Ehrgeizige Mütter?
„Was? Dein Kind ist noch nicht trocken?“ oder „Wirklich? Dein Kind kann noch nicht seinen Namen schreiben?“ – Albtraumsätze vieler Mütter!
Kaum jemand möchte seinem Dreieinhalbjährigen noch Windeln anziehen, doch das hat oft weniger mit den Kosten oder der Sorge um die Müllberge zu tun, sondern vielmehr damit, dass man in Gesellschaft anderer Eltern leicht in Erklärungsnöte gerät.
Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen Entwicklungsschritten, Freizeitaktivitäten und Fördermaßnahmen.
Ich habe keinen Anlass, an meinen Kindern oder mir zu zweifeln. Sie entwickeln sich prächtig, sind gesund, wohlerzogen und liebenswert und ich habe – wie die meisten Eltern – allen Grund, zufrieden zu sein. Und doch nagt schon hier und da mal der leise Zweifel an mir, ob ich meine Kinder ausreichend fördere bzw. fordere.
Muss ich mehr tun, damit sie später nicht von Gleichaltrigen abgehängt werden? Trage ich ihren Talenten ausreichend Rechnung? Sollte ich ihre Entwicklung mehr selbst in die Hand nehmen, anstatt einfach nur passieren zu lassen? Muss ich sie mehr „pushen“?
Frage an eine, die es wissen muss
Meine Älteste ist bereits erwachsen, ihre kleinen Geschwister gerade auf dem Weg in die Pubertät. Was liegt da näher, als Manöverkritik von der Großen einzuholen, um alte Fehler nicht zu wiederholen. Ich erinnere mich an eine spezielle Situation:
Mit ca. 12 Jahren war die Große eine gute Schwimmerin und im Schwimmverein. Als es aber darum ging das nächste Abzeichen zu machen, musste sie vom 3-Meter-Turm springen und stand ganz am Ende des Sprungbrettes … und sprang nicht! Trainer sprachen ihr Mut zu, Mitschwimmer versuchten sie zu überreden – es half nichts. Nach gut zehn Minuten gab sie auf, bekam jedoch die Zusagen, den Sprung in der Folgewoche nachholen zu dürfen – eine zweite Chance.
Sichtlich geknickt fuhr sie mit mir heim und ich fragte mich still, wie ich reagieren soll: Trösten, zureden, raushalten?
Bloß keinen Druck!, dachte ich mir und entschied mich für Trost und Verständnis. Ich sagte ihr also, dass ich verstehen kann, dass sie da nicht runter springen mochte, ich hätte da sicher auch Angst gehabt, und dass sie ganz selbst entscheiden müsse, ob sie springt oder nicht und dass ich nicht erwarte, dass sie springt, sondern sie es nur tun soll, wenn sie es selbst wolle. Sie ist nicht gesprungen. Sie wollte zwar, konnte sich aber nicht überwinden.
Heute ist sie 24 Jahre alt und ich fragte sie, ob ich mich als Mutter damals hilfreich verhalten hatte. Die Antwort war ernüchternd:
Nein, sie hätte sich gewünscht, dass ich ihr Mut gemacht und sie ein bisschen unter Druck gesetzt hätte. Das wäre es, was sie gebraucht hätte, um sich zu überwinden. Wir wissen natürlich nicht, ob sie das wirklich zum Sprung gebracht hätte aber es ist eine Möglichkeit.
Heute ist mir klar, dass dies für meine Tochter eine wichtige, verpasste Chance war. Nicht wegen des fehlenden Abzeichens oder der sportlichen Möglichkeiten, sondern weil sie nicht die glückreiche Erfahrung gemacht hat, sich überwinden zu können und ein Ziel zu erreichen, das im ersten Moment unerreichbar schien.
Wie viele weitere Situationen hat es inzwischen in ihrem Leben gegeben, wo sie diese einzelne, erfolgreiche Erfahrung gebraucht hätte, um sich etwas Neues oder Schwieriges zuzutrauen?
