Wehleidig? Das ist noch untertrieben…
Ich bin mit sehr konträren Kindern gesegnet. Während Sohn gegen Schmerzen nahezu immun zu sein scheint, hat Töchterchen wohl nicht nur die Wehleidigkeit ihres Bruders abbekommen, sondern auch noch die von mindestens sechs anderen Kindern. Nach Adam Riese ist sie also etwa so schmerzempfindlich wie acht Kinder. Und nein, das ist nicht übertrieben, sondern eher noch ein wenig beschönigt.
Töchterchen ist eben hochsensibel und deshalb spürt sie Schmerzen, die ein anderes Kind wohl nicht einmal registrieren würde. Einfach ALLES tut ihr FÜRCHTERLICH weh – ein Etikett im Ausschnitt, eine Sockennaht, der Bruder, der beim Fangenspielen VIEL ZU FEST abklatscht. Ganz zu schweigen von üblen „Verletzungen“. Ein Mini-Kratzer, den man mit der Lupe suchen muss? SCHLIMMSTE SCHMERZEN ÜBERHAUPT! Eine klitzekleine Abschürfung, die man mit bloßem Auge kaum erkennen kann? HÖLLENQUALEN! Von *richtigen* Verletzungen sprechen wir da noch gar nicht. Ein blauer Fleck? Eine Schürfwunde am Knie? Ganz normale Wehwehchen eben, die Kinder ständig ausfassen? Eine wahre KATASTROPHE!
Holt einen Krankenwagen … ein kleines Pflaster genügt eigentlich auch!
Unbeteiligte, die Töchterchen nicht kennen und ihr Verletzungsdrama mitbekommen, sind versucht, einen zu rufen – oder wenigstens den Verbandskasten zu holen. Wird dann das Ausmaß der tatsächlichen (= nicht der Rede wert) Verletzung ersichtlich, fallen die Blicke irritiert bis belustigt aus. Und wir?
Wir geben gerne zu, dass wir oftmals recht genervt sind, auch wenn das natürlich nicht die feine englische Art ist. Aber ehrlich: Töchterchen hat eben einen Hang zur Übertreibung und sorgt damit für die absurdesten Situationen. So hat sie es beispielsweise geschafft, dass der Bruder – nach einem geschwisterlichen Zusammenstoß – besorgt ihre „schlimme Verletzung“ inspiziert hat, während ihm selbst aus einer frischen Platzwunde das Blut übers Gesicht gelaufen ist.
Gegen Wehleidigkeit ist wohl kein Kraut gewachsen
In den letzten Jahren haben wir allerhand Strategien eingesetzt, um der übertriebenen Wehleidigkeit beizukommen. Extra viel Aufmerksamkeit und tröstende Worte, beinhartes Ignorieren, farbenfrohe Pflaster, offene Ohren und Streicheleinheiten – nichts davon fruchtet(e)! Spätestens bei der nächsten (vermeintlichen) Verletzung ist das Drama wieder perfekt.
Deshalb nehmen wir das Gejammere und Geraunze eben als gegeben hin und halten es aus – das gelingt mal besser, mal schlechter, je nach Tagesverfassung. Eines jedenfalls ist ohnehin klar: Dieses Mädchen ist eben, wie es ist. Und etwas Gutes hat die Sache immerhin: Mit diesem Kind kommt man wenigstens nicht in die Verlegenheit, dass man eine Verletzung versehentlich übersieht. Bei ihrem Bruder kann das nämlich schon mal vorkommen.