Motorische Anforderungen
Wenn Ihnen angesichts der Komplexität des Schreibens schon der Kopf raucht, dann erkennen Sie leicht, vor welch enormer Herausforderung Ihr Erstklässlern steht. Vor den Kindern liegt eine völlig neue und unbekannte Welt aus komplizierten Symbolen die es zu lernen und zu verstehen gilt. Und nun kommt zur Pflicht auch noch die Kür: Diese Dinge in lesbare Zeichen auf Papier bringen, zwischen Linien setzen und korrekt formen und proportionieren!
Hierbei sind die motorischen Fähigkeiten von Erstklässlern sehr unterschiedlich entwickelt: Manche Kinder haben Probleme den Stift richtig zu halten, andere können die Abstände zwischen den Linien nicht einschätzen oder nur schwer einhalten. Bei manchen kippen die Buchstaben um oder neigen sich in verschiedene Richtungen. Einige Schreibanfänger drücken zu stark auf, andere zu gering und manche wiederum haben nicht die geringsten Probleme akkurate Zeichen zu Papier zu bringen.
Sensible Lernprofis nicht verbessern!
Während sich nun die kleinen Schreibanfänger mutig und voller Neugier und Tatendrang ins Buchstabengewimmel stürzen und voller Stolz „paba vead auddo“ schreiben, kommt eben dieser „Paba“, grinst, schüttelt den Kopf und fängt an zu korrigieren.
Schwups! Schon ist es vorbei mit der Schreiblust, alles ist doof: Papa und die Schule und alles! Aus dem anfänglichen Stolz auf den selbst fabrizierten Satz ist Frustration über das eigene Unvermögen geworden. Dabei hat Papa es doch nur gut gemeint, schließlich soll es sich der Nachwuchs doch nicht falsch einprägen.
Aber überlegen wir einmal: Kinder sind Experten wenn es ums Lernen geht! Sie lernen von Beginn an mit atemberaubender Geschwindigkeit und meist ohne unser Zutun: Aus dem Bauchrobben des Babys wurde ein Rückwärtskrabbeln und daraus ein Vorwärtskrabbeln und irgendwann ein aufrechter Gang. Aus dem Laut „nana“ wurde irgendwann „nane“ und schließlich auch „Banane“ – warum soll also aus „vead“ nicht schon bald „fährt“ werden? Vertrauen Sie Ihrem Kind und loben und ermutigen Sie es – egal wie viele Fehler Sie entdecken!
Rechtschreibregeln, Grammatik und Satzzeichen werden erst einige Jahre später erwartet und der Lernprozess wird auch dann noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Am Ende des ersten Schuljahres sind die Kinder meist auf dem Wissensstand dass sie Wörter aus passenden Buchstaben bilden, nach einem Punkt mit einem Großbuchstaben beginnen und gelernte Wörter weitgehend richtig schreiben können. Sie schreiben bereits schlichte Geschichten aus etwa fünf Sätzen. Einfache, erste Regeln (z.B.: Hut hat ein „t“ am Ende denn es heißt in der Mehrzahl „Hüte“) sind bekannt, werden aber vielleicht nicht immer umgesetzt.
Das Kind unterstützen
Die wichtigste Unterstützung haben wir bereits genannt: Ermutigen, loben, motivieren und niemals überfordern. Ihr Kind wird in der ersten Klasse noch keine Weihnachtskarten schreiben können aber vielleicht schon einen eigenen Wunschzettel formulieren wollen, der ein tolles Andenken ist und unbedingt aufbewahrt werden sollte! Finden Sie gute Gründe, mit Stift und Papier kleine Nachrichten zu schreiben ohne das Kind zu überfordern. Erweitern Sie einfach den Nutzen des Schreibens in der Schule zum Nutzen in der Freizeit und Ihr Kind wird bald begeistert sein, dass es diese Art der Kommunikation verwenden kann.
