststellung soll es schaffen, dass das Kind sich genauso freut wie über ein „Schön gemalt!“, aber gleichzeitig seine Intention nicht verändern. Lob kann nämlich auch erreichen, dass das Kind in Zukunft versucht nur noch „schön“ zu malen, es kann sogar Druck erzeugt werden beim nächsten Mal wieder so schön zu malen, um Mama nicht zu enttäuschen.
2. Keine Vergleiche ziehen
Wenn du dein Kind lobst, solltest du unbedingt auf Vergleiche verzichten. Mit einem „Du kannst viel höher springen als xy“ förderst du nicht das Selbstbewusstsein, sondern nur den Wettbewerb.
Besonders kritisch wird es, wenn Vergleiche unter Geschwisterkindern gezogen werden. Dein Kind muss lernen, dass jeder andere Stärken hat und es für seine genauso geschätzt wird, wie der große Bruder.
3. Stelle die Bemühungen hervor, nicht die Eigenschaft
„Du bist so ein toller Sportler“ oder „Was für ein begabter Maler du bist!“, motivieren dein Kind nicht sich neuen Herausforderungen zu stellen. Im Gegenteil: Wenn dein Kind für Eigenschaften gelobt wird, die es bereits gut beherrscht wird, es auf Nummer sicher gehen wollen, aus Angst die Anforderung nicht genauso gut erfüllen zu können.
Daher solltest du die Bemühungen deines Kindes hervorheben. Ein „Ich habe gesehen, wie sehr du dich angestrengt hast“ oder „Ich kann sehen wie viel Mühe und Zeit du in dein Bild gesteckt hast“ ist sehr viel effektiver.
4. Beurteile nicht den Charakter
Besonders Großeltern neigen gerne zu einem „Du bist so ein liebes Kind“ oder „Du bist ein guter Junge“. Anstatt den Charakter deines Kindes zu beurteilen, solltest du beschreiben wie sich das Verhalten auf andere auswirkt.
Anstatt „Wie lieb von dir, dass du deine Süßigkeiten geteilt hast“ versuche deinem Kind zu vermitteln wie sich andere dabei fühlen. Zum Beispiel: „Du hast Papa die Werkzeuge angegeben, das war sehr hilfreich für ihn“.
5. Dem Alter entsprechend loben
Ein Kleinkind reagiert auf Lob anders als ein Schulkind oder ein Teenager. Kleine Kinder müssen öfter während einer Beschäftigung durch Lob motiviert werden und auch danach. Ältere Kinder hingegen können ihr Verhalten besser reflektieren und Lob auch zu einem späteren Zeitpunkt noch verinnerlichen.
Nicht zu loben ist unglaublich schwierig
Unser Kind nicht zu loben ist unglaublich schwierig und es verlangt von uns, uns intensiver mit unseren Kindern zu beschäftigen. Zeigt mir meine Tochter ein Bild kann ich es nicht mehr mit einem flüchtigen „Ganz schön!“ abtun.
Ich muss hinsehen. Ich muss mir genau überlege, was ich jetzt sage. Beim Schaukeln am Spielplatz rief ich also nicht mehr „Toll gemacht!“ sondern „Du schaukelst richtig hoch!“. Wenn sie ihr Frühstück komplett aufgegessen hatte, sagte ich nicht „Gut gemacht, alles aufgegessen!“, sondern „Dein Teller ist leer, hat dir wohl gut geschmeckt heute!“.
Der Unterschied zwischen dem Lob und meiner Reaktion war also, dass ich die Mühen, den Einsatz und das Handeln meiner Tochter wertschätzte, ihr meine Anerkennung zeigte.
Wir loben Kinder viel zu oft, ohne es wirklich zu bemerken. Und meine Tochter war nicht weniger glücklich ohne Lob, ich hatte mehr das Gefühl, ehrlicher mit ihr zu sein, sie eben nicht zu manipulieren. Wichtig wird diese Art der Anerkennung auch später, wenn es um die Noten in der Schule geht. Ich habe mir fest vorgenommen, weniger zu loben – auch wenn ich mich immer wieder dabei erwische.