Jetzt würde ich in der gleichen Situation wissen: Es ist unerheblich, ob ich selbst springen würde, sondern allein wichtig, ob mein Kind die Fähigkeit hat dort hinunterzuspringen, ob es den Wunsch dazu hat und wie ich dabei unterstützen kann. Ich würde Mut zusprechen und auch ein wenig Druck machen – nicht um meinetwillen, sondern für sie.
Chancen erkennen und nutzen
Man sollte keinesfalls glauben, dass ein Kind immer und in jedem Alter ganz von selbst wüsste, was es lernen oder erreichen kann. Kinder neigen leider dazu, sich zu verschätzen und manchmal ist auch nur der Wunsch der Vater des Gedankens.
Aber auch Eltern schätzen die Fähigkeiten ihres Kindes gelegentlich falsch ein.
Eltern sollten Ihre Kinder gut beobachten und auf Signale achten, die zeigen, dass sie zu einem neuen Schritt bereit und in der Lage sind. Solche Signale können körperlich bzw. motorisch oder geistig sein, sollten aber auch von einer inneren Bereitschaft begleitet werden.
Und da liegt der Hase im Pfeffer: Es kommt auf das Temperament des Kindes an, ob es sogleich bereit ist, etwas Neues auszuprobieren und dazu nur eine Gelegenheit erhalten muss, oder ob es deutliche Ermutigung braucht, evtl. sogar ein wenig Druck, um über sich hinaus zu wachsen und neue Fähigkeiten zu entfalten.
„Wer etwas Neues lernen will, muss seine Komfort-Zone verlassen!“ habe ich einst gelesen und stimme zu.
Wer aber nie die Erfahrung macht, dass es sich lohnt, diese Komfort-Zone zu verlassen, der wird geringen Anreiz hierzu verspüren.
Kinder müssen mehrfach und immer wieder die Erfahrung durchleben, dass man für seine Mühe und Überwindung mit einer neuen Fähigkeit und einem wundervollen Gefühl von Glück und Stolz belohnt wird.
Geschieht dies nicht, werden sie sich bevorzugt auf sicherem Terrain bewegen, selten über sich hinaus wachsen, Herausforderungen ablehnen und demzufolge wenig Selbstbewusstsein entwickeln. „Das schaffe ich ja sowieso nicht!“ ist dann der Gedanke, der womöglich den weiteren Werdegang blockiert.
3 Punkte
Wie erkenne ich, ob mein Kind bereit ist, etwas Neues zu lernen?
Als Grundsatz hilft es wohl, immer daran zu denken, dass der Fokus nicht beim Vergleich mit anderen Kindern oder bei uns selbst, sondern bei unseren Kindern liegen sollte, wenn es um die Ermittlung von Förderungsbedarf geht.
- Ist mein Kind in seiner Entwicklung in der Lage dies zu lernen?
- Stimmen die Umstände?
- Ist es motiviert bzw. kann ich es motivieren?
1. Ist mein Kind in seiner Entwicklung in der Lage dies zu lernen?
Die bereits erwähnte körperliche, motorische oder auch geistige Entwicklung des Kindes muss einen Erfolg möglich machen. Es hat z.B. keinen Zweck, ein Kind auf den Topf zu setzen, das von seiner Gehirnreife noch nicht in der Lage ist, seine Blase bewusst und kontrolliert zu entleeren.
2. Stimmen die Umstände?
Kinder werden durch Veränderungen und viele Aktivitäten belastet, und manche tun sich damit schwerer als andere. Ein neuer Kindergarten, frisch eingeschult, stressige Weihnachtszeit, Krankheit, Ankunft eines neuen Geschwisterchens, Trennung der Eltern, … es gibt viele Situationen, die ein Kind belasten und in denen es weniger leistungsfähig oder -bereit ist also sonst. Dann gilt es, ein wenig zu warten, bis sich alles eingespielt hat und sich das Kind auf die neue Aufgabe konzentrieren kann.
3. Ist es motiviert bzw. kann ich es motivieren?
Motivierte Eltern haben nicht unbedingt auch motivierte Kinder. Angst ist hier die größte Bremse.
