Trichotillomanie: Was ist das?
Trichotillomanie ist die medizinische Bezeichnung für den Zwang, sich selbst die Haare auszureißen. Dieser Zwang ist eine psychische Krankheit und wird im ICD-10, dem offiziellen Diagnosemanual der Weltgesundheitsorganisation, in der Gruppe der „Abnormen Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle“ (F63.0) aufgeführt.
Wie häufig ist die Krankheit?
Die tatsächliche Häufigkeit von Trichotillomanie in Deutschland ist wegen der hohen Dunkelziffer unklar. Die „Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen“ schätzt aber, dass ca. 0,5 Prozent der Deutschen an Trichotillomanie leidet. Jungen und Mädchen sind im Vorschulalter gleich häufig betroffen. Im Jugend- und Erwachsenenalter leiden dagegen Mädchen beziehungsweise Frauen häufiger unter Trichotillomanie.
Trichotillomanie: Symptome
Betroffene reißen sich dabei meist die Kopfhaare aus, aber auch Augenbrauen, Wimpern, Barthaare oder Schamhaare. Kahle Stellen oder ausgedünnte Haare sind also ein typisches Symptom.
Übrigens: Einige Menschen mit Trichotillomanie reißen sich die Haare mehr oder weniger automatisch aus – sie sind sich der Aktion also nicht wirklich bewusst.
In Verbindung mit Trichotillomanie ist häufig auch Nägelkauen zu beobachten.
Oft zeigen sich bei Betroffenen zusätzlich auch andere psychischen Erkrankungen. Laut dem Ärzteblatt leiden „bis zu 63 Prozent der Betroffenen zusätzlich unter affektiven Störungen, bis zu 57 Prozent unter Angststörungen, bis zu 22 Prozent unter Substanzmissbrauch und bis zu 22 Prozent unter Zwangssymptomen.“
Viele Menschen mit der Krankheit haben zusätzlich die Angewohnheit nach dem Herausreißen mit den Haaren zu spielen. Manche lassen die Haare durch die Finger oder Lippen gleiten oder beißen die Haarwurzel ab, einige essen sogar das ganze Haar.
Die Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland erklären:
„Fast die Hälfte der Betroffenen fühlt sich durch Gedanken wie beispielsweise ‚bestimmte Haare müssen gefunden und entfernt werden oder durch Gedanken an Symmetrie zum Ausreißen gedrängt.“
Schmerzen beim Ausreißen empfinden nur die wenigsten.
Ursachen: Warum bekommt man Trichotillomanie?
Warum genau die Betroffenen den Zwang verspüren, sich die Haare auszureißen, ist immer noch unklar.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass Trichotillomanie zu einem gewissen Teil genetisch veranlagt ist. Aussagekräftige Studien gibt es aber hierfür noch nicht.
Menschen mit Trichotillomanie nennen unterschiedliche Gründe:
Stress
Der wohl häufigste Grund ist Stress. Wenn die Betroffenen unter Druck stehen oder eine innere Anspannung verspüren, setzt der Drang ein, sich die Haare auszureißen.
Reißen sie sich ihre Haare dann aus, fühlen sie sich entspannt – oder sogar befriedigt.
Später folgen aber meist Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen, was den Druck wieder ansteigen lässt und zum erneuten Ausreißen führt.
Erlebnisse in der Kindheit
Neben Stress nennen einige Betroffene auch andere auslösende Erlebnisse in ihrer Kindheit als Grund.
Das kann ein Missbrauchsfall sein, Vernachlässigung durch die Eltern, ein Todesfall eines nahen Verwandten, aber auch ein Schulwechsel und Mobbingerfahrungen.
Über Mobbing:
Trichotillomanie: Folgen
Da viele Patienten sich nicht nur die Haare ausreißen, sondern anschließend auch den Drang verspüren diese zu essen, kann es zu einer Trichophagie, dem sogenannten “Rapunzel-Syndrom” kommen.
Da Haare für den Menschen nahezu unverdaulich sind, bildet sich als Folge im Magen der Betroffenen ein Haarknäuel. Das kann zu Oberbauchschmerzen, einem Darmverschluss oder sogar einem Darmdurchbruch kommen. Das Haarknäuel muss dann operativ entfernt werden.
Soziale Folgen von Trichotillomanie
Trichotillomanie hat aber nicht nur medizinische, sondern auch soziale Folgen. Betroffene schämen sich nicht nur für das Ausreißen und die fehlende Selbstkontrolle an sich, sondern auch für ihre kahlen Stellen. Daher haben sie oft Schwierigkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen oder zu pflegen.
Was kann man gegen Trichotillomanie tun?
Trichotillomanie ist eine psychische Krankheit – eine Behandlung bei einem Psychologen ist also notwendig. Meist wird eine Verhaltenstherapie empfohlen:
Der Betroffene lernt dabei:
- seine Auslöser, etwa Stress, Einsamkeit oder andere unangenehme Gefühle zu erkennen und zu beobachten.
- verschiedene Strategien, um das Haareausreißen einzudämmen oder ganz aufzugeben, verschiedene Entspannungstechniken, um besser mit dem im Vorfeld aufgebauten Spannungen umzugehen.
Leidet der Patient zusätzlich an Ängsten, Depressionen oder anderen Zwangsstörungen, „kann die zusätzliche Gabe von Medikamenten Serotoninwideraufnahmehemmer (SSRI) sinnvoll sein“, so das Kindernetzwerk e.V.
Ist Trichotillomanie heilbar?
Eine Behandlung kann die Trichotillomanie-Symptome deutlich lindern – wie viele andere psychische Krankheiten ist auch die Trichotillomanie aber nicht komplett „heilbar“. Es kann zu Rückfällen kommen.
Was kann ich selbst tun? Selbsthilfegruppen
Da aus Scham nur die wenigsten öffentlich über ihre Krankheit reden, haben viele Trichotillomanie-Patienten das Gefühl, mit ihrer Krankheit allein zu sein. Hier können Selbsthilfegruppen hilfreich sein. Die Betroffenen können mit anderen, die dasselbe durchmachen, über ihre Krankheit reden. Eine Liste von Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige findest du hier.
Auch im Internet gibt es Möglichkeiten sich in einer Community gegenseitig Kraft zu geben und zu motivieren. Auf Twitter zum Beispiel gibt es den Hashtag „#pullfree“. Hier posten Trichotillomanie-Patienten über ihre Erfahrungen.
Auch auf YouTube gibt es zahlreiche Videos von Betroffenen, die über ihre Symptome sprechen, Trichotillomanie erklären und anderen mit der Krankheit Tipps geben. Eines dieser vielen Videos ist das hier: