In diesem Artikel:
- Wie viele Linkshänder gibt es?
- Wie wird man Linkshänder?
- Wie wirkt sich Linkshändigkeit auf das Gehirn aus?
- Wann weiß ich, ob mein Kind Linkshänder ist?
- Wie kannst ich mein linkshändiges Kind unterstützen?
- -> …im Kindergarten / in der Schule
- -> …im Alltag
- -> …zuhause
- Ist ein Umschulung der Linkshändigkeit sinnvoll?
- Folgen einer Umerziehung von Linkshändern
- FAQs zum Thema Linkshändigkeit
- Quellen
Wie viele Linkshänder gibt es?
Rund 10,6 Prozent der Menschen sind Linkshänder. Das hat eine große Studie der Ruhr-Universität Bochum von 2020 ergeben. Doch das ist nicht das einzig spannende Ergebnis der Studie: Die Wissenschaftler haben außerdem untersucht, wie viele Menschen verschiedene Hände für unterschiedliche Aufgaben verwenden, also nicht nur zum Schreiben sondern auch etwa zum Basteln oder anderen feinmotorischen Aufgaben. Dabei haben sie herausgefunden, dass der Anteil der Menschen, die beidhändig sind, fast genauso groß ist wie der Anteil der Linkshänder.
Insgesamt gehen die Wissenschaftler also davon aus, dass etwa 18,1 Prozent der Menschen nicht rechtshändig sind, so die Autorin der Studie Dr. Silvia Paracchini.
Wie wird man Linkshänder? Entwicklung der Händigkeit bei Kindern
Was genau ein Kind zum Rechts- oder Linkshänder werden lässt, ist noch nicht zweifelsfrei geklärt. Es werden genetische Ursachen vermutet, jedoch gibt es immer wieder gegenteilige Befunde, zum Beispiel bei eineiigen Zwillingen mit unterschiedlicher Händigkeit.
Andere Theorien für Linkshändigkeit sind:
- Fighting-Hypothese (Michel Raymond)
Evolutionsbiologischer Vorteil beim Überleben im Kampf gegen Rechtshänder - Brain-Damage-Theorie (Carolien de Kovel)
Gehirnstörungen führen zu einer Kompensation bzw. zu einer Umstrukturierung der Händigkeit - Jahreszeit-Theorie (Maryanne Martin)
Kinder, die zwischen März und Juli geboren wurden, sind besonders weniger oft Rechtshänder. Der Grund könnte ein unterschiedliches Immunsystem sein. - Geburtsgewicht-Hypothese (Michael O’Callaghan)
Kinder mit unter 1.000 Gramm Geburtsgewicht sind häufiger Linkshänder. Die Theorie besagt, dass die linke Gehirnhälfte schneller “einsatzbereit” ist und daher bei Frühchen als erste einspringt.
Wie wirkt sich Linkshändigkeit auf das Gehirn aus?
Eindeutig geklärt werden konnte die Frage wie Kinder Rechts- oder Linkshänder werden bisher noch nicht. Klar ist nur, dass eine (jeweils gegenüberliegende) Gehirnhälfte dominiert, was zur Rechts- bzw. Linkshändigkeit führt. Bei Linkshändern dominiert also meist die rechte Hirnhälfte.
Die rechte Gehirnhälfte steuert unsere Kreativität, gefühlsmäßiges Denken und ganzheitliches Begreifen; die linke Hirnhälfte ist für logisches Denken, Analysieren und das Gefühl des Körpers im Raum zuständig. Aufgrund dieser Erkenntnisse veröffentlichte der US-Amerikaner Anthony Newland 1981 eine Studie, die behauptete, Linkshänder seien kreativer und intelligenter – 2018 haben Wissenschaftler in einer Übersichtsarbeit neuere Studien zusammengefasst und keine Unterschiede in puncto Intelligenz und Kreativität herausfinden können.
Ist das Gehirn von Linkshändern also in irgendeiner Art anders als das von Rechtshändern? Dafür gebe es keine Anzeichen, sagt Clyde Francks, Arbeitsgruppenleiter in der Abteilung Sprache und Genetik am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen in den Niederlanden. Auch gebe es keine Belege für ein “Linkshänder-Gen”.
Wie und wann kann die Händigkeit festgestellt werden?
Laut Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verwenden Kinder in den ersten sieben Monaten die Hände erstmal gleich häufig. Ab dem achten Lebensmonat bevorzugen die Kleinen eine Hand, ab dem dritten Lebensjahr steht die dominante Hand dann meist fest. Eltern sollten ihr Kind bei spontanen Tätigkeiten, die nur mit einer Hand ausgeführt werden, beobachten, beispielsweise beim Würfeln, Kämmen, Zähne putzen oder Werfen.
Eine Tendenz kann man daraus aber nur herleiten, wenn man in keiner Weise beeinflusst, welche Hand benutzt wird: Spielzeug oder ein Löffel sollten zum Beispiel nicht in die Hand gegeben, sondern lieber mittig hingelegt werden. Nur dann sind die Beobachtungen auch aussagekräftig.
Ist mein Kind Linkshänder?
Besteht vor der Einschulung noch Unklarheit über die Dominanz einer Seite, sollte ein Experte um Rat gefragt werden, damit die Schreibhand eindeutig bestimmt werden kann. Eltern können sich hierfür beispielsweise an den Kinderarzt, an Linkshänder-Beratungsstellen oder an speziell ausgebildete Ergotherapeuten wenden, die mit bestimmten Tests die Händigkeit feststellen können.