Veränderungen machen Angst, das kennen wir alle. Das Aufgeben einer alten Gewohnheit ist für Kinder oft ebenso beängstigend wie für uns Großen ein Umzug in eine andere Stadt. Und oft bleibt Kindern völlig unklar, warum sie etwas verändern sollen, es sei denn, sie sehen darin für sich einen spürbaren Vorteil oder eine Wunscherfüllung.
Warum vom Schnuller trennen, auf den Topf / die Toilette gehen, im eigenen Bett schlafen oder die Spülmaschine ausräumen? Gibt es für das Kind keine eigene Motivation, dann ist das Geschick der Eltern gefragt, dem Kind das Positive an der Veränderung aufzuzeigen.
Auf keinen Fall sollte man aber zu erpresserischen Mitteln oder Androhungen von Strafen greifen – das hinterlässt ein nachhaltiges Gefühl des Unbehagens oder der Angst, und blockiert, wenn es um zukünftige Veränderungen geht. Eine Belohnung darf aber durchaus in Aussicht gestellt werden – es muss nicht immer materiell sein, sondern kann auch in „Elternzeit“ ausgezahlt werden, z.B. Kuschel- und Vorlesezeit, Spielzeit usw.
Beispiel: „Wenn du heute in deinem Bett schläfst, dann bin ich morgen früh besser ausgeruht und dann können wir uns nach dem Frühstück ein Buch aus der Bücherei holen und das nachmittags zusammen lesen.“
Hat dies ein paar Mal gut geklappt, wird aus der neuen Fähigkeit bald eine Gewohnheit, die keiner großen Beachtung oder Aussicht auf Belohnung mehr bedarf.
Von neuen Fähigkeiten profitieren
Eltern wollen meist Arbeit und Geldausgaben reduzieren, sowie mehr Schlaf und Freiheit bekommen, während das Kind gern versorgt werden möchte, ohnehin mehr schlafen soll als ihm lieb ist und über Geld und Arbeit macht es sich noch keine Gedanken.
Wenn das Kind also zugunsten seiner Eltern etwas aufgeben oder eine neue Herausforderung annehmen soll, dann wäre es nur fair, wenn diese ihm auch etwas zurückgeben.
Beispiel: „Zieh Dich alleine an, dann darfst Du heute Mittag bestimmen, was wir essen.“ Auch bei größeren Kindern sollte es ausgewogen zugehen: Mehr Arbeit bzw. Eigenverantwortung sollte auch mit mehr Freiheit und Selbstbestimmung einhergehen.
Man kann dies als Mittel der Motivation sehen aber viel wichtiger ist, dass das Kind erkennt, dass es durch neue Fähigkeiten in seinem Leben voran geht, dass es sich entwickelt und jedes neu Erlernte auch eine Verbesserung ist. So wird es bald ganz von selbst motiviert sein, Neues zu lernen.
Elternmacht missbrauchen
Ein unerfreuliches Kapitel beim Fördern ist leider der seelische Missbrauch von Kindern. Dieser findet statt, wenn Eltern die Grenze dessen überschreiten, was im Interesse des Kindes ist und stattdessen die eigenen Wünsche und Ziele in den Vordergrund stellen. Dann müssen Kinder Leistungen erbringen, um von den Eltern positive Zuwendung und Zuneigung zu erhalten.
Wenn Elternliebe aber an die Leistung des Kindes geknüpft wird, dann findet Erpressung statt. Die Liebe, auf die ein Kind ein ganz selbstverständliches Recht hat, wird zum Preis seiner Leistung verkauft. Die psychischen Folgen von seelischem Missbrauch unterscheiden sich übrigens kaum von denen des sexuellen Missbrauchs.
Umgang mit Misserfolg
Selbst bei sorgfältiger Beobachtung unserer Kinder und ihrer Fähigkeiten, kann es passieren, dass ein gestecktes Ziel nicht erreicht bzw. eine neue Fähigkeit nicht erlernt wird. Halt, das war falsch formuliert: Es muss heißen „… noch nicht erlernt wird“.
