Wer könnte das sagen: Ein Mädchen oder ein Junge?
Die Aufgabe aus einem Schulbuch der dritten Klasse ist theoretisch ganz einfach. Es sind verschiedene Sätze aufgelistet, die zugeordnet werden sollen: Wer könnte das gesagt haben? Ein Mädchen, ein Junge oder beide?
Praktisch ist das Ganze eher schwierig, denn keiner dieser Sätze lässt sich eindeutig einem bestimmten Geschlecht zuordnen. Die Aufgabe geht gerade im Netz viral und viele Eltern sind entsetzt darüber, dass derartiges Schwarz-Weiß-Denken heute noch vermittelt wird.
Tochter (7): „Hääää???? Verstehe ich nicht!!!“
Ich auch nicht, mein Kind. Ich auch nicht. #rosahellblaufalle #schulbücherimjahr2020 pic.twitter.com/O8M7IDM3B6
— FamilienLabor ☢ (@FamilienLabor) March 23, 2020
Das ist noch eine der besseren Umsetzungen
Um das Ganze besser einordnen zu können, muss man vielleicht wissen, dass alle Schulbücher für diese Schulstufe ähnliche Übungen beinhalten, schreibt die Journalistin Almut Schnerring auf „rosa-hellbau-falle.de“. Und da das Thema „Wer bin ich“ beziehungsweise „Rollenbilder“ im Lehrplan stehe, muss es auch aufgegriffen werden. Die Frage ist nur, wie.
Und da habe der Verlag noch eine der besseren Umsetzungen gewählt, so Schnerring. Auf derselben Seite werden nämlich auch individuelle Interessen abgefragt – ganz ohne Bezug zum Geschlecht. Das ist wichtig, weil „sobald ein (geschlechtsbezogenes) Vorurteil im Raum steht, beeinflusst es das Verhalten, Menschen treffen danach stereotypere Entscheidungen“, so die Journalistin, die regelmäßig Vorträge und Workshops über den genderreflektierten Umgang mit Kindern hält.
Haben Kinder also die Chance, sich erst damit auseinanderzusetzen, wer sie sind und was sie gerne machen, BEVOR sie überlegen sollen, was typisch Mädchen oder Jungs ist, fällt es ihnen leichter Rollenbilder infrage zu stellen.
Andere Bücher würden das versäumen und direkt mit Aufgaben einsteigen, in denen klischeehaft zugeordnet werden soll. Man müsse schon froh sein, wenn zusätzlich „beide“ zur Wahl steht.
Twitter ist zweigeteilter Meinung
Klischees abzufragen mit dem Ziel, sie zu widerlegen? Schwierig. Findet auch das Twitter-Universum. Eine Userin kommentiert:
„Tja, wenn die Lernmaterialien SO krass veraltet sind, wie kann man dann von einer Gesellschaft erwarten, jeden gleich zu sehen. Fängt bei Geschlechtern an und hört leider nirgends auf.“
-@uRmyShrink
Jemand anderer schreibt:
Wo ist das denn her? So etwas gibt s bei uns im 21. Jhd.? Ich bin echt entsetzt.
-@Jessica80296304
Doch nicht jeder sieht das so. Eine Nutzerin weist darauf hin, dass die Übung vielleicht dazu gemacht wurde einen Dialog zu schaffen und betont, wie wichtig die Lehrkräfte gerade bei diesem Thema sind:
„Also, wenn ich meine Lehrersicht einwerfen darf: es ist ein super Anlass für die Kinder in Diskussion zu kommen und als Lehrer mit ihnen herauszuarbeiten, weshalb man einfach alles zu „beide“ packt! Es ist immer noch die Frage, was die Lehrkraft aus der Materialgrundlage macht!“
-@FrauFisch1210
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