Kindererziehung – aber wie?!
Als Eltern fallen einem viele Situationen ein, in denen das Kind einfach nicht hören will – und jetzt? Strafen, ignorieren oder diskutieren?
Jedes Kind hat ein anderes Temperament und einen anderen Charakter, daher gibt es keine allgemeingültige Lösung für das Problem. Ein paar Tipps können wir dir aber trotzdem geben, die bei der Kindererziehung immer wichtig sind.
Verstehen, warum dein Kind nicht hört
Dein Kind ist aufgedreht und hört nicht auf dich? Viele Eltern empfinden ein solches Verhalten als Provokation. Aber zunächst ist wichtig zu verstehen: Wenn dein Kind nicht hört, bedeutet das nicht, dass es dich nicht mag, oder dass es dich ärgern möchte.
Kinder wollen im Normalfall sehr wohl mit ihren Eltern kooperieren. Es kann aber verschiedene Gründe haben, warum das manchmal nicht passiert.
- Das Kind kann gerade nicht hören: Wenn ein Kind zum Beispiel abgelenkt ist, weil es gerade ins Spielen versunken ist, dann wird es deine Aufforderung vermutlich nicht wahrnehmen. Ebenso kann es sein, dass sich dein Kind in einer Situation befindet, die es überfordert.
- Das Kind will Grenzen austesten: Das gehört zum Aufwachsen einfach dazu. Ein Kind kann ohne jeden bösen Hintergedanken einfach ein Interesse daran haben, zu sehen, wie du reagierst, wenn es nicht hört.
- Das Kind hat dich nicht richtig verstanden: Besonders kleine Kinder sind mit den Feinheiten unserer Kommunikation noch nicht vertraut und verstehen nicht genau, was du von ihnen willst. Als Konsequenz daraus machen sie dann gar nichts.
An dieser Stelle fragen sich vermutlich alle Eltern: Kann man dagegen gar nichts machen, wenn das Kind nicht hört, außer lauter zu Reden und die Aufforderung immer und immer wieder zu wiederholen? Die Antwort: Doch, natürlich kann man das. Die folgenden Tipps helfen dir, mit einem Kind zu kommunizieren, das nicht hört oder hören will.
- Blick- und Körperkontakt herstellen: Kinder leben im Hier und Jetzt und sind oft in ihrer ganz eigenen Welt. Erwachsene können nicht immer erwarten, dass die Kinder in ihre Welt kommen – es muss anders herum sein. Beuge dich zu deinem versunken vor sich hin spielenden Kind hinab, fasse es sanft an die Schulter und sieh ihm in die Augen, bevor du mit ihm sprichst.
- Klare Aussagen formulieren: Kinder können sprachliche Botschaften wie Sarkasmus oder Floskeln noch nicht verarbeiten. Klare Sätze wie “Papa möchte, dass du jetzt zum Essen kommst” hingegen schon.
- Ich-Botschaften verwenden: In manchen Situationen können Du-Botschaften verletzend wirken oder das Kind zumindest stark verunsichern. Etwa: “Du sollst doch nicht den Trinkbecher umwerfen!”. Besser sind Ich-Botschaften, die dem Kind zeigen, dass es mit dir zusammenarbeiten soll: “Ich brauche deine Hilfe beim Aufwischen des Wassers. Hilfst du mir, bitte?”
Kind hört nicht: 4 typische Alltagssituationen und Lösungen
Die folgenden Situationen kennen wohl die meisten Eltern aus ihrem Alltag mit Kind(ern) – kommen sie auch dir bekannt vor?
1. Zimmer aufräumen
„Räum‘ bitte dein Zimmer auf!“ – ein echter Klassiker unter den „Mein Kind hört nicht“-Situationen. Viele Eltern kennen den Fall: entweder nimmt das Kind diese Aufforderung überhaupt nicht zur Kenntnis und spielt lieber weiter mit dem am Boden verstreuten Spielzeug. Oder es reagiert bockig.
Es ist leicht, als Elternteil in dieser Lage die Nerven zu verlieren. Drohungen sind dann schnell ausgesprochen: „Wenn du dein Zimmer nicht aufräumst, dann…“
Drohe bei der Kindererziehung niemals mit Konsequenzen, die du nicht wirklich durchführen willst oder kannst – besser noch: Vermeide Drohungen ganz. Sie bewirken wenig und lassen zudem einen unangebrachten Verhandlungsspielraum. Besser ist, dem Kind die Konsequenzen seines Nicht-Hörens deutlich zu machen. Es muss sich um die logische Folge daraus handeln.
Wenn das Kind also nicht sein Zimmer aufräumt, dann ist dort kein Platz, um das neue Spielzeug auszuprobieren, das ihm Oma und Opa geschenkt haben – zum Beispiel. Oder dein Kind kann keine Freunde zum Spielen einladen, denn in diesem Durcheinander kann man ja nicht spielen.
