Ich weiß noch, dass ich eine Eigenschaft ganz besonders an meiner kleinen Tochter schätzte, als sie erst ein Jahr alt war: ihren unglaublichen Mut. Sie traute sich einfach alles, war nicht, wie viele andere Kinder in unserem Bekanntenkreis, verschreckt vor Neuem oder zurückhaltend. Wenn die anderen Kinder am Beckenrand saßen, sprang nur eines mit voller Wucht ins Wasser. Meine Tochter. Wenn andere Kinder sich schüchtern hinter Mamas Rockzipfel versteckten, rannte nur eines laut singend durch die Gegend. Meine Tochter.
„Wieso hatte sie plötzlich vor so vielen Dingen Angst?“
Doch mit einem Mal änderte sich das. Plötzlich schlich sich die Angst ein – überall. Sie traute sich nicht mehr in die Badewanne, wollte nicht mehr bei unseren Freunden auf den Arm und fürchtete sich in der Dunkelheit, bei lauten Geräuschen und vor alten, großen und knorrigen Bäumen.
Wir waren erst verwirrt, dann besorgt. Wieso hatte sie plötzlich vor so vielen Dingen Angst? Für mich stand nach einiger Zeit fest: Es muss ein enormer Entwicklungsschub stattgefunden haben. Früher hatte sie im Wasser keine Angst, weil sie nicht wusste, dass man untergehen kann. Jetzt mit fast zwei Jahren versteht sie schon unglaublich viel und hat eine blühende Fantasie – bei Kindern nennt man dies auch ‚magisches Denken‘. Deswegen bestimmt auch die Angst vor großen Bäumen – die erinnern einen ja auch wirklich manchmal an Riesen.
„Kein Kind sollte dabei alleine sein.“
Mit dem Verstand und der Fantasie kommen auch die Ängste. Wichtig ist es jetzt als Eltern richtig zu reagieren und das Kind auf keinen Fall mit seiner Angst alleine zu lassen oder es vielleicht sogar dafür zu schimpfen. Ängste können lähmen, einem das Gefühl geben zu ersticken, machtlos zu sein – kein Kind sollte dabei alleine sein. Meine Tochter sagt mir in bestimmten Situationen mit den deutlichen Worten „Baum Angst! Mama Dunkel Angst!“ was in ihr vorgeht.
Wir konfrontieren unsere Tochter zwar mit ihren Ängsten, aber versuchen ihr zu zeigen, dass wenn wir dabei sind ihr nichts passieren kann. Seit ihrer Angst vor Wasser haben wir uns täglich damit beschäftigt, aber nur immer so weit, wie sie es zuließ. Wir haben das Glück einen Pool im Garten zu haben und so haben wir uns jeden Tag ans Wasser gesetzt oder sind an den See gefahren. Die ersten Male traute sie sich gar nicht hinein, dann mit einem Zeh und dann etwas mehr, um ihre Gießkanne zu füllen. Wir begleiteten sie dabei, zwangen sie aber nie dazu mehr zu machen, als sie selbst wollte.
„Dies werden mit Sicherheit nicht die letzten Ängste in ihrem Leben gewesen sein.“
Irgendwann begann sie mit mir gemeinsam wieder auf eine Luftmatratze zu steigen, dann mit mir im Wasser zu stehen und so weiter. Nach einem Monat jetzt der große Erfolg: Seit dieser Woche schwimmt sie wieder alleine. Das hat sie als kleines Baby schon gemacht, aber durch die Angst wieder aufgegeben.
Vor der Dunkelheit hat sie noch immer Angst, aber nicht wenn ich dabei bin. Und dies werden mit Sicherheit nicht die letzten Ängste in ihrem Leben gewesen sein. Je größer die Kinder werden, desto mehr verstehen sie das Leben und merken, dass eben nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Gut wenn sie dann Eltern an der Seite haben, die ihnen helfen diese Angst zu besiegen – oder sie zumindest nicht alleine durchstehen zu müssen.