Seit Montag oder spätestens Dienstag sind in Deutschland Schulen und Kindertagesstätten zu. Die offizielle Ankündigung haben wir bei uns am Freitag erhalten. Fünf Wochen Ferien … Tatsächlich hatte ich die Kinder schon einmal acht Wochen am Stück im Haus und wegen einer Scharlachschleife hatten wir bereits drei Wochen frei. Aber diese fünf Wochen fühlen sich anders an. Es ist nicht meine Entscheidung, meine Arbeitsbelastung ist jetzt deutlich höher, als sie das damals war, und praktisch alle Aktivitäten zur Entspannung fallen weg. Denn der Spielplatz ist seit heute zu. Museen und Parks sind geschlossen. Kein Eis mehr bei der Eisdiele …
Dabei haben wir noch Glück, denn wir haben ein Haus und einen – zugegebenermaßen nicht fertigen – Garten. Aber die Kinder können raus und matschen, buddeln und bauen. Außerdem arbeite ich von Zuhause – ein großer Luxus in dieser Situation, das ist mir bewusst. Bisher hängt nur ein Auftrag von mir in der Schwebe – ein weiterer Luxus. Solange ich die Arbeit schaffe, muss ich mir keine Sorgen um das Einkommen machen.
Homeoffice mit Kindern ist ein Kraftakt
Aber mit allen vier Kindern im Haus zu arbeiten, fühlt sich nicht an wie Luxus, sondern eher wie eine relative Unmöglichkeit. Arbeit ist reduziert mit Glück in den frühen Morgenstunden möglich und ansonsten am Abend, wenn die Kinder im Bett sind. Aber nach einem Tag als permanente Anziehhilfe, Schnittchenschmiererin, Obstschnipplerin, Streitschlichterin, Lehrerin, Trösterin, Vorleserin, Mitspielerin und Mit-Bauherrin bin ich platt. Das Homeoffice der Eltern in dieser Situation ist nicht nur eine Frage der Organisation, sondern auch der Energie.
Wenn die Kinder wach sind, ist konzentrierte Arbeit bei Kindern bis ins Grundschulalter eine Glückssache. Ja, meine zwei Grundschüler haben Aufgaben als Hausaufgaben auf, aber oft genug brauchen sie dabei meine Hilfe. Zumindest für den Start bei jedem Aufgabenblock stehe ich daneben und erkläre. Im Anschluss schaue ich die Aufgaben mit den Kindern durch. Die Aufgabenblöcke sind altersentsprechend kurz, also liegen meine Zeitfenster für konzentriertes Arbeiten an meinen Sachen bei zehn bis fünfzehn Minuten. Außerdem verschwinden die kleineren Kinder nicht, sondern möchten ebenfalls Hilfe von mir.
Struktur und Selbstständigkeit
Wie in den Ferien wird bei uns Tag für Tag an der Struktur der Tage gearbeitet. Ich stehe früh auf und arbeite. Wenn die Kinder aufstehen, ist das vorbei, solange ich die einzige Erwachsene im Haus bin. Dann wird gefrühstückt und gequatscht. Am Vormittag wird ein bisschen gearbeitet bei den größeren Kindern. Den Kleinen lese ich etwas vor oder sie malen in ihren Malbüchern. Danach wird im Garten oder in den Zimmern gespielt.
Es gibt einen Snack zum Mittag und danach ist Mittagspause. Die setze ich tatsächlich eisern durch und nutze ich – wenn es mit der Kleinen geht – ebenfalls fürs Arbeiten. Außerdem beseitige ich in der Zeit die Spuren des Vormittags. Nach der Mittagspause gibt es Obst und Gemüse. Am Nachmittag wird entweder unten im Wohnzimmer gespielt oder etwas gemalt und gebastelt. Die Jungen sollten zu den Osterferien ein Kinderkochbuch bekommen und dann vereinzelt das Essen vorbereiten.
Bitte nicht verklären
Für die Osterferien habe ich bereits Bastelmaterialien und Rätsel- und Malhefte gekauft. Da habe ich am Donnerstagabend nachgekauft, damit wir etwas im Haus haben. Das beschäftigt die Kinder zumindest teilweise. Wir basteln für Ostern und kleine Geschenke. Außerdem malen wir fleißig mit Fingerfarbe Bilder für unsere Wände. Das ist nett. Aber wenn das in den Medien romantisiert wird zu einer „Rückbesinnung auf die Familie“ ärgert mich das. Erst einmal klingt das, als wenn in den Familien heute nicht viel miteinander gemacht würde. Das stimmt so nicht. Viele Eltern, die ich kenne, machen sehr bewusst viel mit den Kindern. Da ist gar keine Rückbesinnung nötig, denn heutzutage entscheiden sich die meisten Paare sehr bewusst für Kinder. Unsere zeitlichen Möglichkeiten mögen anders sein, aber ich erlebe den Alltag in vielen Familien als liebevoll und zugewandt.
Die aktuelle Situation ist aber für viele Eltern existenzbedrohend. Werden dabei Paare mit Homeoffice oder Lehrer und Beamte in den Medien interviewt und erzählen von ihrem neuen Alltag, ist das nicht repräsentativ. Was ist mit den Personen im Einzelhandel, den Alleinerziehenden, den Selbstständigen mit kleinen Läden, die jetzt geschlossen sind? Und was ist mit den Eltern von chronisch kranken Kindern? Mit den Familien mit einem besonderen Bedarf – wie ist die Versorgung von diesen Familien aktuell in Deutschland geregelt? Da bleiben viele Fragen und vermutlich zeigen sich die Antworten erst nach Corona.
Was ist mit den Sorgen?
Ja, viele Eltern haben keine Arbeit, da in einer Verschärfung vieles geschlossen wurde. Aber die haben permanent Sorgen. Was ist mit dem Gehalt? Was ist mit dem Arbeitsplatz? Wie lange begleiten uns die Maßnahmen? – Auch mir macht die Situation Angst. Die kann ich vor den Kindern aber nicht zeigen, sondern maximal mit anderen Erwachsenen kurz besprechen. Meinen Kindern macht die neue Situation mit den plötzlichen Ferien ohne Spielplatz sowieso je nach Typ schon Angst.
Unsere fast vierjährige Tochter sagt, dass sie auf keinen Fall Corona bekommen möchte. Weil sie sonst sterben würde. Auch wenn ich ihr mehrfach erklärt habe, dass die Krankheit für Kinder nicht so gefährlich ist. Unser ältester Sohn macht sich Sorgen, dass er bald nicht mehr mit dem Fahrrad durch die Gegend fahren darf. Unser zweiter Sohn hat für sich abgeklärt, ob Corona so gefährlich wie Krebs sei. (Krebs ist durch den frühen Tod meiner Mutter und meines Schwiegervaters allen Kindern ein Begriff.) Ich möchte nicht, dass meine Kinder wochen- oder monatelang Angst haben. Gleichzeitig habe ich Angst vor den Unwägbarkeiten der Situation. Dabei ruhig und zuversichtlich zu bleiben, ist ein weiterer Spagat für uns Eltern. Für unsere Kinder ist dieser emotionale Spagat entscheidend. Mein Mantra ist: Zuversichtlich durchs Chaos gehen, kleine Momente genießen und viel gemeinsam lachen.