Sobald dein Kind begreift, dass das Aufräumen auch für ihn Vorteile hat und nicht nur eine Marotte seiner Eltern ist, wird es eher handeln.
2. Beeile dich bitte
Das Frühstück hat wieder zu lange gedauert und der Morgenkreis im Kindergarten beginnt schon in 10 Minuten? Wieder einmal heißt es: Wir müssen uns beeilen. Dein Kind müsste sich also möglichst schnell anziehen und bereit zum Abmarsch machen – geht aber lieber nochmal mit den Kuscheltieren spielen. Auf die Aufforderung „Beeil‘ dich, bitte!“ kommt höchstens ein „Ja, ja, gleich…“ zurück?
Kinder haben ein anderes Zeitempfinden als Erwachsene. Termindruck ist ihnen fremd – und das ist eigentlich auch gut so. Deshalb wird Schreien und Drohen in dieser Situation nicht für besseres Verständnis der Problematik sorgen – ganz im Gegenteil.
Besser: Sich in die Situation des Kindes versetzen. Es hat eben momentan andere Prioritäten, die in seiner Welt wichtiger sind. Diese Prioritäten lassen sich nicht durch Herumschreien und Androhung von Strafen verschieben, sondern indem man dem Kind die Konsequenzen der Verspätung erklärt.
Beispiel: „Gleich fängt der Kindergarten an. Du willst doch nicht, dass sie ohne dich spielen, oder?“
3. Zähne putzen
Noch ein Klassiker, bei dem Kinder gerne weghören: „Putz’ dir noch die Zähne, bevor du ins Bett gehst!“ Nicht alle Kinder lieben Zähneputzen, viele würden sich nur zu gerne davor drücken. Also werden die Ohren auf Durchzug gestellt.
Auch hier erliegen Eltern nicht selten der Versuchung, Druck oder Bestrafungen anzuwenden: „Wenn du nicht sofort deine Zähne putzt, dann gibt es keine Gutenachtgeschichte!“
Wenn sich dein Kind aber ohnehin nur widerwillig die Zähne putzt, wird es die Bestrafung umso mehr als verletzend empfinden und womöglich wütend oder traurig reagieren.
Die bessere Wahl in dieser Situation: Erklären, warum Zähneputzen wichtig ist und auf eine logische Konsequenz des Nicht-Zähneputzens hinweisen, die das Kind nachvollziehen kann.
Zum Beispiel: „Wenn du deine Zähne nicht putzt, tun sie dir beim Süßigkeiten Essen weh.“
4. Laufe nicht davon
Es ist ein schmaler Grat: Man will und soll Kindern Eigenverantwortung gewähren. Doch lauern besonders im Straßenverkehr Gefahren, die Kinder selbst nicht richtig einschätzen können. Vielen Eltern treibt es den Angstschweiß auf die Stirn, wenn ihr Kind auf dem Gehsteig davonrennt und vielleicht sogar außer Sichtweite ist.
Wer einmal so schön im Rennen ist, wird vielleicht auf die Aufforderung „Bleib‘ bitte stehen“ oder „Laufe nicht weg“ nicht umgehend reagieren.
Wenn du das Gefühl hast, dein Kind begibt sich in Gefahr – etwa an einer Kreuzung mit viel Autoverkehr – dann musst du natürlich umgehend reagieren und es aufhalten. Statt einer Bestrafung für das Davonlaufen ist aber auch hier die bessere Wahl: Dem Kind vermitteln, warum es auf keinen Fall ohne zu schauen über die Straße laufen darf.
Es sollte nicht mit drastischen Worten geschehen, jedoch muss das Kind begreifen, was es bedeutet, von einem Auto oder Bus angefahren zu werden. Es ist eben nicht nur eine kleine Schramme, sondern etwas weitaus Schlimmeres.
Welche Konsequenzen, wenn mein Kind nicht hört?
Im Eifer des Gefechts rutschen Eltern oft Drohungen heraus, von denen sie selbst schnell wissen, dass sie kaum umsetzbar oder übertrieben sind. Oder, noch schlimmer: Es sind Drohungen, die sowohl für die Kinder als auch für die Eltern selbst nachteilig sind.
Wie bereits oben erwähnt, müssen Kinder, die nicht hören, Konsequenzen erfahren. Doch sinnlose Strafen verfehlen dabei das Ziel. Besonders, wenn sie scheinbar aus heiterem Himmel ausgesprochen werden und nicht im Zusammenhang mit der Situation stehen. Etwa: „Gut, wenn du dein Zimmer nicht aufräumst, dann fahren wir eben nächste Woche nicht in den Zoo!“
Ein paar sinnlose Klassiker, die wir so oder ähnlich vielleicht aus unserer Kindheit kennen:
- Zur Strafe gehst du ohne Abendbrot ins Bett!
