Religiöse Kinderfragen
Erst einmal ist es hilfreich zu wissen, dass die Theologie im Bereich der religiösen Kinderfragen drei Kategorien unterscheidet.
- Theologie von Kindern: Das bedeutet, dass Kinder sich manche Antworten auf ihre komplexen Fragen selbst geben können.
- Theologie für Kinder: Das ist das Elementarisieren von komplexen theologischen Fragen für Kinder.
- Theologisieren mit Kindern: Das ist ein Gespräch mit dem Kind auf Augenhöhe über die wichtigen Fragen des Lebens und der Religion.
Je nachdem, welchen Hintergrund die Frage deines Kindes hat, bewegst du dich im Gespräch mit deinem Kind auf einer dieser drei Ebenen.
Zum Ersten: Theologie von Kindern
Manchmal kann dein Kind die Frage, die es stellt, eigentlich schon selbst beantworten, wenn du einfach zurückfragst: „Wie stellst du dir das vor?“ Und dann wirst du staunen, welche fantasievollen Antworten in deinem Kind schlummern, die du selbst noch gar nicht kanntest. Kinder haben oftmals eine sehr genaue Vorstellung davon, wie Gott aussieht oder was nach dem Tod auf uns wartet. Diese Vorstellungen müssen nur in ihnen geweckt und aktiviert werden.
Für manche Kinder ist es schwer, Worte dafür zu finden. Wenn du das merkst, kannst du dein Kind ermutigen, ein Bild zu seiner Frage zu malen. Zum Beispiel: „Mal´ mal ein Bild davon, wie du dir den Ort vorstellst, an dem Hasi jetzt ist“. Du wirst staunen, welche Ressourcen und Kompetenzen dein Kind hat und was dabei herauskommt.
Zum Zweiten: Theologie für Kinder
Manche religiösen Kinderfragen sind Sachfragen, vor deren Beantwortung du vielleicht etwas recherchieren musst, weil dir die spontane Antwort schwerfällt. „Papa, wie heißt eigentlich die Frau von Noah“ – zu dieser an meinen Mann gerichteten Frage, habe ich kürzlich eine Recherche angestellt. Denn ich war mir sicher: Zahlreiche rabbinische Gelehrte haben sich bereits vor mir Gedanken dazu gemacht.
Wenn man die Frage in eine Suchmaschine eingibt, stößt man auf zwei Antworten: Die Frau von Noah heißt laut einer außerkanonischen syrischen Handschrift („die Schatzhöhle“, 14. Kapitel) „Haikal“. Das bedeutet auf Arabisch „Palast oder großes Haus“ und auf Hebräisch „Tempel“.
Laut einer rabbinischen Tradition heißt sie „Naema“ (aus Bereschit Rabba 23,3). Letzteres ist Hebräisch und bedeutet „lieblich“ oder „ansehnlich“. Man stellt sich Noahs Frau offensichtlich innerlich und äußerlich ansehnlich vor und verbindet mit ihr Reichtum und Spiritualität.
Bei manchen Kinderfragen musst du also eine kleine Recherche anstellen, bevor du eine qualifizierte Antwort dazu geben kannst. In diesem Fall kannst du dein Kind einfach auf später vertrösten, die Frage nach der Recherche noch einmal aufgreifen und dann erst beantworten. So bringt dich dein Kind dazu, dass du sich selbst mit der Thematik intensiver auseinandersetzt.
Zum Dritten: Theologisieren mit Kindern
Diese dritte Disziplin ist die Königsdisziplin, was den Umgang mit religiösen Kinderfragen angeht. In der religionspädagogischen Literatur finden sich zahlreiche Fallbeispiele für gelungene Kommunikation im Sinne eines Theologisierens mit Kindern. Aus manchen Fragen, die dein Kind dir stellt, entwickelt sich ein Gespräch auf Augenhöhe, so wie diese kurze Sequenz:
Kind: „Mama, glaubst du eigentlich an Gott?“
Mutter: „Mhm das ist, eine schwierige Frage. Manchmal ja und manchmal nein. Und du?“
Kind: „Ich glaube schon an Gott. Ich glaube Gott ist überall. Draußen (Kind zeigt aus dem Fenster) und drinnen (Kind zeigt auf seinen Brustkorb zwischen Bauch und Herz).“
Mutter: „Das ist schön, dass du das glaubst. Ich glaube es manchmal auch. Jetzt zum Beispiel, wo wir darüber sprechen. Und immer dann, wenn ich sehe, dass du glücklich bist.“
Kind: „Und warum glaubst du dann nicht immer an Gott?“
Mutter: „Manchmal fällt es mir tatsächlich schwer, an Gott zu glauben. Immer dann, wenn ich Menschen sehe, denen es schlecht geht. Dann frage ich mich: „Warum lässt Gott das zu?“
Das Kind und die Mutter sprechen über ihren Glauben an Gott. Die Mutter bringt zum Ausdruck, dass zu ihrem Glauben der Zweifel und die Anklage gehören. Das Kind hat einen unumstößlichen Kinderglauben an Gottes Dasein, das alles umfasst. Beide bleiben bei ihren Äußerungen ganz bei sich.
Das Schöne am Theologisieren mit Kindern ist: Es gibt eigentlich keine falschen Antworten. Es ist hierbei nur wichtig, dass du authentisch bleibst und deine Grenzen kennst. Wenn du im Gespräch mit deinem Kind an einer Stelle nicht weiterweißt, frage einfach jemanden um Rat, der sich damit auskennt oder recherchiere noch etwas weiter, bis du dir selbst sicher bist und eine authentische Antwort geben kannst.
Weiterführende Literatur:
Wenn du dich noch etwas weiter auf wissenschaftlicher Ebene mit dem Thema befassen willst, empfehle ich dir das Buch „Kindertheologie als theologische Kompetenz von Kindern. Grundlagen, Methodik und Ziel kindertheologischer Forschung am Beispiel der Deutung des Todes Jesu von Mirjam Zimmermann.
Für einen etwas praktischeren Zugang zu religiösen Kinderfragen kann ich das Buch „Mama wo wohnen die Engel?“ von Stefanie Böhmann und Ina Kriege-Egert empfehlen. Ich habe beide Bücher vor dem Verfassen dieses Artikels gelesen und habe Inhalte aus den Büchern, die mich zu neuen Erkenntnissen gebracht haben, in diesem Artikel verwendet.