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Late Talker: Wenn Zweijährige nicht oder nur wenig sprechen

vonPatricia Pomnitz | Logopädin und Therapiewissenschaftlerin 
Was tun, wenn Kind mit 2 Jahren nicht spricht?
Was tun, wenn Kind mit 2 Jahren nicht spricht?
© Unsplash/ mali desha

Die Logopädin und Therapiewissenschaftlerin Patricia Pomnitz erklärt, wann genau Kinder als „Late Talker“ bezeichnet werden. Entscheidend ist die Entwicklung bis zum dritten Geburtstag.

Inhalt verfasst von Patricia Pomnitz, Logopädin und Therapiewissenschaftlerin

Sprachentwicklung: Bis wann sollte ein Kind sprechen können?

Jedes Kind hat sein eigenes Tempo, das zeigt sich auch in der frühen Sprachentwicklung. Manche Kinder beginnen früher, andere später zu sprechen. Das ist abhängig davon, welche persönlichen Voraussetzungen sie mitbringen, wie weit sie zum Beispiel in der Hirnreifung sind und welche sprachlichen Umwelten sie erleben. Eine gewisse Spannweite beim Erreichen sprachlicher Meilensteine ist also vollkommen okay.

Die meisten Kinder sprechen um den ersten Geburtstag ihre ersten Wörter wie „Mama“, „Papa“, „da“, „wauwau“. Anschließend lernen sie langsam aber stetig circa drei bis vier neue Wörter pro Woche dazu und bauen sich ein kleines Vokabular von etwa 50 Wörtern auf. Sie verstehen viel mehr als sie selbst sprechen.

 

Ab dem 18. Lebensmonat treten Kinder in eine neue Lernphase, den sogenannten Vokabelspurt ein. Nun erweitern sie ihr Wortwissen rasant und lernen täglich bis zu zehn neue Wörter. Deshalb spricht man auch von der Wortschatzexplosion.

Mit 24 Lebensmonaten können Kinder zwischen 50 und 150 Wörter aktiv sprechen und entdecken die Grammatik.

Das heißt, sie bilden Zwei-Wort-Sätze, wie „Mama Arm“ oder „Ball weg“. In dieser Zeit ist es vollkommen okay, dass die Wörter vereinfacht beziehungsweise nicht alle Wörter richtig ausgesprochen werden. „Schnuller“ wird beispielsweise „nuni“, „Banane“ zur „nane“ oder der „Kamm“ zum „Tamm“.

: Was lernt mein Kind?

Was ist ein Late Talker?

Wenn ein Kind mit 24 Monaten weniger als 50 Wörter spricht und keine Wörter miteinander kombiniert, spricht man von einem Late Talker (= Spätsprecher). Circa 15 Prozent aller Kinder sind vom late talking, also einer verzögerten Sprachentwicklung betroffen. Ihre Sprachentwicklung ist deutlich verlangsamt, obwohl sie sich in anderen Bereichen (z. B. Hören, Motorik) altersentsprechend entwickeln.

Daran lassen sich Late Talker erkennen:

  • Late Talker sprechen ihre ersten Wörter deutlich später oder
  • zeigen immer wieder Phasen des Stillstandes, in denen die Sprachentwicklung stagniert und keine neuen Wörter hinzukommen.
  • Der Wortschatzspurt bleibt aus und die Kinder kommen nicht in die Grammatik.
  • Sie verständigen sich im 2. Lebensjahr noch überwiegend durch Geräusche, kindliche Wörter (z. B. „ham, wauwau, gaga“), ihre Mimik und Gestik.

Was tun, wenn Kind mit 2 Jahren nicht spricht?

Ein später Sprechbeginn sagt zunächst nichts über die weitere Entwicklung aus. Es gibt Kinder, die ihren Rückstand zwischen dem zweiten und dritten Geburtstag selbstständig aufholen. Sie werden das Late Bloomer (dt.: Späterblüher) bezeichnet.

