11 Großfamilienklischees – es ist weder RTL2 noch Bullerbü

Das Leben mit vier Kindern. Weder Bullerbü nocht RTL2
Das Leben mit vier Kindern. Weder Bullerbü nocht RTL2.
Unsplash / Siarhei Plashchynski

Von „Eure Kinder haben nichts Eigenes“ bis „Bei euch gibt es keine Regeln“: Mama Saskia räumt mit den Klischees gründlich auf.

Sieben Millionen Menschen leben in Deutschland laut einer neuen Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BIB) in Großfamilien. In 1,4 Millionen Familien gibt es drei oder mehr Kinder.

Mit meinen vier Kindern gehöre ich damit zu einer Minderheit von vier Prozent der Frauen in Deutschland, die vier oder mehr Kinder haben. Wie das so mit Minderheiten ist – man hat einen Exotenstatus. Außerdem wissen Wildfremde direkt, wie es bei uns zuhause läuft. Die Vorstellungen gehen dabei in ganz verschiedene Richtungen und viele der Klischees sind mehr oder weniger erstaunlich.

#1 Das habt Ihr Euch nicht so ausgesucht.

Ein ganz wichtiges Thema bei vielen Menschen ist die Verhütung, also unsere Verhütung. Um eine Großfamilie noch irgendwie akzeptieren zu können, sollte bitte die Verhütung versagt haben. Das hinter der Entscheidung für viele Kinder nicht zwangsläufig religiöse Motive oder versagende Verhütung steht, ist offenbar merkwürdig.

#2 Bei Euch ist es immer laut.

Ja, vier Kinder im Alter von sieben bis einem Jahr machen Krach, wenn sie spielen oder sich streiten. Manchmal brummt mir auch der Kopf beim Abendbrot, wenn alle dringend etwas erzählen wollen. Tatsächlich gibt es aber Tage, die ruhig sind, und es gibt mehr und mehr Momente, in denen die Kinder sehr einträchtig miteinander spielen.

#3 Eine Mama mit vielen Kindern hat keinen vernünftigen Abschluss.

Eine ältere Dame war ausgesprochen beruhigt, dass ich mit meinen Kindern in ganzen Sätzen spreche. Dieses Klischee ist also weit verbreitet. Tatsächlich stimmt das Bild jedoch nicht. Norbert Schneider, Direktor vom BIB, fasste zusammen, dass Kinderreichtum heutzutage eher ein Phänomen der besser gebildeten Frau sei. Fast drei Viertel der Frauen mit vielen Kindern in Deutschland verfügen über eine mittlere oder hohe Bildung. Die Kinder in Großfamilien entstehen keineswegs wegen Alternativlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt.

#4 Ihr könnt Euren Kindern doch gar nicht gerecht werden.

Tatsächlich habe ich bereits bei zwei Kindern daran gezweifelt, ob ich ihnen vollständig gerecht werde. Und ja, ich zweifle auch bei meinen vier Kindern daran. Jedoch gar nicht wegen der Anzahl meiner Kinder, sondern wegen meiner eigenen „Beschränktheit“. Es gibt nun mal Sachen, die liegen mir nicht oder interessieren mich nicht. Ich lese gerne vor, ich baue sehr gerne und ich spiele auch gerne Gesellschaftsspiele.

Aber ich bin zum Beispiel keine passionierte In-Die-Wildnis-Geherin. Ich wühle nicht gerne im Matsch, backe nicht gerne Sandburgen, fasse ungerne Schnecken, Würmer, Frösche und so weiter an und mir geht das Herz nicht beim Basteln auf. In diesen Bereichen – und noch einigen mehr – werde ich meinen Kindern nicht gerecht. Das stört aber nicht, weil sie andere Menschen haben – unter anderem ihre Geschwister –, mit denen sie das machen.

#5 Eure Kinder haben nichts Eigenes.

Da ich die zweite von drei Schwestern bin, lege ich viel Wert darauf, dass jedes Kind seine eigenen Sachen hat sowie sein eigenes Zimmer. Bei Kindergeburtstagen sind die Geschwister in der Regel anderweitig unterwegs, so dass das Geburtstagskind mit seinen Freunden alleine feiert und ungestört im Mittelpunkt stehen kann. Auch bei anderen Familien mit mehreren Kindern achten die Eltern häufig sehr genau darauf, dass jedes Kind seine „Star-Momente“ haben darf.

#6 In Großfamilien läuft dauernd der Fernseher, damit die überforderten Eltern eine Pause haben.

Ehrlich gesagt, haben wir kaum Zeit für Fernsehen und in der Woche bleibt er aus. Am Wochenende gibt es manchmal einen ausgesuchten Film. Es gibt zu viel zu erzählen, miteinander zu machen und die Hobbys von jedem Kind gehören ebenfalls zum Alltag. Wegen seines Seltenheitswertes hat mein zweiter Sohn auch direkt den Fernseher groß als Lieblingsbeschäftigung auf sein Plakat für die Vorschule gemalt.

#7 Bei Euch gibt es keine Regeln, weil sie eh nicht durchzusetzen sind.

Tatsächlich sind viele Abläufe bei uns straffer organisiert, damit der Alltag funktioniert. Und es gibt einige Tabus, die ich bei ein oder zwei Kindern vielleicht nicht ganz so streng durchsetzen würde – aber vier mit dem Strohhalm blubbernde Kinder beim Essen bedeuten schnell eine anschließende Putzorgie für mich.

#8 Nach den ersten zwei Kindern ist alles Routine.

Nein, jedes Kind bringt seine eigene Persönlichkeit mit. Ja, man wird bei einigen Dingen ruhiger. Das Wissen um die Endlichkeit von Phasen beruhigt ungemein. Aber nach Routine fühlt es sich nicht an.

#9 Kinder aus Großfamilien sind viel sozialer.

Das höre ich natürlich lieber als dass unsere Kinder per se vernachlässigt würden. Es ist aber ebenso verkürzt. Ist die Familie groß, ist Rücksichtnahme und Toleranz notwendiger. Um sozial zu werden, brauchen Kinder jedoch an erster Stelle Empathie der Eltern ihnen gegenüber.

#10 Bei Euch wird immer viel gespielt.

Ja, aber auch viel gestritten. Es ist nicht Bullerbü bei uns und die Kinder sind sich nicht permanent einig. Es gibt Phasen, in denen sich einer von ihnen neu orientiert, und in denen knirscht es gewaltig.

#11 Du bist eine richtige Über-Mama und hast permanent Freude an allem.

Scheinbar kann eine Frau mit mehreren Kindern nur entweder kurz vorm Burn-Out stehen oder alles perfekt im Griff haben. Ich bin sehr dankbar für meine Kinder und trotzdem rauben sie mir an einigen Tagen den letzten Nerv. Ich bin manchmal auf meine kinderlosen Freunde neidisch, die im Wellnesshotel liegen, während mein Pendant dazu zehn Minuten unter der Dusche ohne Kinder ist.

Der einzige Unterschied von mir zu einer Mutter mit einem Kind oder zwei Kindern ist meine Kinderanzahl. Und zugegebenermaßen die sich unverhältnismäßig vermehrende Wäsche. Aber ansonsten liebe ich meine Kinder wie jede andere Mutter – und wie jede andere Mutter gibt es Momente, in denen ich sie auf den Mond schießen könnte.

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