Muss der Große zurückstecken, wenn das Geschwisterchen kommt?

Zwei Brüder
© Unsplash/ Nathan Dumlao

Die Geburt des zweiten Kindes bedeutet für alle Beteiligten Veränderung. Freude, Wünsche, Unsicherheit und Sorgen fahren Achterbahn. So richtig planen lässt sich das „neue Familienleben“ eben nicht, man muss flexibel bleiben. Die Erfahrung unserer Zweifach-Mama und Autorin Daniela Kirschbaum: Erstens kommt alles anders, zweitens als man denkt!

Ein Kind kommt – und noch eines!

Bei uns kam der Kindersegen recht knapp aufeinanderfolgend. Söhnchen war zehn Monate alt, da war ich auch schon mit seiner Schwester schwanger. Nach Adam Riese beträgt der Altersabstand also lediglich anderthalb Jahre. Und bevor Mutmaßungen laut werden: Ja, das war tatsächlich so geplant! 😉

Doch ganz egal, wie man den Abstand zwischen den Geschwistern wählt – ob enger oder weiter – sobald da ein zweites Herzchen in einem schlägt, fragt man sich zwangsläufig: Wie wird das ältere Geschwisterchen darauf reagieren?

Verkraftet es das Goldstück, ungefragt vom Thron gestoßen zu werden? Was ist dran an den Horrorgeschichten von eifersüchtigen Erstgeborenen, die in einem unbeobachteten Augenblick klammheimlich versuchen, dem kleinen Störenfried die Augen auszustechen?

Oder anders gefragt: Muss der Große zurückstecken, wenn das Geschwisterchen kommt? Wird er eifersüchtig reagieren? Und vor allem: Was kommt da eigentlich auf mich zu?

So viel sei verraten: Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt!

Mit einem Geschwisterchen ändert sich alles

Natürlich bleibt nicht alles beim Alten, so viel ist klar. Ein Geschwisterchen bedeutet Veränderung für alle Beteiligten. Die schlechte Nachricht also zuerst: Ja, natürlich muss das ältere Kind zurückstecken! Das kann man nicht wirklich schönreden, das liegt in der Natur der Sache. Bei uns ist es nicht anders gewesen.

Ich erinnere mich an viele Situationen, in denen Söhnchen zugunsten seiner kleinen Schwester fortan den Kürzeren zog. Im Prinzip polterte sie in unser Leben und hat selbiges gehörig auf den Kopf gestellt. Sie hat es deutlich besser, bunter und chaotischer gemacht und ihrem Bruder dabei sicherlich so einiges abverlangt.

Der Gerechtigkeit halber muss man aber auch sagen, dass „Zurückstecken“ auf lange Sicht nicht alleiniges Schicksal der Älteren ist. Die brauchen nämlich nicht besonders lange, um zu checken, wie der Hase läuft und sich ihre Privilegien wieder zurückzuholen. Insofern ist wohl jede Geschwisterbeziehung geprägt davon, sich irgendwie zusammenzuraufen und zu akzeptieren, dass jeder von Zeit zu Zeit derjenige ist, der eben „zurückstecken“ muss. Im Gegenzug hat so ein Brüderchen oder Schwesterchen dafür auch den einen oder anderen Vorteil zu bieten…

Frischer Wind und Neustrukturierung

Als Töchterchen auf die Welt kam, warf sie die mühsam erarbeitete Struktur der letzten anderthalb Jahre ohne Rücksicht auf Verluste einfach über den Haufen. Ruhiges Einschlafkuscheln vom Großen? Töchterchen hatte Koliken! Action am Spielplatz? Töchterchen wollte in Ruhe stillen! Entspannter Ausflug zum Badesee? Töchterchen hasste Wasser!

Bei zwei so kleinen Kindern hätte ich eigentlich vier Arme und sechs Hände gebraucht, aber die wurden mit dem kleinen Wirbelwind nicht mitgeliefert. Aber kein Problem, Improvisation lautet seit damals das Zauberwort. Was muss, das muss und irgendwie haben wir es gemeinsam hinbekommen (und bekommen es immer noch hin). Das heißt aber natürlich nicht, dass Familienzuwachs grundsätzlich ein Zuckerschlecken ist. Schön ist es, keine Frage! Aber es bedeutet immer auch, sich von Dingen zu verabschieden. Vom Einzelkind-Status zum Beispiel… Oder auch vom Privileg, sich „nur“ auf ein Kind konzentrieren zu müssen.

Ein Geschwisterchen bedeutet immer Verlust…

Dass ein Geschwisterchen eben auch Verlust bedeutet, war uns sehr bewusst. Wir brauchten das auch nicht schönzureden, der Alltag mit zwei Kindern zeigte es ohnehin rasch auf. Söhnchen hat seine heißersehnte Schwester bekommen, dafür aber auch so manches aufgeben müssen. Ungeteilte Aufmerksamkeit zum Beispiel… Oder das Gefühl, dass seine Bedürfnisse immer sofort gestillt werden (manchmal hatte das Stillkind eben Vorrang). Er musste das Kinderzimmer teilen und manchmal sogar sein Spielzeug. 😉

Ganz zu schweigen von den profaneren Dingen, die so ein kleines Geschwisterchen mit sich bringt: Da wird die mühsam gebaute Legofestung zerstört, Himbeersaft über farbenfrohe Kunstwerke geschüttet oder die letzte Seite aus dem Lieblingsbuch gerissen (und gegessen!). Wie soll ein kleiner Junge das alles aushalten?

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… aber gleichzeitig auch Gewinn

Die Sache ist die: Sie halten es aus, dass ihr Revier mit Beschlag belegt wird, die stolzen großen Brüder und Schwestern… Denn bei allen Einbußen und Ärgernissen, die so ein kleiner Schreihals mit sich bringen kann, darf man halt auf die Vorteile nicht vergessen…

Da ist plötzlich jemand, der einen bewundert und nacheifert. Das macht stolz und pusht den Selbstwert ganz schön. Außerdem kann es ja auch durchaus vorteilhaft sein, nicht immer die 100-prozentige Aufmerksamkeit von Mama und Papa zu haben, vor allem auf lange Sicht. Einen Verbündeten für stürmische Zeiten an seiner Seite zu wissen, gibt eine gewisse Sicherheit. Darüber hinaus darf man nicht vergessen: Da ist immer jemand zum Spielen, Ausheulen, Rat-suchen und Streiten – auch nicht zu verachten…

Es ist gut so, wie es ist

Unsere Kinder haben sich sehr schnell zusammengerauft und sind bis heute ein Herz und eine Seele (mit gelegentlichen Einbrüchen, so ehrlich muss man sein). Rückblickend wird sicher deutlich, dass man manche Dinge einfach nicht planen kann, sondern auf sich zukommen lassen muss. Familienzuwachs gehört da sicher dazu. Ob sich die Kinder verstehen, eifersüchtig reagieren, voneinander profitieren oder sich mit Feuereifer gegen die Eltern verbünden – das zeigt sich dann in den nächsten Jahren ohnehin tagtäglich in der Praxis. Wahrscheinlich ist es ein bisschen von allem…