Geschlecht berechnen: Mädchen oder Junge?

vonMichaela Brehm | Redaktionsleitung
Bruder und Schwester stehen im Wald
Kann man das Geschlecht berechnen?
© Unsplash/ Annie Spratt

Es gibt verschiedene Kalender und Formeln, die angeblich dabei helfen, das Geschlecht berechnen zu können. Kann man wirklich gezielt ein Mädchen zeugen? Wir haben uns verschiedene Studien angeschaut und untersucht, wie genau es funktionieren kann, das Geschlecht zu berechnen.

Das Wichtigste in Kürze: 

  • Der amerikanische Arzt Dr. Landrum Shettles war einer der ersten, der sich wissenschaftlich mit der Frage auseinandersetzte.
  • Er entwickelte die Shettles-Methode: Mithilfe eines Eisprungrechners soll es möglich sein, das Geschlecht des Babys berechnen und damit planen zu können. Entscheidend ist, wie viele Tage vor dem Eisprung ihr Geschlechtsverkehr habt.
  • Shettles Methode konnte bisher durch keine andere wissenschaftliche Studie bestätigt werden.
  • Aktuelle Studien widerlegen auch die Methode des chinesischen Empfängniskalenders.
  • Das Alter der Eltern, die Ernährungsgewohnheiten, das Stresslevel der Mutter und angeblich die Jahreszeit können mögliche Einflussfaktoren für das Geschlecht des Babys sein.

Junge oder Mädchen berechnen mit dem Eisprungkalender

„Lässt der Mann beim Sex die Socken an, kommt ein Junge zur Welt“ – solche Volksmythen gibt es viele. Selbst gewissen Schwangerschaftssymptomen (z. B. starke Übelkeit) wird nachgesagt, auf ein bestimmtes Geschlecht hindeuten zu können. In solchen Aussagen steckt aber mehr Spaß als Ernst. Wissenschaftler haben sich dennoch mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich das Geschlecht berechnen und damit beeinflussen lässt.

Der amerikanische Arzt Dr. Landrum Shettles war einer der ersten. Er hat in umfassenden Studien untersucht, ob sich gezielt ein Mädchen oder ein Junge zeugen lässt. Seine Ergebnisse hat er in dem Buch „How to Choose the Sex of Your Baby“ veröffentlicht, das bereits 1970 erschien. Darin beschreibt er eine Theorie, nach der es tatsächlich möglich sein soll, das Geschlecht planen zu können. Und zwar nur mithilfe eines Eisprungrechners.

Geschlecht berechnen nach Shettles-Methode

Wissenschaftlich unbestritten ist: Spermien, die ein Y-Chromosom tragen, zeugen Jungs, solche mit einem X-Chromosomen Mädchen. Was die Shettles-Methode besagt, wie ihr Junge oder Mädchen berechnen könnt, ist im Grunde Folgendes: Weibliche Spermien sind langsamer als männliche, bleiben dafür länger am Leben. Demnach werden Mädchen mehrere Tage vor dem Eisprung gemacht, Jungs am Tag des Eisprungs. 

Begründung: Bei Geschlechtsverkehr einige Tage vor dem Eisprung haben weibliche Spermien einen Vorteil, weil sie länger überleben. Bis eine Befruchtung möglich wäre, sind die schnellen, männlichen Spermien bereits abgestorben. Die Wahrscheinlichkeit für ein Mädchen steigt. Geschlechtsverkehr direkt am Tag des Eisprungs verschafft den männlichen Spermien den Schnelligkeitsvorsprung und macht somit einen Jungen wahrscheinlicher.

Kann der Eisprung genau bestimmt werden, kann dies für das richtige Timing nützlich sein. Oder anders ausgedrückt: Shettles war sich sicher, mithilfe eines Eisprungrechners das Geschlecht des Babys berechnen zu können.

: zum Eisprungkalender

Angeblich liegt die Erfolgsquote bei 75 – 80 %

In einer 2006 veröffentlichten Neuauflage von Shettles Buch sprechen die Autoren von einer Erfolgsquote von 75 Prozent, wenn es darum geht, gezielt ein Mädchen zu zeugen. Bei Jungs läge die Quote sogar bei 80 Prozent. Allerdings konnte die Shettles-Methode durch keine andere wissenschaftliche Studie bestätigt werden. Die meisten modernen Studien zweifeln seine Theorie sehr stark an.

Was die Erfahrung uns sagt: Es ist natürlich immer eine große Portion Zufall im Spiel. Der genaue Zeitpunkt des Eisprungs ist schwer exakt zu ermitteln, Verschiebungen im Zyklus können immer stattfinden und somit gibt es auch genügend Paare, bei denen die Shettles-Methode in der Praxis kein entsprechendes Ergebnis liefern konnte.

