Sekundäres Ertrinken bei Kindern passiert meist unbemerkt

Kind hält unter Wasser die Luft an
Wie erkennt man sekundäres Ertrinken?
©Unsplash/Phoebe Dill

Badeunfall – aber rechtzeitig gerettet. Und doch könnte dein Kind Stunden später Ertrinken. Zweites oder sekundäres Ertrinken ist eine unterschätzte Gefahr – vor allem für Kleinkinder. Worauf Eltern achten sollten, liest du hier!

„Beinahe ertrunken“ – das klingt nach „noch mal Glück gehabt“. Jedoch sterben gerettete Personen manchmal Stunden später unerwartet, weil wichtige Hinweise übersehen wurden und rettende Maßnahmen nach dem Wasserunfall ausblieben.

Vor allem bei Kleinkindern gehören Badeunfälle leider zu den häufigsten Todesursachen. Nur kurz weggeschaut und schon ist es passiert: Das Kind ist in den Gartenteich, das Planschbecken oder den Pool gefallen, in der Badewanne untergegangen oder bäuchlings in einer Pfütze gelandet. „Immer da, wo ein Gewässer unbeaufsichtigt ist, besteht eine Gefahrenquelle“, erklärt Andreas Paatz, Bundesleiter der DRK-Wasserwacht. Selbst Regentonnen und Toiletten können Kindern theoretisch zum Verhängnis werden.

In Deutschland sind 2019 laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft 25 Kinder zwischen unter zehn Jahren ertrunken. Ein Grund dafür: immer weniger Kinder können schwimmen. Schwimmkurse sind oft rettungslos überfüllt, Schwimmbäder werden geschlossen und in Schulen wird weniger Schwimmunterricht angeboten.

Jedoch kann auch ein Kind, das vor dem Ertrinken gerettet wurde, noch immer in Gefahr sein.

Was ist sekundäres Ertrinken?

Oft wird ein Badeunfall bei Kindern rechtzeitig bemerkt und das Kind innerhalb von Sekunden gerettet. „Mit dem Schrecken davongekommen“ denken die Eltern dann, wenn ihr Kind schon wenig später wieder munter spielt. Aber Stunden später kann ein sekundäres Ertrinken vorkommen.

Hat das Kind nämlich Wasser in die Lunge gekommen, setzt unter Umständen unbemerkt ein verzögertes, sogenanntes „sekundäres Ertrinken“ ein. Andreas Paatz erklärt uns das im Interview so:

Beim sekundären Ertrinken sind die Lungen mit Wasser geflutet worden und aufgrund von physikalischen Eigenschaften in der Lunge wird das Wasser in die Blutbahn abgegeben. Im Laufe von 12 bis 24 Stunden kommt es innerhalb des Blutkreislaufes dann wieder zum Ausgleich. Das heißt: Die überschlüssige Flüssigkeit (das Wasser) gelangt über den Lungenkreislauf auch wieder in die Lunge. Und das bezeichnet man dann als sekundäres Ertrinken.

Tritt die Flüssigkeit aus dem Blut in die Lunge über, kann das schnell zum Tod führen. Das Kind erstickt in diesem Fall an einem Mangel an Sauerstoff.

Und das alles kann schnell passieren: Paatz erklärt, dass oft schon eine sehr kurze Zeit unter Wasser ausreicht, um die Lungen zu fluten.

Einige Experten vermuten, dass nur wenige Milliliter Wasser in der Lunge das sekundäre Ertrinken auslösen können – etwa zwei Milliliter pro Kilogramm seien gefährlich. Bei einem normalgewichtigen Dreijährigen (etwa 14 Kilogramm) reichen also 28 Milliliter aus – das sind zwei bis drei Esslöffel.

Was ist trockenes Ertrinken?

Neben dem sekundären Ertrinken gibt es auch das sogenannte trockene Ertrinken. Beide Begriffe werden oft synonym verwendet – sie bezeichnen aber unterschiedliche Situationen. Beim trockenen Ertrinken gelangt das Wasser gar nicht in die Lunge – sie bleibt trocken.

