Masern in der Schwangerschaft – Die unterschätzte Gefahr

Der Bauch einer Schwangeren
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Köln. Durch viele Köpfe geistern Masern heute nur noch als eine harmlose Kinderkrankheit vergangener Tage: ein gefährlicher Irrglaube. Weder ist eine Maserninfektion harmlos, noch ist die hoch ansteckende Krankheit hierzulande überwunden. Im Gegenteil: Nach sinkenden Fallzahlen Anfang des Jahrtausends erlebt Deutschland gerade die Renaissance der Masern. Grund dafür ist die unzureichende Impfquote. „Impfungen gegen Masern sind grundsätzlich dringend angeraten. Sie bieten dem Geimpften direkten Schutz und entziehen der Krankheit den Nährboden für eine weitere Verbreitung.

Besonders aber Frauen mit Kinderwunsch sollten über die Gefahren durch Masern informiert sein. Neben den üblichen Risiken kann eine Infektion in der Schwangerschaft zu schweren Folgen für das Ungeborene führen. Daher sollte eine Impfung zeitig vor der Schwangerschaft selbstverständlich sein“, sagt Dr. Wolf Dieter Fiessler vom Vorstand der Frauenärztlichen Genossenschaft GenoGyn.

Dr. Fiessler, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Köln, sieht hier eine besondere Verantwortung: „Wir Gynäkologen sind als Impfärzte prädestiniert, da wir unsere Patientinnen oft schon ab jüngsten Jahren kennen und begleiten. Wir müssen sie vor Infektionsgefahren bewahren. Dazu gehört Aufklärung und die Vermittlung, dass die Impfung der wichtigste Schutz vor Masern und den möglichen Folgen ist.“

Masern-Viren, die durch Tröpfcheninfektion übertragen werden, rufen bei Menschen ohne Masern-Antikörper nach etwa zwei Wochen anfangs grippeähnliche Symptome hervor, ehe es danach zu dem typischen Hautausschlag am ganzen Körper kommt. In den ersten 72 Stunden nach Kontakt mit einem Infizierten besteht noch die Chance, die Infektion durch eine Impfung zur verhindern. Dies gilt jedoch nicht für Schwangere, da für sie der Lebendimpfstoff kontraindiziert ist. Bei Frauen mit Kinderwunsch sollten mindestens drei Monate zwischen Masernimpfung und Beginn der Schwangerschaft liegen.

Solltest du dich in der Schwangerschaft ebenfalls gegen Grippe impfen? In unserem Ratgeberartikel erfährst du mehr: Grippeimpfung in der Schwangerschaft: Ja oder Nein?

Dass Masern keinesfalls harmlos sind, zeigt eine lange Liste von Komplikationen, die mit der Erkrankung einhergehen können. Besonders oft werden Entzündungen von Lunge, Darm und Gehirn, aber auch von oberen Luftwegen, Mittelohr, Lymphsystem, Herzmuskel und Rückenmark genannt. Bei Schwangeren wurde beobachtet, dass diese Komplikationen im Verlauf einer Masernerkrankung häufiger als bei anderen auftreten. Experten gehen davon aus, dass etwa jede vierte Frau, die während der Schwangerschaft Masern hat, ihr Baby zu früh zur Welt bringt. Missbildungen der Säuglinge, wie etwa durch Röteln ausgelöst, sind nach Masernerkrankungen nicht bekannt. Aber je weiter die Schwangerschaft bei einer Masernerkrankung der Mutter schon fortgeschritten ist, desto mehr steigt das Risiko, dass das Baby bereits mit Masern geboren wird. Da Neugeborene noch kein voll entwickeltes Immunsystem haben, kann dies nach Einschätzung von Dr. Fiessler zu schweren Komplikationen führen.

Zudem stellen nicht geimpfte Personen als Überträger ein besonderes Risiko für Säuglinge dar, bei denen wohl auf 1 von 10.000 Maserninfektionen auch Jahre nach der Infektion eine entzündliche Erkrankung des Gehirns mit fortschreitender Symptomatik (subakute sklerosierende Panencephalitis) mit schwerer Hirnschädigung im Endstadium auftreten kann. Eine lebensrettende Therapie steht derzeit noch nicht zur Verfügung.

Angesichts der möglichen schwerwiegenden Folgen einer Maserninfektion ist für den GenoGyn-Vorstand die beobachtete Impfmüdigkeit in Deutschland nur schwer verständlich. Ob die Ursachen schlicht in Vergesslichkeit oder einem trügerischen Sicherheitsgefühl oder gar in der Furcht vor Nebenwirkungen liegen, rechtfertigt nach Dr. Fiesslers Ansicht nicht, Masern als harmlose Kinderkrankheit zu unterschätzen: „Hier müssen wir intensive Aufklärungsarbeit leisten, um die Maserngefahr endgültig zu bannen. Wer in der Kindheit zwei Mal gegen Masern geimpft wurde, ist lebenslang geschützt und auf der sicheren Seite.“ Für alle, die 1970 oder danach geboren und bislang nur ein Mal oder gar nicht geimpft worden sind, empfiehlt die Ständige Impfkommission der Bundesrepublik die Masernimpfung nachzuholen.

Gegenüber der Weltgesundheitsorganisation hatte Deutschland sich verpflichtet, bis 2010 masernfrei zu sein – und war gescheitert. Neues Ziel ist jetzt 2015, dass nach Ansicht der Experten des Robert-Koch-Instituts (RKI) jedoch ebenso verfehlt wird. Um als masernfrei zu gelten, darf es höchstens einen Fall auf eine Million Einwohner geben – drei Jahre in Folge. Für Deutschland wären dies maximal 82 Fälle pro Jahr. Tatsächlich wurden 2011 beim RKI mehr als 1600 Fälle registriert, etwa doppelt so viele wie 2010.

 

 

Fazit: Auch wenn bleibende Folgen von Masern eher selten auftreten, sind mögliche Auswirkungen mit schwerwiegenden Erkrankungsverläufen bis hin zur entzündlichen Erkrankung des Gehirns mit tödlichem Ausgang Grund genug, dass es in der Pflicht und der Verantwortung eines jeden stehen sollte, sich gegen Masern impfen zu lassen. Dies trifft in besonderem Maße auf Frauen mit Kinderwunsch und deren familiäres Umfeld zu.