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Waldorfpädagogik – Was steckt hinter dem Schulkonzept?

©Unsplash/Annie Spratt

Neben der Lehre von Maria Montessori ist die Waldorf-Pädagogik das populärste der alternativen Schulkonzepte. Rudolf Steiner entwickelte dieses Lehrprinzip, welches allen Schülern die gleiche Bildung zukommen lässt – unabhängig von Begabung und sozialer Herkunft. Der Schulalltag ist geprägt von künstlerischem und handwerklichem Unterricht, eine Auslese in Form von Sitzenbleiben gibt es nicht.

Die Grundprinzipien der Waldorf-Pädagogik

Oberstes Ziel von Steiners Lehrprinzip ist die innere menschliche Freiheit der Kinder und Jugendlichen. Im Vordergrund steht die Stärkung der ureigenen Kreativität und der sozialen Kompetenzen durch gemeinsames Lernen. Rudolf Steiner teilt das Leben der Schüler dafür in Siebenjahresepochen ein:

  • In den ersten sieben Lebensjahren steht für das Kind die Nachahmung der Erwachsenen im Vordergrund. In dieser Zeit findet die Entwicklung des „physischen Leibs“ und die Ausbildung der Sinne statt. Wichtig für diese Altersstufe ist ein Alltag im immer gleichen Rhythmus und dem stetigen Wiederholen aller Beschäftigungen.
  • In der zweiten Siebenjahresepoche bildet sich der „ätherische Leib“ heraus. Jetzt werden die Werte gebildet, die Phantasie wird durch Bilder und Beispiele angeregt. Das Kind braucht jetzt die Autorität des Erwachsenen, um zu ihm aufsehen zu können.
  • Die dritte Epoche bildet den „Astralleib“ heraus, jetzt werden die intellektuellen Fähigkeiten entwickelt, die Urteilsbildung und der Drang nach Wahrheit und Wahrhaftigkeit stehen im Vordergrund. Der Sinn des eigenen Lebens will erforscht und der Zweck aller Dinge verstanden werden.
  • Nach dem 21. Lebensjahr ist das „Ich“ vollständig herangereift, die eigene Entwicklung kann nun nur noch durch Selbsterziehung verfeinert werden.

Während dieser Siebenjahresrhythmen teilt Steiner die Heranwachsenden in vier Menschenbilder ein, die sich nach dem Temperament des Kindes richten und sich in den verschiedenen Epochen auch ändern können: das melancholische, phlegmatische, sanguinische und das cholerische Temperament. Die jeweilige Mischung macht die Individualität des Einzelnen aus. In Steiners Pädagogik werden diese Menschenbilder berücksichtigt, zum Beispiel beim Zusammensetzen und der Zusammenarbeit einzelner Schüler miteinander. Das Waldorf-Konzept sieht vor, dass Kinder mit unterschiedlichen Stärken und Begabungen gemeinsam lernen, was sich positiv auf die sozialen Kompetenzen und die Entwicklung aller Beteiligten auswirken soll. Gelernt wird grundsätzlich ohne Zwang, nur aus der eigenen Motivation heraus.

Der Unterricht an Waldorfschulen

Der Lehrplan sieht nicht nur reine Wissensvermittlung, sondern auch Erziehung vor. In allen Klassenstufen werden wissenschaftliche, sprachliche und künstlerische Fächer unterrichtet. Sitzenbleiben können Waldorfschüler nicht, eine Auslese soll vermieden werden. Außerdem werden die Leistungen nicht mit Noten gemessen, die Zeugnisse und Arbeiten beinhalten vielmehr detaillierte Ausführungen über Leistungen, Begabungen und Bemühungen. Gemäß der Regeln des jeweiligen Bundeslandes kann mit der Mittleren Reife, der Fachhochschulreife oder der Allgemeinen Hochschulreife (Abitur) abgeschlossen werden.

Waldorfschüler malen, singen, bildhauen, spielen Theater, nähen, tanzen und Vieles mehr. Dabei ist nicht das Ergebnis entscheidend, sondern die eigentliche Tätigkeit. Diese Unterrichtsfächer sollen die künstlerischen und handwerklichen Fähigkeiten fördern, gleichwertig zu den intellektuellen. Auch auf Sprachen liegt ein besonderes Augenmerk, von der ersten Klasse an. Ein von außen viel belächeltes Unterrichtsfach ist „Eurythmie“ – die Bewegungskunst. Hierbei werden Laute, Töne und Buchstaben mit Gymnastik, Tanz und Pantomime dargestellt und gestaltet. Zur Erprobung sozialer und persönlicher Kompetenzen finden ab der achten Klasse viele Praktika statt.

Zugang zu Waldorfschulen haben grundsätzlich alle Kinder, gleich ihrer Begabungen, Herkunft oder Religion. Allerdings ist ein Schulgeld zu entrichten, dass sich an dem Einkommen der Eltern orientiert.

Der Begründer der Waldorf-Pädagogik

Rudolf Steiner wurde 1861 im heutigen Kroatien (damals Kaisertum Österreich) geboren. Der Unterricht verlangte dem jungen Steiner zu wenig ab, sodass er sich selbst Wissen aneignete. Nach der Mittleren Reife konnte er dank eines Stipendiums auch ohne Abitur die Hochschule besuchen und studierte in Wien Mathematik und Naturwissenschaften. Sein damaliger Berufswunsch war es, Lehrer für Realschulen zu werden. Interessehalber wohnte er in seiner Studienzeit zusätzlich vielen Vorlesungen der Philosophie, Geschichte und Literatur bei. 1891 promovierte er in Rostock schließlich zum Doktor der Philosophie.

 

Nach dem Studium bestritt er seinen Lebensunterhalt mit dem Herausgeben naturwissenschaftlicher und philosophischer Schriften, unter anderem von Goethe und Schopenhauer. Außerdem arbeitete er als Erzieher und Hauslehrer, bevor er am Weimarer Archiv Goetheforscher wurde.

1919 gründete Steiner die erste Waldorfschule in Stuttgart, wo seine pädagogischen Erkenntnisse erstmals Anwendung fanden. Auch seine geisteswissenschaftlichen Forschungen kamen in der Medizin, der Kunst und der biologisch-dynamischen Landwirtschaft zum Tragen. Im Jahre 1925 verstarb Rudolf Steiner in der Schweiz.

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