Experten fordern neues Fortpflanzungsmedizingesetz
Eine Expertengruppe der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat jetzt zusammen mit Fachleuten der Akademieunion konkrete Forderungen erstellt. In dem 128-seitigen Dokument „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung (2019)“ werden die Forderungen im Detail erklärt.
Ganz einfach gesagt geht es darum, das Embryonenschutzgesetz von 1990 zu aktualisieren. Manche Regelungen sind laut den Experten zu restriktiv und da das Gesetz damit schon fast 30 Jahre alt ist, „erfasst [es] viele neue reproduktionsmedizinische Entwicklungen nicht“, heißt es in der Stellungnahme. Das Embryonenschutzgesetz verbietet zum Beispiel eine Eizellenspende oder die Leihmutterschaft.
Mit der Stellungnahme soll in erster Linie eine Diskussion ausgelöst werde. Claudia Wiesemann, Vize Vorsitzende des Ethikrats betont gegenüber dem Spiegel: „Dieser Diskussion weiterhin aus dem Weg zu gehen, das fände ich sehr problematisch.“
Einige Forderungen/Empfehlungen aus der Stellungnahme:
#1 Kinderlosigkeit sollte als Behinderung anerkannt werden – Kosten für die Behandlung sollen übernommen werden
Aktuell werden künstliche Befruchtungen oft nicht als medizinisch notwenige Behandlung gesehen. Krankenkassen tragen in Deutschland nur rund 50 Prozent der Kosten – und das auch nur bei verheirateten Paaren. Seit Oktober 2017 ist das Gesetz auf lesbische, aber nicht auf schwule Paare erweitert worden. Wenn die Behandlung im Ausland stattfinden muss (zum Beispiel wegen einen hier verbotenen Eizellenspende) zahlen Kassen gar nicht.
Die Forderung hier: Krankenkassen sollen alle Kosten übernehmen, wenn die Behandlung medizinisch notwendig ist und Aussicht auf Erfolg hat.
#2 Eizellenspenden sollten erlaubt werden
In Deutschland sind derzeit nur Samenspenden erlaubt. Die Eizellenspende ist verboten. Mit dem Verbot sollen potenzielle Spenderinnen geschützt werden. Vor einer Eizellenspende muss sich die Spenderin nämlich einer Hormonbehandlung unterziehen – außerdem gibt es Operationsrisiken.
Laut Wiesemann sind die Gesundheitsrisiken für Spenderinnen jedoch eher gering: Es gehe vielmehr um die Gleichberechtigung der Frauen. Männer, die an Krebs erkranken, können vor einer potenziell sterilisierenden Krebsbehandlung Samen spenden und später Kinder zeugen. Frauen haben diese Option nicht.
#3 Es sollte klarere Gesetze zur Leihmutterschaft geben
Die Forderung bezieht sich hier in erster Line auf die Rechte der Eltern eines Kindes, das im Ausland durch eine Leihmutterschaft geboren wird. Wenn Kinder aus einer im jeweiligen Land legalen Leihmutterschaft geboren werden, soll „eine rechtlich sichere Zuordnung des Kindes zu den Wunscheltern ermöglicht werden“. Das bezieht sich auf Dinge wie Unterhalt, Sorgerecht und Staatsangehörigkeit.
Wenn die Leihmutterschaft auch in Deutschland legalisiert wird, sollen bestimmte Bedingungen gewährleistet werden. Zum Beispiel soll vermieden werden, dass Frauen aus Geldnot eine Leihmutterschaft eingehen. Außerdem wären umfangreiche medizinische und psychosoziale Untersuchungen wichtig.
#4 Mehrlingsgeburten sollten vermieden werden
Die Geburtenrate nach einer künstlichen Befruchtung liegt laut den Experten bei zwischen 15 und 20 Prozent. Um die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft zu erhöhen, werden deshalb meist mehrere Embryonen eingesetzt. Das führt aber oft zu Zwillings- oder Mehrlingsgeburten – das ist wiederum mit Risiken für Mutter und Kind verbunden.
Laut den Experten ist das sogenannte „Elective Single-Embryo-Transfer“ in anderen Ländern schon lange üblich. Hier wird nur ein Embryo eingesetzt – und zwar der mit den größten Entwicklungschancen.
#5 gespendete Embryonen und Vorkernstadien sollen rechtlich gleichgestellt sein
Eizellenspenden sind in Deutschland illegal. Die Embryonenspende aber nicht. Unfruchtbare Frauen können sich schon befruchtete Embryonen von anderen Frauen einsetzen lassen. Das sind dann quasi die „Überbleibsel“ von einer künstlichen Befruchtung. Ärzte befruchten nämlich vorsorglich immer mehr Eizellen, als sie später einsetzen können.
Ist das Spermium in die Eizelle eingedrungen, spricht man vom sogenannten Vorkern. Im Vorkernstadium werden dann Eizellen ausgesucht, die später zu Embryonen herangezogen und eingepflanzt werden sollen. Nicht genutzte Vorkerne werden derzeit vernichtet oder eingefroren. Sie dürfen aktuell nicht an dritte Frauen gespendet werden – Embryonen schon.