Nicht jeder Versuch wird sofort mit Erfolg gekrönt aber dennoch kann man immer etwas Positives dabei lernen. Im besten Fall weiß man, welche Methode nicht funktioniert und was beinahe zum Erfolg geführt hätte. Strategien können vielleicht verbessert und zu einem anderen Zeitpunkt ein neuer Versuch gestartet werden. Wer genau hinschaut, kann immer etwas Positives auch am Scheitern finden und für einen neuen Versuch nutzen.
Zudem müssen Kinder auch lernen, Misserfolge zu akzeptieren. Wer immer nur Erfolge hatte, fürchtet den Misserfolg meist mehr als der, der damit umzugehen gelernt hat. Das Erlernen von Frustrationstoleranz ist eine der wichtigsten sozialen Fähigkeiten, die Menschen erlangen müssen. Darum lohnt es sich, festzustellen, dass auch beim Scheitern das Leben weiter geht und sich an anderer Stelle wieder neue Chancen auftun.
Aufgeben als letzte Option
„Ich mag nicht mehr Klavier spielen!“ … vor einem Jahr noch gebettelt und jetzt keine Lust mehr – die Erfahrung haben schon viele Eltern gemacht. Ein Hobby wird nach gewisser Zeit langweilig, vielleicht ist das Erreichen des Ziels schwieriger oder langwieriger als gedacht und nun ist etwas anderes interessanter.
In jungen Jahren ist es sicher verständlich, das Kinder erst einmal verschiedene Dinge ausprobieren müssen, um herauszufinden, was ihnen liegt, wo ihre Interessen und Talente liegen. Doch etwa ab der dritten Klasse sollte sich dies herauskristallisiert haben und alles Geld, das man z.B. in Instrumente, Ausrüstung und den Unterricht investiert hat, ist ebenso verschwendet wie die Zeit, die man dafür aufgewendet hat, wenn man das Kind vorschnell aufgeben lässt. Viel schwerwiegender aber ist, dass das Kind dabei nicht lernt, auch schwierige Phasen zu überwinden.
Hier ist es ratsam, zum Weitermachen zu ermuntern und nicht gleich den Vertrag zu kündigen.
Was wir in die außerschulischen Aktivitäten unserer Kinder investieren, ist auch Teil einer Lebensausbildung. Kinder lernen, dass sie Hobbys haben und ihre Freizeit aktiv gestalten, statt vor dem Bildschirm zu sitzen. Vielleicht lernen sie, sich mit anderen zu messen oder sich selbst zu beweisen, im Team einen Platz zu finden oder durch Fleiß und Kontinuität ein Ziel zu erreichen. Zudem fördern die meisten Hobbys auch den Intellekt und das Lernvermögen.
Sofern mit dem Unterricht, Sportverein, Team o.ä. alles in Ordnung und das Kind dort gut aufgehoben ist, darf man seinem Kind auch mal das Weitermachen abverlangen. Oft muss nur eine kleine Phase des Unwillens überwunden werden und alles macht wieder Spaß. Hält die Unlust über einen langen Zeitraum an, sollte man herausfinden, was dazu führt und alternative Möglichkeiten besprechen.
Erfolg möglich machen
Neue Fähigkeiten erlangen Kinder meist nicht über Nacht. Je älter sie werden, desto größer und schwieriger werden die Herausforderungen. Ob es das „Lesen lernen“ in der Schule oder das Radschlagen im Sportverein oder etwas anderes ist – oft brauchen Kinder beim Üben die zuverlässige Begleitung und Unterstützung ihrer Eltern, um darin erfolgreich zu werden.
Während manche Kinder sich selbst motivieren und am Ball bleiben, bis sich der Erfolg einstellt, neigen andere dazu, vorschnell frustriert zu sein und dann die Tätigkeit zu umgehen. Beim Radschlagen ist dies vielleicht kein Drama aber z.B. beim Lesen lernen durchaus ein Problem.
Wenn Eltern dann jeden Druck vermeiden, machen sie ihrem Kind zwar den Augenblick angenehmer, tun ihm aber langfristig keinen Gefallen, sondern führen ihr Kind in eine Situation andauernden Stresses: Angst, in der Klasse vorlesen zu müssen, Probleme, bei Arbeiten die Aufgaben richtig und schnell zu lesen – oft hängt viel mehr von einer Fähigkeit ab, als es zunächst den Anschein hat.