In diesem Fall führt das eingeatmete Wasser zu einer Verkrampfung der Stimmbänder im Kehlkopf. Dadurch bekommt das Kind keine Luft mehr und kann ersticken.

Anders als beim sekundären Ersticken treten hier die Symptome sofort auf und der Zustand lässt sich nicht leicht übersehen.

Sekundäres & trockenes Ertrinken: Häufigkeit

Du musst dir jetzt aber nicht sofort Sorgen machen. Es ist ganz normal, dass Kinder beim Spielen und Schwimmen etwas Wasser schlucken. Normalerweise gerät das Wasser dabei auch nicht in die Lunge.

Trockenes und sekundäres Ertrinken sind extrem seltene Notfälle. Trotzdem ist es immer wichtig, dass du informiert bist. Ist also ein Badeunfall vorkommen, solltest du diese Anzeichen vom sekundären Ertrinken kennen.

Wie erkennt man sekundäres Ertrinken?

Oft werden Husten, Atemlosigkeit, Müdigkeit, Vergesslichkeit oder bläuliche Lippen als erste Anzeichen vom sekundären Ertrinken erwähnt. Andreas Paatz erklärt aber, dass das sekundäre Ertrinken so gefährlich ist, „weil sich da gar keine Anzeichen bemerkbar machen“:

Das sekundäre Ertrinken geschieht meistens über Nacht, wenn das Kind schläft und dann passiert es tatsächlich unbemerkt. Also es ist nicht so, dass man sagt: ‚Genau an diesen Anzeichen kann man sekundäres Ertrinken festmachen.‘

 

Badeunfall: Was soll ich tun?

Da das sekundäre Ertrinken oft keine eindeutigen Anzeichen zeigt oder diese sich erst zeigen, wenn es schon zu spät ist, sollten Kinder (und auch Erwachsene) nach einem Badeunfall laut Paatz auf jeden Fall 24 Stunden klinisch beobachtet werden:

Selbst, wenn ich mein Kind nur aus dem Gartenteich rausgefischt habe und es vermeintlich wieder okay ist: [Eltern sollten ihr Kind dann] auf jeden Fall mit dem Stichwort ‚beinahe Ertrunken‘ dem Arzt und dem Rettungsdienst vorstellen.

 

Prävention kann Leben retten

Um möglichst viele Kinder vor dem Ertrinken zu retten, ist das richtige Verhalten am Wasser wichtig. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) gibt einige Tipps:

  • Eine lückenlose Aufsicht von Kindern am Wasser ist zwingend erforderlich. Selbst gute Schwimmer können durch Reflexabläufe, Unterkühlung und andere Umstände plötzlich ertrinken. Übrigens: Ältere Geschwister ersetzen keine Aufsichtsperson von Kleinkindern. Bedenke auch immer: Kinder ertrinken leise!
    Wenn du dir also unsicher bist, ob dein Kind Probleme im Wasser hat, solltest du zur Sicherheit einen Rettungsschwimmer aufmerksam zu machen.
  • Schwimmen lernen als Unfallprävention. Laut Paatz empfiehlt sich das Schwimmen lernen ab einem Alter von 5 bis 6 Jahren. Je nachdem wie das Kind körperlich entwickelt ist. Jedoch kann die Schwimm- und vor allem Wassergewöhnung nie zu früh beginnen.
  • Badestellen und offene Gewässer sollten immer gesichert werden. Kinderplanschbecken und Teiche sollten für Kinder unzugänglich sein (Zäune oder Abdeckungen – auch Wassertonnen brauchen einen Deckel.)
  • Mit Kindern über Gefahren sprechen: Eltern können mit älteren Kindern über mögliche Gefahren im Wasser sprechen. „Nicht, um Angst zu schüren, sondern auch um von frühester Zeit an das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass eine Gefahr besteht“, so Paatz.
  • An die Baderegeln halten. Paatz betont auch, wie wichtig die Einhaltung der Baderegeln für Eltern sowie Kinder ist. „So können sich Eltern ganz gut mit Gefahren am und um das Wasser vertraut machen!“

Quellen