Kreidezähne als neue Volkskrankheit?
Raue, fleckige Zähne und Schmerzen beim Essen oder Trinken? Dein Kind hat vielleicht Kreidezähne. Und damit ist es nicht allein: In Deutschland leiden knapp 15 Prozent aller Kinder und Jugendlichen an einer Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), so der medizinische Ausdruck für Kreidezähne.
Bei den 12-Jährigen sind es sogar über 30 Prozent – Tendenz steigend.
So sind Kreidezähne bei Kindern und Jugendlichen bald ein größeres Problem als Karies. Experten sprechen deswegen von einer neuen Volkskrankheit.
Kleiner Trost: Nicht alle Kinder mit Kreidezähnen leiden unter Schmerzen und nicht bei allen sind die Schäden gravierend. Dr. Mirela-Oana Nilius, Spezialistin für Zahnästhetik, Kinderzahnheilkunde und Kieferorthopädie relativiert diese Zahlen im „Hallo:Eltern“-Interview:
„Allerdings erweisen sich nur bei 10 Prozent der Betroffenen gravierende Schäden an der Zahnsubstanz, die durch erhebliche Schmerzen geprägt sind.“
Kreidezähne: Ursache
Kreidezähne sind bereits schadhaft, wenn sie durch den Kiefer durchbrechen. Schuld an den brüchigen Zähnen ist eine gestörte Bildung des Zahnschmelzes. Das bedeutet, dass die Zähne weicher und anfälliger für Karies und Co. sind.
Ärzte und Wissenschaftler diskutieren verschiedenste Theorien, wie es zu der Störung kommt.
Vermutet wird ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren während der Zahnentwicklung. Zum Beispiel wird angenommen, dass Kreidezähne durch Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel Windpocken entstehen.
Andere Experten sind hingegen der Meinung, dass der Weichmacher Bisphenol A, auch BPA genannt, für die MIH-befallenen Zähne verantwortlich ist. Grund für diese Annahme: Bis 2011 war der Kunststoff in fast jeder Plastiktrinkflasche für Kinder und Babys enthalten.
Zahnärztin Dr. Elisabeth von Graevenitz nennt weitere mögliche Ursachen für Kreidezähne:
- Krankheiten der Mutter während der Schwangerschaft
- Einnahme von Antibiotika während der Schwangerschaft
- Sauerstoffmangel während der Geburt
- Einnahme von Antibiotika während der ersten drei bis vier Lebensjahre
Kreidezähne erkennen: Welche Beschwerden haben Kinder?
Mit ihren gelblichen bis bräunlichen Verfärbungen und rauen Oberflächen sehen Kreidezähne nicht nur unschön aus, sondern können auch richtig weh tun. Die betroffenen Zähne sind dann sehr empfindlich und Kinder klagen über Schmerzen beim Essen, Trinken oder auch beim Zähneputzen.
Außerdem sind Kreidezähne sehr weich und können schon bei geringer Belastung abbrechen oder sogar zerbröseln.
Dr. von Graevenitz erklärt, dass bei der MIH mindestens einer der ersten bleibenden Molaren (also die hinteren Backenzähne) und optional die bleibenden Inzisiven (also die Schneidezähne) betroffen sind.
Können auch die Milchzähne betroffen sein?
Nein – Kreidezähne betreffen nur die bleibenden Zähne. Die Milchzähne sind bei den betroffenen Kindern oft noch strahlend weiß.
Dr. von Graevenitz erklärt aber, dass bei den Milchzähnen auch die sogenannte Milchmolarenhypomineralisation (MMH) vorkommen kann. Hier sehen die Milchzähne dann ähnlich wie Kreidezähne aus:
„Wenn bereits im Milchgebiss eine MMH vorliegt, ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer MIH im bleibenden Gebiss erhöht!“
Gibt es unterschiedliche Schweregrade von Kreidezähnen?