Kind: Aha, Essen ist ein Mittel der Bestrafung. Wenn ich sauer bin, reagiere ich zukünftig mit Nahrungsverweigerung oder Fressattacken! Merke: Essen sollte das bleiben was es ist: Ernährung! Nicht mehr und nicht weniger. - Eine Woche Fernsehverbot!
Kind: Wenn ich wieder gucken darf, muss ich alles nachholen und schaue umso mehr. Wer weiß wann ich wieder Fernsehverbot bekomme! Merke: Der Fernseher, ebenso Computer, Smartphone oder Tablet, bekommt durch Strafen eine viel zu große Bedeutung. - Morgen hast du Stubenarrest!
Kind: Prima, dann muss ich nicht den Müll rausbringen. Ich werde den ganzen Tag in Ruhe spielen können. Merke: Aktivitäten mit anderen Kindern sind für die Entwicklung wichtig und sollte gefördert werden.
Besser: Sage genau, was du erwartest. Wenn dein Kind dem nicht nachkommt, muss die Konsequenz in erkennbarem Zusammenhang mit dem Konflikt-Thema erfolgen, sie muss sich als logische Folge daraus ergeben.
Beispiel:
Madlen möchte trotz Regenwetters ihre Regenhose nicht anziehen und geht nur in Jeans hinaus zum Spielen. Am nächsten Tag ist ihre Hose noch nass und die anderen Hosen sind in der Wäsche. Sie muss im Haus bleiben, während ihre Freundinnen draußen spielen. Madlen erkennt, dass es besser ist, wenn sie ihre Regenhose bei nassem Wetter anzieht.
Weitere wichtige Regeln in der Kindererziehung
Kindererziehung ist kein Regelwerk, das du auswendig lernen und dann immer anwenden kannst. Vielmehr ist es ein komplexes System, das je nach Situation und Charakter deiner Kinder angemessene Reaktionen von dir erfordert. Aber keine Sorge: Das kannst du meistern – und nach einer gewissen Zeit wirst du feststellen, dass es doch gewisse wiederkehrende Muster gibt.
Auch die folgenden Situationen können dir im Alltag mit Kind(ern) unterkommen. Und auch hier kommt es zu typischen Fehlern, die du leicht vermeiden kannst.
Geht nach hinten los: Wettstreit
Vermeide bei der Kindererziehung Konkurrenz zwischen den Geschwistern. Kind A loben, damit sich Kind B mehr anstrengt, um auch Lob zu erhalten? Du wirst feststellen, dass das Gegenteil passiert! Kind A wird sich noch mehr bemühen noch besser zu werden und Kind B sieht seine einzige Chance auf Beachtung darin, sein negatives Verhalten zu verstärken und auf diese Weise vielleicht wenigstens eine Form von Macht oder Stellung zu erhalten.
Besser:
Sorge lieber dafür, dass die Kinder sich als Team sehen und verhalten.
Beispiel:
Lena und Katrin sollen den Tisch decken, später will die Familie ins Kino gehen. Ihre Mutter sagt: „Deckt jetzt beide schnell den Tisch, danach könnt ihr zusammen einen Kinofilm aussuchen.
Kein Gefallen: Übertriebenes Mitleid
Wenn ein Kind sich verletzt hat oder durch andere verärgert wurde, gestehe ihm seine negativen Gefühle zu, aber vermeide zu großes Mitleid. Ständiges Mitleid führt langfristig zu Selbstmitleid und dein Kind erhält vielleicht den Eindruck, dass es ein Anrecht darauf hat, immer glücklich zu sein.
Besser:
Bleibe mitfühlend aber vermeide Mitleid. Nimm die unangenehmen Situationen respektvoll zur Kenntnis, spende bei Bedarf etwas Trost aber belasse es dabei – Mitgefühl statt Mitleid.
Beispiel:
Kira ist aufs Knie gefallen und hat jetzt eine kleine Schramme. Sie ist außer sich, weint und schreit. Ihre Mutter bleibt ruhig und sagt in normalem Tonfall: „Ja, so etwas tut wirklich weh! Es ist mir als Kind auch oft passiert und war zum Glück immer schnell wieder vorbei. Wenn du möchtest kann ich dir ein Pflaster geben.“
Kontraproduktiv: Zu viel Fürsorge
Kinder brauchen Sicherheit und Eltern tragen natürlich die Verantwortung und Aufsichtspflicht. Aber zu viel Fürsorge wirkt für Kinder entmutigend. Eltern haben manchmal Angst, ihr Kind loszulassen. Oft bezeichnet man sie als Helikopter-Eltern. Sie erhoffen sich davon vielleicht auch mehr Sicherheit für ihr Kind. Doch ein Kind, dass selbstständig ist und sich auch ohne Hilfe gut zurechtfindet, lebt meistens viel sicherer.