Was sind Late Bloomer?
Begriffserklärung:

Auch Late Bloomer (dt.: Späterblüher) fangen erst spät an zu sprechen. Im Gegensatz zu Late Talkern entwickeln sie sich ab einem gewissen Punkt dann aber sehr rasch. Bis zum 3. Geburtstag haben sie ihren sprachlichen Rückstand wieder aufgeholt.

Teile deine Beobachtungen und Sorge mit deinem(r) Kinderarzt*ärztin. Eine verzögerte Sprachentwicklung kann ein Zeichen für eine allgemeine Entwicklungsverzögerung, Hörstörungen oder andere Grunderkrankung sein.

Daher ist es wichtig, die U-Untersuchungen wahrzunehmen und Unsicherheiten mit dem Kinderarzt zu besprechen. Logopäden beziehungsweise Sprachtherapeuten können die Sprachentwicklung im Detail einzuschätzen und wenn nötig eine Sprachtherapie einleiten.

Anzeichen für Sprachentwicklungsstörung

Mehr als die Hälfte der Late Talker holt jedoch nicht auf. Sie zeigen über den dritten Geburtstag hinaus leichte bis hin zu starken Auffälligkeiten in ihren Sprachfähigkeiten (Wortschatz, Grammatik, Aussprache, Sprachverständnis, Erzählfähigkeiten).

Ab dem dritten Geburtstag spricht man von einer Sprachentwicklungsstörung (SES). Sprachentwicklungsgestörte Kinder benötigen häufig eine intensive sprachtherapeutische Behandlung.

Leider kann im Alter von zwei Jahren bisher nicht sicher vorhergesagt werden, welche Kinder ihren Rückstand aufholen und welche nicht. Ein wichtiger Faktor ist das Sprachverständnis. Kinder, die im Alter von zwei Jahren keine 50 Wörter sprechen und zusätzlich Probleme beim Verstehen von Wörtern und einfachen Sätzen haben, tragen das größte Risiko für eine SES.

Weitere bedeutsame Faktoren für den Verlauf der sprachlichen Entwicklung sind die symbolischen Fähigkeiten, das generelle Interesse an Kommunikation und die Aussprache des Kindes. Auch das Sprachangebot und die Interaktion der Eltern spielen eine große Rolle.

Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass eine Fachperson die sprachlichen Fähigkeiten eines Late Talkers und das Interaktionsgeschehen zwischen Eltern und Kind im Rahmen einer Untersuchung überprüft.

Mein Kind ist ein Late Talker: richtig fördern

Late Talker benötigen im Alltag mehr Hilfe beim Sprechenlernen. Eltern sollten deshalb ein gutes Sprachvorbild sein und ihr Kind durch sprachförderliches Verhalten unterstützen.

In einer Elternanleitung können Eltern lernen, wie sie ihr Kind im Alltag wirksam fördern können. Die hohe Wirksamkeit von Elternmaßnahmen bei Sprachentwicklungsstörungen ist wissenschaftlich belegt.

Denke immer daran: Sprechen soll Spaß machen und eure Bindung stärken – biete deinem Kind deshalb die Möglichkeit, jeden Tag die Freude an Sprache zu erleben!

Hier sind ein paar Tipps, die dir dabei helfen Late Talker zu fördern:

  • Sei liebevoll und einfühlsam.
  • Begebe dich auf Augenhöhe.
  • Setze Körpersprache (Mimik und Gestik) ein.
  • Benenne, beschreibe und erkläre Dinge und Ereignisse in eurem Alltag.
  • Unterbreche dein Kind nicht und fordere es nicht zum Nachsprechen auf.
  • Ermuntere zum Sprechen, indem du Fragen stellst & geduldig zuhörst.

Über die Autorin

Patricia Pomnitz (Logopädin & Therapiewissenschaftlerin, diplomierte Legasthenietherapeutin) berät über die Onlineplattform „Sprachgold“ Eltern rund um das Thema Sprachentwicklung, Sprachstörungen und Sprachförderung. Mehr erfährst du auf ihrem Expertenprofil.

Quellen

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