Corona-Langeweile – Bastelst du noch oder streamst du schon?

Mädchen liegt auf dem Sofa.
Bei der Frage "Mami, was machen wir jetzt?" haben Mamas keine Antworten mehr.
© Bigstock/ Raul Mellado

Die ersten Wochen mit Corona haben wir als Familie ganz gut geschafft, aber seit einiger Zeit macht sich bei uns ein neuer Gast breit: Langeweile. Obwohl ich die eigentlich sehr schätze, geht sie mir gerade zunehmend auf den Geist.

Gewöhnlich habe ich Ideen, was sich noch gut machen ließe. Natürlich finden meine Kinder meine Ideen nicht immer gut, aber meistens lässt sich zumindest ein Kind überzeugen und die anderen ziehen nach und nach mit, wenn wir erst einmal dabei sind. Meine Ideen schwinden aber mit sinkenden Nerven und zu wenig Schlaf. Das ist ein Phänomen, dass sich in den letzten Jahren immer mal wieder zeigte und mir deutlich machte: Die Akkus sind leer. Die Akkus sind aktuell eher so im zweistelligen Minusbereich und wie alle Eltern, weiß ich nicht, wann ich sie wieder aufladen kann.

Eine eigene Flotte

Mit Origami haben wir bereits eine ganze Flotte Schiffe gebastelt. Ok, ich gebe es zu. Die meisten davon habe ich gefaltet. Falten beruhigt mich irgendwie. Allerdings bin ich nicht sonderlich talentiert beim Basteln. Der Versuch eines Schmetterlings endete ebenso bei einem schönen Schiff. Mit den Wochen wird es schwerer, meine Kinder zum Basteln zu motivieren, denn offensichtlich gehen mir die Ideen aus. Wir haben fleißig Bilder gemalt, gestempelt, ausgeschnitten, Karten gemalt, großzügig geklebt und Schiffe gefaltet. Mich langweilen meine Vorschläge selber, aber selbst mit viel Kaffee fließen die Ideen nicht mehr.

Zeit einteilen mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad

Damit die Kommunikation in der Familie und die Absprachen besser funktionieren, lernen gerade alle ein bisschen die Uhr. Wir haben eine Pinguinuhr gebastelt und stellen an ihr herum. Wenn ich eine Zeit abspreche, zeige ich es an der Pinguinuhr, wie die Uhrzeit aussieht. Außerdem habe ich unser Magnetboard mit einem Plan für die ganze Familie wieder reaktiviert. Zur großen Begeisterung (oder eher nicht) lassen sich dort Termine (aktuell eher weniger) und Aufgaben (die werden mehr) einteilen. Da Duschen bereits eine echte Aufgabe sein kann, wird das dort bei einigen Kindern ebenfalls eingetragen. Und weitergeschoben, wenn es an dem Tag nicht erledigt wurde. So wie das Saugen des eigenen Zimmers oder andere spaßige Aufgaben, die hier langsam auch Kinder erledigen. Zum Frieden in der Familie trägt das nicht bei und außerdem sind all diese Aufgaben natürlich „laaaangweilig“.

Mami, was machen wir jetzt?

Die häufigste Frage ist bei uns aktuell: „Mami, was machen wir jetzt?“ Oft gefolgt von einem spannenden Vorschlag: „Wollen wir nicht vielleicht etwas im Fernsehen anschauen?“ Ich muss zugeben, der Fernseher läuft bei uns aktuell häufiger als gewöhnlich, aber als einzige Idee funktioniert das auch nicht. Außerdem sträubt sich etwas in mir, wenn die einzige Idee meiner Kinder der Fernseher ist. Aber da bei mir im Kopf leider die langweilige Einöde herrscht, habe ich oft nur die Idee, in den Garten zu gehen. Dort beginnt aktuell meistens sehr schnell der Streit um die Wasserbahn, die Wasserpistolen und sowieso hat immer der andere angefangen. Am Ende bringe ich den Fernseher ins Spiel, damit ich sie von der Wasserbahn, aus dem Streit und wieder ins Haus bekomme, bevor ich spontan in die Notaufnahme fahre. Das wäre zwar eine Abwechslung im öden Einerlei der Tage, aber wer will diese Abwechslung schon?

Backen mit Streit

Tochter 1 und Tochter 2 flitzen sofort in die Küche, wenn ich das Wort ‚Backen‘ nur denke. Dann schieben beide Stühle ran und klettern hoch. Die eine steht am Rührer und die andere an der Waage. Wenn eigentlich alles ausgewogen ist, geht der Streit los. Denn jede Tochter will mir helfen und dabei die wichtigste Helferin sein. Ich möchte eigentlich nur gerne schnell etwas backen und hätte dabei am liebsten meine Ruhe. Aber man kann nicht alles haben … Das müssen Tochter 1 und Tochter 2 beim Backen lernen. Es ist eine wichtige Lektion fürs Leben und aus diesem Grund üben wir sie oft. Allerdings gehen mir auch beim Backen langsam die Ideen aus und wenn ich noch einmal das Wort Zimtschnecke höre, werde ich schreiend im Kreis rennen. Vielleicht werde ich “You can’t always get what you want” singen.

Fit im Wohnzimmer

Wir haben jetzt vor lauter Langeweile und unausgelasteter Kinder angefangen, als Familie in unserem Wohnzimmer Tae Bo zu machen – natürlich vor dem Fernseher. Ich übersetze das Training für Sohn 1 und Sohn 2, Tochter 1 und Tochter 2 machen eh immer andere Sachen. Ganz ohne Erklärung springen bei uns aber alle in die Höhe und rufen „Good Job“. Zusätzlich walken mein Mann und ich im Wohnzimmer, während eine Amerikanerin immer wieder „Walk, walk, walk“ ruft, gefolgt von „I love it“. Hätte mir das jemand vor drei Monaten gesagt, hätte ich gelacht. Jetzt rufen wir mit und klatschen fleißig in die Hände (der Laune hilft es tatsächlich). Allerdings muss ich gestehen, dass wir bei dem Training der jungen Influencerinnen (noch) raus sind. Das ganze Gehüpfe machen mein Beckenboden und die Lunge meines Mannes nicht mit. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir uns bald annähern.

SOS – Zeit gegen Kreativität und Nerven zu tauschen

Auf der einen Seite warten jeden Tag viele Aufgaben auf uns. Homeschooling, Arbeit und Haushalt halten uns durchaus auf Trab. Aber die Tage fühlen sich oft sehr eintönig an. Wir machen die gleichen Dinge, wir essen das gleiche Essen und wir führen viele ähnliche Gespräche. Es fehlen die Kontakte mit den anderen Menschen, die wir schätzen. Wir sind nicht einsam, denn wir sind ja viele. Aber die Freunde fehlen jedem von uns doch, ebenso wie der Abstand zu den Liebsten. Ein bisschen von unserer vielen Zeit zusammen würde ich sofort gegen neue Ideen und Nerven eintauschen.