Besser:
Gib deinem Kind die Chance, dich von seinem Können zu überzeugen und zeige dann Vertrauen in seine Fähigkeiten.
Beispiel:
Simone (6 Jahre) möchte bei der Ampel allein über die Straße gehen. Ihr Vater möchte sie lieber begleiten, aber er lässt sich von Simone erst erklären und dann zeigen, wie gut sie die Regeln beim Überqueren der Straße kennt und erlaubt ihr dann, allein zu gehen.
Unfair: Leistungsdruck
Das Nachbarskind kann schon mit vier Jahren das Alphabet aufsagen, dein Kind jedoch nicht? Dann solltest du keinesfalls ein Buchstabentraining einplanen, solange dein Kind nicht danach verlangt. Dein Kind hat ganz sicher in einem anderen Gebiet die Nase vorn. Jeder Mensch entwickelt seine vielen Fähigkeiten nach seinem eigenen Zeitplan – du solltest bis dahin Geduld haben.
Besser:
Betone lieber die erlangten Fähigkeiten und Erfahrungen deines Kindes, statt es mit anderen zu vergleichen.
Beispiel:
Franz (4 Jahre) ist noch nicht zuverlässig trocken. Im Gespräch mit anderen Eltern kommt dies zu Sprache – Franz hört aus der Ferne interessiert zu. Statt sich über dieses Themas auszulassen, spricht seine Mutter über etwas Positives: „Franz wird das schaffen, wenn er soweit ist aber viel wichtiger ist mir, dass er im Kindergarten schon einen Freund hat, mit dem er sich sehr gut versteht!“
Unrealistisch: Übertriebene Aufmerksamkeit
Kinder brauchen Aufmerksamkeit. Wenn sie davon zu wenig bekommen, verhalten sie sich auffällig. Aber eine Überdosis Beachtung führt dazu, dass das Kind sich nicht realistisch einschätzen kann. Spätestens wenn es aus dem familiären Umfeld heraus in den Kindergarten oder in die Schule kommt, wird es feststellen, dass es anderswo weniger beachtet wird. Das führt zu Konflikten mit seiner Umwelt.
Besser:
Lebe deinem Kind vor, dass man auf andere Rücksicht nimmt, dass jeder manchmal warten muss bis er dran ist und dass Bedürfnisse von Menschen verschieden aber gleichwertig sind.
Beispiel:
Luisa möchte ein Eis haben. Die Mutter geht mir ihr zum Eiscafé, dort ist eine lange Schlange. Luisa jammert, dass sie das Eis sofort haben möchte und quengelt bis jemand anbietet, sie vor zu lassen. Ihre Mutter lehnt dies dankend ab. Sie erklärt Luisa in wenigen Worten, dass alle Menschen in dieser Schlange ihr Eis möglichst schnell haben möchten, dass aber jeder warten muss bis er dran ist.
Warum der Nachwuchs unserer Mama Daniela Kirschbaum alleine spielen muss und weshalb sie sich dabei nicht als Rabenmutter fühlt, verrät sie uns hier.
Selbst schuld: Unangebracht belohnen
Manche Unart eines Kindes haben Eltern selbst herbeigeführt. Unangebrachtes Verhalten eines Kindes zu belohnen führt selten zu einer positiven Verhaltensänderung.
Besser:
Auch hier sollte das Kind die logische, natürliche Folge aus seiner Handlung erfahren.
Beispiel:
Ralf nörgelt beim Mittagessen, nichts schmeckt ihm und er lässt sein Essen unberührt. Die Eltern beachten beim Essen seine Nörgelei nicht, sondern räumen nach der gemeinsamen Mahlzeit den Tisch ab. Ralfs logische Folge ist Hunger – wenige Minuten später erklärt Ralf, dass er etwas essen will und verlangt ein Marmeladenbrot. Die Eltern bieten ihm keine alternative Mahlzeit an, allenfalls das verschmähte Mittagessen.
Kindererziehung: Alles eine Frage der Situation
Alle Eltern machen mal Fehler und du bist keine schlechte Mutter, weil dir mal der Kragen geplatzt ist. Wichtig ist, das eigene Verhalten stets reflektiert zu überdenken und auch als Eltern „Entschuldigung!“ sagen zu können. Dein Kind lernt so, dass niemand perfekt ist und dass du ihm auf Augenhöhe begegnest.
Richtige Kindererziehung vermittelt deinem Kind, dass es immer geliebt wird, auch wenn es Fehler macht. Das Kind hört nicht? Das ist ganz normal und geht vorbei. Bis dahin heißt es: Tief durchatmen und weitermachen.