Das Kind auch mal Druck auszusetzen und z.B. regelmäßiges Üben einzufordern, ist für Eltern oft ein Problem: Es führt zu Konflikten und kostet Kraft und Nerven. Aber ebenso wie unsere Kinder Herausforderungen annehmen müssen, geraten auch Eltern in Situationen, in denen sie ihre Komfort-Zone verlassen und ihre Aufgabe als Erzieher annehmen müssen.
Eltern sind auch Trainer
Ich möchte gesund und fit bleiben und mit meiner Figur zufrieden sein. Eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio allein, bringt mich leider nicht zum Erfolg, da ich beim Training immer weit unter meinen Grenzen bleibe.
Darum habe ich einen Trainer, der mir zweimal in der Woche die Hölle heiß macht und mich Dinge tun lässt, die ich mir nie zugemutet hätte – mit bemerkenswertem Erfolg! Dabei ist es besonders das Anfeuern und das Lob meines Trainers, was mich zum Durchhalten bewegt. „Ich weiß, dass du das kannst!“ oder „Du schaffst das bis zum Ende!“ und „Du hast es tatsächlich durchgehalten, sei stolz auf dich!“ oder „Gut gemacht!“ sind dann das Öl in meinem Getriebe.
Bei unseren Kindern ist das nicht anders. Sie brauchen unser Anfeuern, das Gefühl, das wir überzeugt sind, dass sie es schaffen und natürlich das wohlplatzierte Lob.
Ein Lob ist allerdings nur wertvoll, wenn es auch wirklich verdient ist – selbst die Kleinen unterscheiden das bereits.
Wer inflationär jede kleine Leistung des Kindes mit großem Lob honoriert, wird es schwerer haben, sein Kind zu schwierigeren Leistungen zu motivieren. Statt ständig „super, toll gemacht“ zu rufen, können Eltern auch einfach Anerkennung zeigen, indem sie sagen „ich sehe, wie du dich bemühst“ oder „du strengst dich wirklich sehr an“ oder „mach weiter so“.
Überforderung
Woran erkennt man, dass ein Kind mit einer Aufgabe überfordert ist? Scheitern ist natürlich oft ein Zeichen dafür. Aber selbst bei erfolgreicher Durchführung kann ein Kind mit einer Sache überfordert sein, darum sollte man genau hinsehen.
Musste sich das Kleinkind z.B. vom Schnuller trennen, ohne alternative Strategien zum Stressabbau zu kennen, kann die schnullerfreie Situation das Kind überfordern. Es wird sich dann in irgendeiner Form auffällig verhalten, z.B. besonders intensiv trotzen, sich einnässen, andere Kinder schlagen oder andere Ventile zum Stressabbau suchen. Eltern sollten nach solchen Signalen Ausschau halten.
Trotzphase
Zum Glück kann bei unserem Beispiel in Stresssituationen meist schon ein Schmusetuch oder ein Kuscheltier zum Drücken Abhilfe schaffen.
Überforderte Schulkinder werden möglicherweise einen Leistungseinbruch haben oder mit körperlichen Symptomen (Kopfschmerzen, Schwindel …) reagieren oder Schul- und Versagensängste entwickeln.
Ist das Kind überfordert, muss man nach der Ursache suchen. Die Frage ist dann: Wer oder was löst den Druck aus? Sind es die Eltern, Lehrer, bestimmte Situationen oder gar das Kind selbst? Kennt man die Ursache, ist die Lösung meist nicht weit. Vielleicht muss man zu hohe Erwartungen oder Idealvorstellungen aufgeben und Strategien finden, mit weniger Druck ein zufriedenstellendes (wenn vielleicht auch nicht perfektes) Ergebnis zu erreichen.
Unterforderung
Auch Unterforderung kann ein Problem für Kinder sein.