Probleme mit der Stifthaltung
Aber es gibt auch spezielle Schwierigkeiten, die bei einigen Kinder auftreten und die mit ein paar kleinen Hilfsmitteln überwunden werden können.
Wenn Ihr Kind den Stift regelrecht umklammert oder ihn mit zwei spitzen Fingern anfasst, dann hilft meistens eine Schreibhilfe aus Gummi die über den Stift gestülpt wird und den kleinen Fingern Halt in der richtigen Position gibt. Dabei wird die richtige Fingerhaltung geübt bis die Finger in der Lage sind allein die richtige Position zu finden. Sie sollten beim Kauf in einen gut sortierten Schreibwarenladen gehen denn es gibt diese Schreibhilfen in verschiedenen Ausführungen und Ihr Kind sollte ausprobieren mit welcher es am Besten zurecht kommt.
Probleme mit der Kraftdosierung
Bei manchen Kindern hat man den Eindruck dass sie mit Hammer, Meißel und Stein besser beraten wären als mit Stift und Papier weil sie so stark aufdrücken dass jeder Buchstabe noch zwei Seiten darunter tiefe Rillen hinterlässt. Andere Kinder hingegen setzen nur einen Hauch von Bleistift-Graphit auf das Papier der gerade so erahnen lässt, dass es hier etwas zum Lesen gibt. Hier kann oft schon der richtige Bleistift wahre Wunder vollbringen!
Bleistifthärten
H = hart und je höher die folgende Zahl (z.B. H3) desto härter ist die Miene
HB = mittlere Härte, universell einsetzbar aber nicht für jedes Kind geeignet
B = weich und mit zunehmender Zahl auch zunehmend weicher
Verwenden Sie Stifte im Bereich zwischen H2 und B3
Bleistifte
Schreibanfänger benutzen in der Regel Bleistifte und die gibt es immerhin in 15 verschiedenen Härtegraden! Darum sollten Sie nicht beim Discounter zum 5-er-Pack greifen sondern lieber in einen guten Bleistift aus dem Schreibwarenladen investieren.
Ihr Kind sollte bei zu starkem Aufdrücken auf einen weicheren Bleistift umsteigen. Zwar neigen weichere Stifte eher zum verschmieren, müssen häufiger angespitzt werden und sind daher auch schneller aufgebraucht aber zugleich lassen sie sich auch besser radieren und die Schrift verbessert sich meist deutlich.
Bei zu wenig Druck ist ein harter Bleistift besser geeignet.
Schreibunterlagen
Spezielle Schreibunterlagen erleichtern das Schreiben und verhelfen zu einem schöneren Schriftbild. Die Kinder müssen außerdem weniger aufdrücken und Heft oder Blatt rutschen nicht weg.
Übungen für die Hände
Die Kraftdosierung der Finger und Hände kann sehr einfach und effektiv im Alltag gefördert werden: Teig kneten, mit Knete oder Ton Figuren formen, Papierflieger falten, mit Hammer und Nagel arbeiten, Holz mit Schleifpapier glätten, Brot schmieren, Fleisch schneiden, … diese alltäglichen Fingerübungen sollten Sie Ihrem Kind nicht abnehmen sondern sie vielmehr regelmäßig ermöglichen damit die Bewegungserfahrung im Gehirn gespeichert werden kann.
Wenn sich trotz aller Maßnahmen das Schriftbild nicht bessert, ist eine Untersuchung auf Blockaden (z.B. KiSS) beim Orthopäden meist eine gute Möglichkeit, Ursachen aufzudecken und zu beheben. Auch Ergotherapie kann helfen, die Motorik der Hand zu verbessern.
Fazit
Eltern sollten den Schreiblernprozess sensibel begleiten, evtl. mit passenden Hilfsmitteln unterstützen und sich mit Kritik zurück halten. Den kleinen ABC-Schützen ist am Besten geholfen wenn Eltern das Schreiben in den Alltag einfließen lassen und z.B. gemeinsam mit dem Kind die Einkaufsliste schreiben.