Junge oder Mädchen berechnen mit dem chinesischen Empfängniskalender

Wer anfängt, sich darüber zu informieren, ob sich das Geschlecht des Babys berechnen lässt, der wird garantiert auch auf den chinesischen Empfängniskalender stoßen. Angeblich wird ihm eine Genauigkeit von rund 85 Prozent nachgesagt. Darum ziehen ihn werdende Eltern gerne zu Rate, wenn es darum geht, das Geschlecht des Babys frühzeitig zu wissen oder es zu planen.

Wissenschaftler zweifeln die Methode und die Trefferquote des Kalenders immer wieder an. So erschien beispielsweise im Jahr 2010 eine groß angelegte Studie, für die über 2,8 Millionen Geburten aus Schweden analysiert wurden, die zwischen 1973 und 2006 stattfanden. Professor Eduardo Villamor von der University of Michigan hat die Untersuchung durchgeführt. Er glich das tatsächliche Geschlecht der Babys mit den Vorhersagen des Kalenders ab.

Am Ende kam er lediglich auf eine Trefferquote von rund 50 Prozent. Damit sei der chinesische Empfängniskalender „nicht besser zur Bestimmung des Geschlechtes eines Babys geeignet als das Werfen einer Münze“, schreibt Villamor in seiner Studie. Ist es also wirklich gar nicht möglich, Junge oder Mädchen berechnen zu können?

Junge oder Mädchen: weitere Einflussfaktoren

Ohne dass Studien unter der Kernfrage stehen „Lässt sich das Geschlecht berechnen und planen?“ geben sie Hinweise darauf, dass verschiedene Faktoren beeinflussen können, ob ihr einen Jungen oder ein Mädchen bekommt. Dazu gehören: das Alter von Vater und Mutter, die Ernährung, Stress vor der Schwangerschaft (Bluthochdruck) und die Jahreszeit.

Hier sind exemplarisch ein paar Studien vorgestellt.

  • Das Alter der Eltern: Mädchen mit zunehmendem Alter wahrscheinlicher

Sowohl das Alter der Mutter als auch das Alter des Vaters nehmen offenbar Einfluss auf das Geschlecht des Kindes. Es gibt einige Belege, dass Frauen mit zunehmendem Alter wahrscheinlicher ein Mädchen bekommen. Auch bei Männern sinkt die Wahrscheinlichkeit, einen Jungen zu zeugen, mit dem Alter.

  • Die Ernährung: Mehr Jungen durch mehr Kalorien

Anhand einer britischen Studie mit 740 Erstgebärenden wurden die Ernährungsweisen vor und während der Empfängnis ermittelt, sowie in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich 56 Prozent der Frauen die einen Jungen bekamen, energiereich ernährt haben. Im Vergleich dazu hatten 46 Prozent der Frauen mit Mädchen die geringste Energiezufuhr in der Ernährung. Hinzu kam, dass die Mütter von Söhnen durch ihre Ernährung zuvor mehr Kalium, Kalzium, Vitamin C, E und B12 zu sich genommen hatten. Ähnliches wird in der Tierwelt beobachtet: Tiere, die eine bessere Ernährung erfahren (etwa durch eine höhere Position im Rudel), haben häufiger männlichen Nachwuchs. Obwohl also das Geschlecht durch die Spermien des Mannes bestimmt wird, scheint die Ernährung der Frau dennoch einen gewissen Einfluss zu haben. Offenbar erhöht ein höherer Blutzuckerspiegel bei Frauen die Chance auf einen Jungen. In Industrienationen entscheiden sich viele Frauen für eine kalorienarme Ernährung, dies könnte den Rückgang der männlichen Geburten erklären.

  • Die Jahreszeit: Im Herbst werden mehr Jungs gezeugt

Offenbar vertragen männliche Spermien Hitze schlechter als weibliche. Zwei unabhängige Studien konnten dieses Phänomen beobachten. Kristen Navara von der Universität von Georgia in Athens berichtet in den Biology Letters der britischen Royal Society, dass sie feststellen konnte, dass in warmen Ländern grundsätzlich mehr Mädchen zur Welt kommen. Dr. Angelo Cagnacci von der Universität Modena in Italien konnte das sogar auf Jahreszeiten herunterbrechen. Seine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Paare eine größere Chance haben, einen Sohn zu bekommen, wenn sie das Kind im Herbst zeugen; umgekehrt stehen die Chancen auf eine Tochter im Frühjahr besser.