Ja. Laut Dr. von Graevenitz gibt es bei der MIH leichte bis schwere Formen:
„Während eine leichte Form auf einen weißgelblichen Fleck eines 6-Jahres-Molaren beschränkt sein kann, können bei einer schweren Form sämtliche 6-Jahres-Molaren kurz nach Durchbruch tiefe Oberflächeneinbrüche aufweisen!“
Grundsätzlich gibt es vier Schweregrade:
- MIH ohne Überempfindlichkeit und ohne Zahnschmelzverlust
- MIH ohne Überempfindlichkeit aber mit Zahnschmelzverlust
- MIH mit Überempfindlichkeit aber ohne Zahnschmelzverlust
- MIH mit Überempfindlichkeit und Zahnschmelzverlust
Wichtig: Eine schwere Form von Kreidezähnen sollte schnellstmöglich behandelt werden. Vor allem bei starken Schmerzen solltest du direkt einen Zahnarzt mit deinem Kind aufsuchen!
Nach dem Schweregrad richtet sich auch die Behandlung.
Wie werden Kreidezähne behandelt?
Die schlechte Nachricht: Kreidezähne sind nicht heilbar. Aber behandelbar.
Regelmäßige Fluoridlackbehandlung alle drei bis sechs Monate dämmen zumindest die Symptome ein. Zusätzlich hilft eine fluoridhaltige Zahnpasta und eigens für Kinder entwickelte Kronen schützen vor weiteren Schäden.
Tipp von der Zahnärztin: Die wöchentliche häusliche Verwendung von Elmex Gelee kann die Beschwerden von Kreidezähnen leicht lindern.
Kann es auch sein, dass die Zähne gezogen werden müssen?
„Falls der Substanzverlust so groß ist, dass eine Kronenanpassung nicht mehr möglich ist, ist die Entfernung des Zahnes ratsam“, erklärt uns Dr. von Graevenitz. Hier wird in dann in Zusammenarbeit mit einem Kieferorthopäden behandelt.
Lassen sich Kreidezähne vorbeugen?
Die ernüchternde Antwort: Nein. Denn die Zähne sind bereits befallen, wenn sie durch den Kiefer durchbrechen. Deswegen ist eine gute Mundhygiene zwar sehr vorbildlich, kann Kreidezähne aber nicht verhindern.
Zähneputzen
Da die Ursache für Kreidezähne noch nicht abschließend geklärt ist, ist eine sichere Prävention außerdem schwierig.
Was können Eltern tun?
Trotzdem raten Experten dazu, Plastikspielzeuge – zumindest in den ersten Lebensjahren – aus dem Kinderzimmer zu verbannen, da Kinder besonders in der oralen Phase dazu neigen alles in den Mund zu nehmen und darauf herumkauen.
Früherkennung und regelmäßige Zahnarztbesuche sind ebenfalls wichtig. „Ab dem Durchbruch der ersten Milchzähne lohnt sich zusätzlich der regelmäßige Besuch beim Zahnarzt, damit Kreidezähne frühzeitig erkannt und behandelt werden können“, informiert Dr. Nilius.
Tipp: Die Zahn-Entwicklung deines Kindes kannst du mit einem Zahnkalender dokumentieren. So weißt du genau, wann und wo der nächste kleine Milchzahn kommt. Den Hallo:Eltern-Zahnkalender findest du hier.
Aktuell wird laut Dr. von Graevenitz die längere Gabe von Vitamin D vor dem Alter von drei bis vier Jahren als mögliches Präventionsmittel diskutiert. Denn Vitamin D kann den Zahnschmelz stärken – und die Zahnschmelzbildung ist erst im vierten oder fünften Lebensjahr abgeschlossen.
Wenn du schwanger bist, solltest du außerdem besonders auf deine Ernährung achten und versuchen Nahrungsmittel aus Plastikverpackungen so gut es geht zu vermeiden.