Was ist eine Patchworkfamilie?
…und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende: So märchenhaft enden natürlich nicht alle Liebesbeziehungen. Partnerschaften zerbrechen, mehr als jede dritte Ehe wird geschieden. Wenn Mama und Papa kein Paar mehr sind, ist das für die meisten Kinder zunächst schwierig. Doch es bietet auch die Chance auf ein neues harmonisches Familienleben als Patchworkfamilie.
Von einer Patchworkfamilie spricht man dann, wenn ein Elternteil nach der Trennung wieder eine neue Liebe findet und sie gemeinsam mit dem Kind oder den Kindern aus der vorherigen Partnerschaft zusammenleben.
Im Gegensatz zur Stief-Familie müssen diese nicht neu verheiratet sein, um als Patchworkfamilie zu gelten. Stiefvater oder Stiefmutter wirst du offiziell erst nach der Heirat. Deshalb nennen viele das neue Familienmitglied Bonus-Mama oder Bonus-Papa.
Laut verschiedenen Studien leben etwa 7 bis 13 Prozent aller Familien in Deutschland als Patchworkfamilien zusammen. Dabei sind die Konstellationen höchst unterschiedlich:
- In einigen Patchwork-Familien kommen nur die neuen Partner:innen dazu
- In anderen bringen diese auch eigene Kinder mit in die neue Beziehung.
Deshalb passt der Begriff „Patchwork“ auch so gut für die verschiedenen Situationen.
Wie bei einer bunten Patchwork-Decke kommen die einzelnen Personen zu einer neuen Familienkonstellation zusammen.
Besonders für kleine Kinder ist die neue Situation am Anfang nicht leicht. Aber auch die neuen Partner:innen müssen sich in ihre Rolle als Bonus-Papa oder Bonus-Mama oft erst einfinden. Daher kommt es fast unumgänglich zu einigen klassischen Konflikt-Situation.
Typische Probleme in der Patchworkfamilie
Konkurrenzkampf unter den Elternteilen
Für alle Beteiligten ist die neue Situation eine Herausforderung. Die neuen Partner fühlen sich oft ausgeschlossen oder als Fremdkörper, die Ex-Partner sind häufig eifersüchtig, wenn das Kind sich gut mit dem neuen Bonus-Elternteil versteht.
Dieses Konkurrenzdenken ist aber oft nur in der eigenen Unsicherheit begründet und hat weniger mit den tatsächlichen Gefühlen der Kinder zu tun. Wie aus einem Bericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hervorgeht, haben Kinder weniger Probleme damit, eine gute Beziehung zum leiblichen und dem Bonus-Elternteil aufzubauen. Demnach hätte ein Großteil der Kinder zum Beispiel von einer guten Beziehung zu beiden „Vätern“ berichtet. Voraussetzung dafür sei, dass die neuen Partner:innen keine ablehnende Haltung gegenüber dem leiblichen Elternteil zeigen.
Unterschiedliche Erziehungsstile
Besonderes Konfliktpotential steckt in der Art und Weise, wie die Beteiligten ihre Erziehung definieren. Wenn der Bonus-Papa plötzlich etwas erlaubt, was Mama nie wollte, oder die Bonus-Geschwister ganz andere Regeln haben als die Familie bisher, kann das zu Unsicherheiten und Streit führen. Umso wichtiger ist es, dass sich alle Erziehenden zusammen auf ein gemeinsames Regelwerk einigen, an das sich alle halten – auch wenn die Kinder nur am Wochenende da sind.
Geldfragen: Wer zahlt was in der Patchworkfamilie?
Auch wegen finanziellen Angelegenheiten kommt es häufig zu Streit. Rein rechtlich ist es so: Der Elternteil, bei dem das Kind den Hauptteil seiner Zeit verbringt, hat Anspruch auf das Kindergeld. Auch wenn Unterhalt gezahlt wird, steht dieser in erster Linie nur dem leiblichen Elternteil als Vertreter:in des Kindes zu – nicht dem Bonus-Elternteil. Damit sich niemand benachteiligt fühlt, kann es Sinn machen, eine Haushaltskasse für alltägliche Anschaffungen, den Einkauf und Co. anzulegen.
Mama-Erfahrung: Unser Weg zur Patchwork-Familie
Auch Mama Shakira hat nach ihrer Trennung neues Glück in einer Patchwork-Familie gefunden. Mittlerweile läuft der Alltag weitgehend harmonisch, aber sie erinnert sich noch gut an die schwierige Anfangszeit.