Wenn Eltern ihre Kinder ausbremsen z.B. weil …
- sie zu viel Angst um sie haben
- sie ihrem Kind noch nicht so viel zutrauen
- sie mehr an einem perfekten Ergebnis interessiert sind als an der Entwicklung ihres Kindes
… dann gerät das Selbstbild des Kindes in Schieflage. Es lernt, Neues als Bedrohung wahrzunehmen oder dass es nicht viel kann und seine Leistung nicht gut genug ist.
Ein unterfordertes Kind ist nicht zwangsläufig hochbegabt. Es hat vielleicht ein besonders gutes Merkvermögen oder eine schnelle Auffassungsgabe oder ein bestimmtes Talent oder es wird von seinem Umfeld einfach nicht alters- und entwicklungsgemäß behandelt.
Unterforderte Kinder werde oft als anstrengend empfunden, weil sie viel einfordern. Sie haben viele Fragen, Pläne und Ideen und versuchen, andere dafür zu gewinnen. Damit wiederum sind Eltern manchmal im Alltag überfordert.
Beispiel: Eine Vierjährige, die sich bereits für Buchstaben interessiert, wird mit „das lernst du in der Schule“ abgespeist und ist folglich frustriert. In zwei Jahren hat sie dann vermutlich kein Interesse mehr, boykottiert Unterricht und Hausaufgaben und wird bald als „faul“ eingestuft – schlechte Noten kommen hinzu.
Unterforderte Kinder befinden sich in einer Art „Leerlauf“. Manche beginnen dann, sich auffällig -meist störend – zu verhalten, andere geben auf und ziehen sich aus Frustration in sich zurück.
Es ist nicht immer leicht, zu unterscheiden, ob ein Kind eine Leistung verweigert bzw. nicht erbringt, weil es über– oder weil es unterfordert ist. Gespräche und psychologische Tests können dabei helfen, das tatsächliche Potenzial des Kindes zu ermitteln.
Besonders im letzten Kindergartenjahr wird Unterforderung oft zum Problem. Die Spielsachen sind nach mehreren Kindergartenjahren langweilig, die kleinen Kinder uninteressant und die Gruppenaktivitäten füllen nicht mehr aus. Dann sollten Eltern gegensteuern, indem sie außerhalb der Betreuungszeit verschiedene, anspruchsvollere Aktivitäten anbieten: Schachkurse (evtl. auch am Computer), das Erlernen eines Instruments oder einer Sprache können für Ausgleich sorgen. Besuche von Museen, Konzerten oder Theateraufführungen, Ausflüge zu Burgen und Schlössern, Tierparks und Ausstellungen – möglichst viele neue Eindrücke und Informationen können das Kind dann sinnvoll beschäftigen.
Fazit
Ja, wir dürfen unsere Kinder mit zunehmendem Alter bei Bedarf unter Druck setzen und Leistung einfordern, damit sie wachsen können. Gerade so viel, dass sie eine realistische und entwicklungsgemäße Leistung erbringen können.
Wir werden dadurch nicht gleich zu Eiskunstlauf-Müttern und unsere Kinder werden auch keinen seelischen Schaden davon tragen, wenn wir ihnen hin und wieder die Unbill einer Anstrengung oder Überwindung abverlangen.
Statt kostenlose Rückfahrtickets „Ist nicht schlimm, wenn du es nicht schaffst“ auszustellen, dürfen wir durchaus mal sagen: „Ich erwarte, dass du dein Bestes gibst!“
Kinder müssen lernen, nicht immer gleich aufzugeben, wenn es nicht wie gewünscht läuft oder schwerer ist als erwartet.
Eltern hingegen müssen aufpassen, dass sie durch eigenen Perfektionismus nicht entmutigen. Sie sollten lernen, auch Ergebnisse anzuerkennen, die nicht ihren idealen Erwartungen entsprechen. Sie müssen außerdem Situationen zulassen und ggfs. schaffen, in denen ihre Kinder herausgefordert werden und wachsen können.
Die Lebensrealität, mit der unsere Kinder ab der Einschulung konfrontiert werden, ist, dass Leistung eingefordert wird. Darauf müssen wir sie vorbereiten und weiter bis zum Erwachsenenalter begleiten, um sicherzustellen, dass sie in unserer Gesellschaft bestehen.