Hygienekonzept der Kultusministerien
Ein kurzer Rückblick: Noch vor den Sommerferien haben sich die Kultusminister der Länder darauf geeinigt, zu einem Regelbetrieb an den Schulen zurückkehren. Dafür haben sie ein entsprechendes Hygienekonzept erarbeitet. Dazu gehört zum Beispiel, dass Klassenzimmer nach jeder Unterrichtsstunde gelüftet werden sollen und in den Schultoiletten ausreichend Seife und Einmalhandtücher zur Verfügung stehen müssen. Auf einen Mindestabstand zwischen den Schülern beziehungsweise mit den Lehrern soll während des Unterrichts verzichtet werden. Dafür sollen Klassen nach Möglichkeit nur unter sich bleiben, um die Infektionsketten gegebenenfalls nachvollziehen zu können.
Rückkehr zum Regelbetrieb sei eine „Illusion“
Dass sich dieses Hygienekonzept im normalen Schulalltag aber kaum realisieren lässt, kritisiert der deutsche Lehrerverband. „An vielen Schulen lassen sich die Fenster in höher gelegenen Klassenräumen aus Sicherheitsgründen nicht oder nur einen Spalt öffnen“, nennt der Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger gegenüber der dpa als einfaches Beispiel. Außerdem sei die Idee fester Lerngruppen spätestens für eine gymnasiale Oberstufe mit Kurssystem nicht praktikabel. Denn hier würden die Schüler ohnehin ständig mit anderen Mitschülern zusammensitzen.
Hinzu kommt, dass schätzungsweise bis zu 20 Prozent der Lehrer zur Risikogruppe gehören und für den Präsenzunterricht damit ausfallen könnten. So zeigt eine Datenanalyse des Statistischen Bundesamts, dass jede achte Lehrkraft in Deutschland über 60 Jahre alt ist. Weitere 25,4 Prozent der Pädagogen sind zwischen 50 und 59 Jahre alt. Kurzum: Die Lehrerverbände und -gewerkschaften erwarten ein großes Durcheinander nach den Sommerferien. Der Regelbetrieb sei eine „Illusion“ formulieret es der Bundesvorsitzender Udo Beckmann der Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) in einem Interview mit der „Welt“.
Maskenpflicht im Unterricht beschlossen
Kurz vor dem Ende der Sommerferien preschten einige Landesregierungen dennoch nach vorne und haben für das neue Schuljahr eine Maskenpflicht an Schulen beschlossen. Inzwischen sind die meiste anderen Bundesländer nachgezogen und haben es verpflichtend gemacht, dass Masken auf dem Schulgelände getragen werden müssen. Einige Länder, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, gehen noch einen Schritt weiter und machen für ältere Schüler, ab der 5. Klasse, die Masken auch im Unterricht zur Pflicht. Wer sich daran wiederholt nicht halten werde, müsse auch mit einem (vorübergehenden) Verweis von der Schule rechnen, so die Yvonne Gebauer, Schulministerin von Nordrhein-Westfalen, in einem Interview mit dem WDR.
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Leopoldina hält Maskenpflicht für sinnvoll
Auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina kommt zu der Einschätzung, dass angesichts des aktuellen Infektions-Geschehens eine Maskenpflicht an Schulen notwendig sei. In einer aktuellen Stellungnahme teilt die Akademie ihre Empfehlungen. Demnach halte sie eine Maskenpflicht auch im Unterricht für sinnvoll – allerdings erst ab der 5. Klasse. An Grundschulen solle die Maske auf dem Schulgelände getragen werden, nicht aber während der Schulstunden. An der Stellungnahme der Leopoldina wirkten 24 Professorinnen und Professoren mit, darunter der Charité-Virologe Christian Drosten und der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler.
Ärzte sind gegen eine Maskenpflicht
Zu einer völlig anderen Einschätzung kommen dagegen die deutschen Kinder- und Jugendärzte. Sie halten eine Maskenpflicht an Schulen nicht für notwendig. Das haben der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. in einer gemeinsamen Stellungnahme mit der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DAKJ) begründet. Aufgrund der aktuellem Datenlage sei nach wie vor davon auszugehen, dass Kinder und Jugendliche das Coronavirus seltener als Erwachsene übertragen. Demnach sei auch das Risiko für „Lehrer und Betreuungspersonal gering, sich – trotz angemessener Präventionsmaßnahmen – durch Kontakte im Kita- und Schulbetrieb anzustecken.“ Ihrer Meinung nach sind erneute Schul- und Kitaschließungen als Maßnahme, eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, nicht gerechtfertigt!
Politik hat Kindeswohl zu wenig beachtet
Parallel zu der Stellungnahme der Ärzteverbände ist die Studie „Homeschooling und Gesundheit 2020“ veröffentlicht worden. Dafür wurden im Juni und Juli bundesweit 150 niedergelassene Kinder- und Jugendärzte online befragt. Die üben deutliche Kritik an der Politik. Bei allen Entscheidungen zu den Schul- und Kitaschließungen wäre das Kindeswohl zu wenig beachtet worden. Die Folgen ließen sich schon jetzt sehen. Viele Ärzte berichten, dass sie eine Zunahme an psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen beobachten können.
Vorerst keine Einigung in Sicht
Wie schon bei den Schulschließungen gibt es auch bei den Schulöffnungen viele verschiedene Meinungen zum „richtigen Weg“. Vorerst werden wieder die Landesregierungen darüber entscheiden, welche Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen gelten. Zum Teil – etwa in Sachsen – dürfen auch die Schulleitungen selbst entscheiden, welche Regelungen sie für angemessen halten. Geht es nach CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sei eine bundesweite Maskenpflicht auch im Schulunterricht auf jeden Fall eine denkbare Option: „Wenn das obligatorische Tragen von Masken im Unterricht dazu führt, dass wir die Schließung der Schulen umgehen, dann sollten wir darüber nachdenken. Die Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen scheinen nicht so schlecht zu sein“, sagte sie der Welt am Sonntag.
Sicher ist also nur: einen normalen Regelbetrieb wie vor dem Ausbruch des Coronavirus wird es auch im kommenden Schuljahr nicht geben.