Selbstbewusstsein stärken: Es lässt sich trainieren
Nicht alle Menschen kommen mit einem ausgeprägten Selbstvertrauen auf die Welt. Dabei ist Selbstbewusstsein ein elementarer Baustein dafür, wie wir die Welt wahrnehmen und mit ihr interagieren. Die gute Nachricht ist: es lässt sich trainieren! Am besten im Kindesalter, doch auch Erwachsene können noch daran arbeiten, ihr Selbstbewusstsein zu stärken.
Weitere positive Auswirkungen auf das spätere Leben können sein:
- Geringe Anfälligkeit für Depressionen und Burn-Out
- Mehr Erfolg im Berufsleben, da man seine Stärken und Schwächen gut kennt
- Gute Beziehung zu Freunden und Familie
Die Bedeutung von Selbstvertrauen schon im Kindesalter ist also gar nicht hoch genug einzuschätzen. Wer das Selbstbewusstsein seiner Kinder stärkt, stärkt auch ihre Persönlichkeit, da sie ihre Stärken besser kennen und sie einsetzen können.
Wie zeigt sich geringes Selbstbewusstsein bei Kindern?
Während manche Kinder (nach kurzer Aufwärmphase) neugierig sind, sich Situationen stellen und mit anderen Menschen interagieren, sind andere in der gleichen Lage zurückhaltend und bleiben am liebsten still in der Ecke. Manchmal ist das einfach eine Typsache – dann spricht man von einem introvertierten Kind. Oft steckt jedoch auch fehlendes Selbstbewusstsein dahinter.
Kinder, denen das Vertrauen in sich selbst fehlt, haben Probleme, Anschluss zu finden oder sich unbekannten Situationen zu stellen. Deshalb suchen sie auch öfter Bestätigung für ihr Tun bei Bezugspersonen wie Eltern und Freunden. Sie probieren ungern Neues aus und bleiben lieber bei Dingen, die sie schon beherrschen. Von sich selbst sprechen sie oft abwertend und vergleichen sich mit anderen Kindern, die bestimmte Dinge vermeintlich besser können. Ihre Frustrationstoleranz ist gering – wenn sie etwas nicht sofort können, werden sie schnell wütend.
Eine gravierende Folge zeigt sich oft in der Schule: Kinder mit fehlendem Selbstbewusstsein werden mit größerer Wahrscheinlichkeit Opfer von Mobbing. Das führt nicht selten dazu, dass Kinder sich abkapseln und zurückziehen – oftmals in virtuelle Welten. In schlimmen Fällen kann so der Grundstein zu einer späteren Mediensucht gelegt sein.
Wie kann man das Selbstbewusstsein bei Kindern stärken?
Grundsätzlich beginnt es damit, dein Kind so zu akzeptieren, wie es ist – mit all seinen Eigenheiten. Die folgenden Tipps zur Stärkung des Selbstbewusstseins bauen darauf auf:
- Richtig loben: Ein Kind muss merken, dass ein Lob von Herzen kommt. Daher ist es kontraproduktiv, wenn Eltern unkritisch alles großartig finden, was ihr Kind macht.
- Stolz erzeugen: Wenn ein Kind kleine, aber wichtige Tätigkeiten übernehmen kann und diese gut erledigt, wird es darauf stolz sein und daraus wichtiges Selbstwertgefühl beziehen. Zum Beispiel: eine Notiz an jemanden übermitteln, beim Tisch decken helfen, die Mülltüte hinunterbringen…
- Liebe und Aufmerksamkeit schenken: In Zeiten ständiger Reizüberflutung ist es besonders wichtig, wenn ein Kind merkt, dass es die ungeteilte Aufmerksamkeit hat. Zum Beispiel, wenn das Handy auch mal wegbleibt und die Eltern nur dem Kind zuhören.
- Gefühle ernst nehmen: Über seine Gefühle sprechen zu können, ist ein wichtiger Teil der Entwicklung von Selbstbewusstsein. Deshalb sollten Eltern immer versuchen, die Wut und Trauer oder auch die Euphorie ihrer Kinder ernst zu nehmen und nicht davon abzulenken.
- Nach der Meinung fragen: Oft genug müssen Kinder Anweisungen ausführen (aufräumen, ihre Wäsche aufräumen…), um so wichtiger ist es, wenn sie bei jeder guten Gelegenheit nach ihrer Meinung gefragt werden. Wenn ein Kind lernt, dass seine Meinung zählt, wird sich das positiv auf das Selbstbewusstsein auswirken.
- Kinder bestärken und ermutigen: Oft genug lassen wir uns dazu verleiten, einem Kind die Arbeit abzunehmen, wenn es vor Schwierigkeiten steht. Besser wäre es, das Kind zu ermutigen, dass es die Herausforderung schaffen kann – positive Affirmation kann Wunder für das Selbstbewusstsein bewirken.