„Noch vor 2 Jahren sah das alles anders aus. Das erste Trennungsjahr war schwer. So richtig schwer. Es ging um Macht, um gekränkte Gefühle, um Unterhaltszahlungen, um nicht eingehaltene Verabredungen und um einen nicht vorhandenen Konsens darüber, dass die Trennung für uns alle das Beste war. Vor allem aber darüber, wie wir es schaffen gute Eltern zu sein.“, schreibt sie auf Instagram. Und weiter: „Als dann der neue Partner kam, kam das ganze wackelige Gerüst nochmal ordentlich ins schwanken.“
Im Nachhinein hat ihr vor allem die Beziehung zu ihrem neuen Mann geholfen, die Konflikte mit ihrem Ex-Partner in den Griff zu bekommen. Entscheidend war für Shakira: „Diskussionen, immer wieder aushandeln und irgendwann (meinerseits) Stolz herunterschlucken. Als ich alleine war mit Kind, wollte ich natürlich feste Umgangszeiten, um besser planen zu können und das gab immer Diskussionen und schlechte Stimmung. Das gelingt mir mit Partner besser, denn er hält mir den Rücken frei. Ich bestehe also nicht mehr auf Planbarkeit und schon hat es den Druck genommen.“
4 Tipps für ein harmonisches Patchwork-Leben
Mit ein paar einfachen Regeln und Strukturen fällt es aber allen Beteiligten leichter, das neue Patchwork-Abenteuer zu meistern. Dazu gehören:
#1 Klare Absprachen zwischen allen Beteiligten – auch den Kindern
Die Diplom Psychologin Susann Kunze vom Zentralinstitut für Ehe und Familie hat in einer Studie mit 430 Personen herausgefunden, dass klare Ansagen der leiblichen Eltern das Wichtigste für ein harmonisches Zusammenleben in einer Patchworkfamilie sind. So müssen die leiblichen Eltern eindeutig Position für den neuen Partner oder die Partnerin beziehen und so auch den Kindern klar signalisieren: “Diese Person gehört jetzt zur Familie!” Das stärkt die Partnerschaft und entlastet das Bonus-Elternteil davon, sich diese Rolle selbst zu erkämpfen.
#2 Verständnis für Emotionen der Kinder
Doch auch wenn die Kinder die neue Partnerin oder den neuen Partner nicht akzeptieren, ist es laut der Psychologin Katharina Grünewald wichtig, diese Emotionen ernst zu nehmen und keine Bindung erzwingen zu wollen. Gerade wenn ein Loyalitätskonflikt besteht, zum Beispiel die leibliche Mutter die Bonus-Mama nicht akzeptiert, ist es entscheidend, die Kinder nicht zur „Liebe“ zwingen zu wollen.
Grünewald rät in diesen Fällen einen Schritt zurückzugehen und auf sich selbst und die Partnerschaft zu achten. Besser als ein „Anbiedern“ sei es, den Kindern Freiraum zu geben, ihre Gefühle zu respektieren und ihnen Zeit zu lassen. Die Wissenschaft gibt ihr Recht: Im Schnitt brauchen Kinder 3,3 Jahre, um sich selbst als „glücklich“ mit den neuen Partner:innen der Eltern zu bezeichnen.
#3 Keine Angst vor Hilfe von außen
Sei dir immer bewusst: So etwas wie eine „normale Familie“ gibt es nicht, jede Familie hat eine eigene Dynamik und eigene Konflikte.
Manchmal tut es aber gut, einfach nur zu reden und sich mit anderen in der gleichen Situation auszutauschen. Susanne Petermann hat die Webseite “Stiefmutterblog” ins Leben gerufen, auf der sie über ihr Leben als zweifache Stiefmutter spricht, rechtliche Fragen klärt und in einem Forum eine Austausch-Plattform für Bonus-Eltern bietet.
Bei der Online-Beratung der Caritas kannst du dir und deiner Familie kostenlose Hilfsangebote und Rat zu Erziehung und Familienleben einholen.
#4 Spielerisch zusammenwachsen: Kinderbücher über Patchworkfamilien
Nicht nur für uns Erwachsene ist es eine harte Umstellung, auch die Kinder brauchen ausreichend Zeit und Begleitung, um mit der neuen Familiensituation zurechtzukommen. Das gelingt besonders gut mit kindgerechten Vergleichen und liebevoll gestalteten Geschichten.
Das sind drei unserer Lieblingsbücher über Patchworkfamilien:
- Unsere neue kunterbunte Familie: Bilderbuch über das Patchwork-Leben für kleine Kinder. Leon und Lilli begleiten in mehreren Bänden vom ersten Kennenlernen bis zum Zusammenziehen – ab 3 Jahren
- Wann gehen die wieder?: En wundervoll illustriertes Buch, das zeigt, wie Familien trotz aller Unterschiede zusammenwachsen können – ab 4 Jahren
- Allerbeste Schwestern: Ein warmherziges Vorlesebuch über eine moderne Patchworkfamilie, das zeigt, dass ein geteiltes Kinderzimmer nicht geteilte Liebe bedeutet – Ab 5 Jahren