Wie kannst du dein linkshändiges Kind unterstützen?
Die Welt ist für Rechtshänder gebaut – das merken Kinder mit einer Linkshändigkeit schnell und tun sich dann im Alltag oder in der Schule mit manchen Dingen schwerer. Hier findest du Tipps, wie du dein Kind optimal unterstützen kannst.
Hilfe für Linkshänder im Kindergarten / in der Schule
Zum Basteln im Kindergarten oder zum Schreiben in der Schule sollten gewisse Maßnahmen getroffen werden, damit die Linkshändigkeit sich nicht negativ auswirken kann:
- In der Schule benötigt das Kind einen Platz an der linken Tischseite, möglichst mit Lichteinfall von rechts oder von vorn.
- Dein Kind benötigt beim Schneiden- oder Schreibenlernen ganz besonders Ihre Hilfe, um eine gute und lockere Haltung zu erlernen. Dazu benötigt es auch spezielle Linkshänder-Utensilien.
- Computer-Mäuse können am PC umprogrammiert werden, doch sie sollten symmetrisch geformt sein.
- Streich-, Tasten- und Harmonikainstrumente sind für Rechtshänder ausgelegt. Schlag- oder Blasinstrumente eignen sich jedoch gut. Im Fachhandel sind auch spezielle Linkshänder-Instrumente erhältlich, doch lasse dich vorher ausführlich beraten.
Hilfe für Linkshänder im Alltag: Linkshänderschere & Co
Spezielle Utensilien für Linkshändigkeit, wie beispielsweise Scheren und Füller, sind inzwischen in den meisten Schreibbedarfsläden und großen Kaufhäusern problemlos zu bekommen. Doch viele davon stellen für das Kind eine große Erleichterung dar:
- Linkshänderschere – unverzichtbar für linkshändige Kinder
- Linkshänderfüller – dringend benötigt für richtiges Schreibenlernen
- Spitzer, Lineal, Spiralblock etc. – sinnvoll im Schulalltag
- Mal- und Schreibunterlage – zum Erlernen der korrekten Stifthaltung
- Mal- und Schreibblöcke – auch sie helfen die richtige Haltung zu trainieren
- Dreieckige Stifte und Kreiden – einfacher zu halten
- Messer, Kartoffelschäler – damit gelingt auch die Küchenarbeit
- Produkte, die für beidhändige Benutzung angeboten werden, eignen sich meist nicht für Linkshänder!
Hilfe für Linkshänder zuhause
Du kannst deinen kleinen Linkshänder aber auch daheim mit vielen Verhaltensweisen unterstützen und ihm so das Leben einfacher machen:
- Ist das eigene Kind eindeutig linkshändig, sollte es bei Tisch bevorzugt nach links gesetzt werden, decke seinen Platz spiegelverkehrt ein.
- Für Tätigkeiten, wie beispielsweise Schuhe binden oder Handarbeiten, ist es sinnvoll, wenn du dich deinem Kind gegenüber setzt. So kann es den Bewegungsablauf spiegelbildlich imitieren.
- Bringe deinem Kind die Bezeichnungen rechts und links nicht gleichzeitig bei. Es kann die Seiten besser auseinanderhalten, wenn ein zeitlicher Abstand eingehalten wird (dies gilt auch für rechtshändige Kinder).
Mehr Tipps zur Förderung:
Linkshänder umerziehen: Ist ein Umschulung der Linkshändigkeit sinnvoll?
Werden linkshändige Kinder von Anfang unterstützt und richtig angeleitet, haben sie keine Nachteile zu erwarten. Sie können genauso schön schreiben, malen und basteln lernen, wie rechtshändige Altersgenossen.
Bis in die 1970er Jahre war es allerdings üblich, die Benutzung der rechten Hand zu erzwingen – Linkshändigkeit wurde nicht geduldet. Heute weiß man, dass dies zu vielen Schwierigkeiten und Problemen führen kann. Die Schulrichtlinien fast aller deutscher Kultusministerien verbieten es daher, Linkshänder umerziehen zu wollen.
Folgen einer Umerziehung der Linkshändigkeit
Die Psychologin Dr. Johanna Barbara Sattler forscht seit Anfang der 1980er Jahre zum Thema Linkshändigkeit und konnte in verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen belegen, dass eine Umerziehung von Linkshändern sowohl körperliche als auch psychische Probleme nach sich zieht. Sie nennt eine Umschulung den “massivsten Eingriffe in das menschliche Gehirn ohne Blutvergießen”.
Eine Umerziehung beeinträchtigt also den Arbeitsablauf des Gehirns, mögliche Folgen können laut Dr. Johanna Barbara Sattler unter anderem sein:
- Rechts-Links-Schwäche
- Konzentrationsprobleme
- Gedächtnisschwierigkeiten
- Legasthenie (Rechtschreibschwäche)
- Störungen der Feinmotorik
- Sprachprobleme
- Schnelle Ermüdung
- Schlechtere oder unregelmäßige Schulleistung
- Unsicherheit
- Verhaltensauffälligkeiten
Andere Studien zur Umerziehung von Linkshändigkeit kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Nicht nur muss sich das Gehirn mehr anstrengen, um bestimmte Leistungen bringen zu können, auch fühlt sich das Kind “falsch” und kann dadurch Minderwertigkeitsgefühle entwickeln, die sich in verschiedenen psychischen Auffälligkeiten manifestieren.
Also: Fördere und liebe dein Kind genau so, wie es ist – denn es ist genau so richtig, wie es ist!