- Freundschaften stärken: Nicht allen Kindern fällt es leicht, Freundschaften zu schließen. Doch im Zusammenspiel mit Gleichaltrigen können Kinder ihr Selbstvertrauen stärken, weil sie sich akzeptiert und geschätzt fühlen.
Kann der Sportverein das Selbstbewusstsein stärken?
Grundsätzlich ja – es kommt aber auf die Umstände und den Charakter deines Kindes an. In Mannschaften kann dein Kind einerseits ein tolles Zusammengehörigkeitsgefühl erleben und sich vielleicht sogar vor Publikum präsentieren. Das kann sehr positive Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein haben.
Der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort gibt aber in einem Beitrag der AOK auch zu bedenken:
„Manche Eltern denken sich, dass Sport wichtig ist und dazugehört, was im Prinzip ja nicht falsch ist. Aber wenn sie dabei übersehen, dass sie ein tollpatschiges Kind haben, was im Sport ständig scheitert und sich quält, dann ist der Effekt eher negativ.“
Zudem kann es dem Kind auch schaden, wenn seine Woche mit vielen außerschulischen Aktivitäten vollgestopft wird – schließlich nimmt spätestens ab der Mittelstufe der Terminstress auch bei Kindern immer mehr zu.
Welches Verhalten schwächt das Selbstbewusstsein von Kindern?
Eltern haben einen enormen Einfluss auf das Selbstbewusstsein ihrer Kinder – im positiven wie auch im negativen Sinne. Sie können also nicht nur zu einer Stärkung des Selbstvertrauens beitragen, sondern dieses auch schwächen.
Ein Faktor könnte übertriebenes, unangebrachtes Lob sein. Kinder haben meist sehr empfindliche Sensoren dafür, ob ein Lob authentisch ist oder nicht. Übertriebenes Loben kann sie glauben lassen, dass man ihnen nichts zutraut.
Ebenso merken Kinder, wenn man ihnen misstraut – also ihre Sichtweise oder Aussagen in Zweifel zieht, obwohl sie aus ihrer Sicht richtig sind.
Und natürlich haben auch unbedachte, aber im Eifer des Gefechts doch einmal ausgesprochene Sätze eine negative Wirkung auf das Selbstvertrauen von Kindern. Zum Beispiel:
- „Wie kann man nur so blöd sein?“
- „Kannst du das immer noch nicht selbst?“
- „Du bist doch schon xy Jahre alt – das musst du schon können!“
Vergleiche mit älteren Geschwistern oder gleichaltrigen Freunden, die bestimmte Sachen schon können, sind mit Sicherheit ebenfalls nicht dienlich beim Aufbau eines gesunden Selbstbewusstseins.
Heißt „introvertiert“ automatisch „zu wenig Selbstbewusstsein“?
Grundsätzlich muss man dazu sagen: Jedes Kind ist anders, und die unterschiedlichen Persönlichkeiten zeigen sich bereits sehr früh. Manche Kinder sind aufgeweckt und zutraulich, andere introvertiert und zurückhaltend. Ein introvertierter Charakter ist nicht zwingend mit fehlendem Selbstbewusstsein zu erklären – sondern einfach eine angeborene Eigenschaft wie etwa Kreativität.
Auch introvertierte Kinder und Erwachsene können ein intaktes Selbstbewusstsein haben. Sie stehen nur nicht gerne im Mittelpunkt, sondern sind lieber für sich. Wenn dein Kind es also bevorzugt, in Ruhe ein Buch zu lesen oder ein Hörspiel zu hören, anstatt wild durch den Garten zu toben, liegt das nicht automatisch an fehlendem Selbstbewusstsein. Wenn du allerdings merkst, dass dein Kind lieber unter Freunden wäre, sich aber nicht traut, mit anderen Kindern zu interagieren, dann solltest du einschreiten.
Spielen Gene oder Erziehung die größere Rolle?
Wie bereits erwähnt, haben manche Kinder einfach einen schüchternen Charakter, während andere vom Start weg selbstbewusst sind und gerne im Mittelpunkt stehen. Aber ist das alles wirklich nur genetisch bedingt? Oder lässt sich Selbstbewusstsein sozusagen anerziehen?
Der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort sagt zu dieser Frage:
„Eine grobe Faustregel ist etwa Hälfte-Hälfte. Aber das ist auch sehr unterschiedlich von Kind zu Kind. Denn natürlich bringen Kinder von Geburt an eine eigene Persönlichkeit mit. Das lässt sich schon bei Säuglingen feststellen, die sehr unterschiedlich schreien und unterschiedlich empfindlich sind.“
Er spricht in dem Zusammenhang von Beziehung und nicht von Erziehung. Selbstvertrauen entstehe dadurch, dass Kinder sich ausreichend geliebt und gewürdigt fühlten. In einer gesunden Beziehung zwischen Eltern und Kind sei „Erziehungsarbeit“ eigentlich nicht nötig, da sich das meiste von selbst ergibt.