  • Das Stresslevel der Mutter vor der Schwangerschaft

Forscher aus Kanada und China haben herausgefunden, dass ein hoher Blutdruck der Frau vor der Schwangerschaft die Wahrscheinlichkeit einen Jungen zu bekommen erhöht. Laut ihrer Studie konnten die Wissenschaftler angeblich nur anhand des Blutdrucks die Wahrscheinlichkeit für einen Jungen oder Mädchen berechnen. Gegenüber dem „deutschen Ärzteblatt“, dem Fachmagazin der Bundesärztekammer und der Kassenärztliche Bundesvereinigung, äußern Experten wie Bernhard Krämer von der Universitätsklinik Mannheim jedoch große Bedenken. Krämer hält es nicht für möglich, dass Paare ein Mädchen zeugen können, indem die Frau vor der Schwangerschaft versucht ihren Blutdruck zu senken. Es handle sich bei der Studie um rein statistische Aussagen, die für Frauen im Alltag nicht anwendbar seien.

Unabhängig von der Frage, ob es möglich ist, das Geschlecht des Babys berechnen zu können, gibt es aus biologischer Sicht einige Einflussfaktoren auf die Befruchtung. So spielt das Milieu in der Vagina für Spermien immer eine Rolle. Ja nachdem wie sauer es ist, kann es die Beweglichkeit von Spermien fördern oder hemmen beziehungsweise ihre Lebensdauer beeinflussen. So ist beispielsweise der Zervixschleim an unfruchtbaren Tagen grundsätzlich sauer und stellt eine lebensfeindliche Umgebung dar. Erst zum Zeitpunkt des Eisprungs wird er weniger sauer.

Auch die Position beim Geschlechtsverkehr kann eine Rolle spielen. Grundsätzlich sind Stellungen, bei denen eine tiefe Penetration möglich ist, förderlich für eine Befruchtung – egal ob ihr einen Jungen oder ein Mädchen bekommen wollt.

Geschlecht beeinflussen: gängige Annahmen

Fernab der Wissenschaft gibt es noch einen großen Bereich der Mythen und Annahmen, die euch helfen sollen, das Geschlecht des Kindes zu beeinflussen. Da tatsächlich viele Paare davon überzeugt sind, dass einer oder mehrere der nachfolgend aufgeführten Punkte ihnen geholfen haben soll, wollen wir sie nicht ungenannt lassen. Aber bitte bedenkt, am wahrscheinlichsten ist immer noch eine 50:50-Chance, ob ihr ein Mädchen oder einen Jungen bekommt.

Ihr erhöht die Chancen einen Jungen zu zeugen, wenn

  • ihr eine Woche vor dem Eisprung keinen Verkehr hattet und dann nur einmalig am Tag des Eisprungs.
  • der weibliche Partner zuerst zum Orgasmus kommt. Dabei wird eine alkalische Flüssigkeit ausgeschüttet, welche die männlichen Spermien besser vertragen.
  • eine tiefe Penetration stattfindet, etwa beim Verkehr von hinten.
  • der Mann über eine hohe Spermienzahl verfügt.
  • der Mann seine Genitalien kühl hält, zum Beispiel indem er leichte Shorts oder lockere Hosen trägt.
  • der weibliche Partner Fisch, Fleisch, Pasta, frisches Obst und salzige Nahrung zu sich nimmt, jedoch auf Milchprodukte verzichtet.

Ihr erhöht die Chancen ein Mädchen zu zeugen, wenn

  • ihr schon einige Tage vor dem Eisprung Geschlechtsverkehr habt.
  • ihr eine geringe Penetration habt.
  • der männliche Partner zuerst zum Orgasmus kommt.
  • ihr häufig Sex habt, so dass die Spermienanzahl verringert ist.
  • der Mann seine Genitalien durch enge, warme Kleidung warm hält.
  • der weibliche Partner sich salzarm, kalorienarm und mit vielen Milchprodukten ernährt.

Chancen auf ein Mädchen erhöhen

Einflussnahme aufs Geschlecht moralisch betrachtet

Früher waren männliche Nachkommen als „Stammhalter“ wichtig. Heute können Paare ihren Namen bei der Eheschließung beibehalten oder frei wählen, Mädchen beerben ihre Eltern genauso wie Jungen und die Idee des Stammhalters ist längst überholt – auch wenn Männer bei der Geburt eines Sohnes immer noch gern dieses Wort benutzen.

Die medizinische Selektion des Geschlechts ist in den meisten Ländern nur erlaubt, wenn ein medizinischer Grund vorliegt. Zum Beispiel, wenn die jeweils männlichen oder weiblichen Nachkommen von einer Erbkrankheit betroffen wären.

Spricht man im Freundeskreis über sein „Wunschgeschlecht“, so kann dies sogar zu hitzigen Debatten führen, dass man sich doch bitte auf ein „gesundes“ Kind konzentrieren solle, statt zwanghaft Junge oder Mädchen berechnen zu wollen. Sicher hat jeder Standpunkt seine Berechtigung, dennoch darf es erlaubt sein, ein wenig zu träumen und zu wünschen. Ist das Baby auf der Welt, spielt das alles keine Rolle mehr und Eltern lieben ihr Kind, egal, ob der Wunsch in Erfüllung gegangen ist oder nicht.

Quellen