Mit einem Mal sitze ich am Abend gemütlich bei einer Freundin vor dem Haus, denn ich bin beim Abendprogramm raus. Ich kann Sport machen, einen Wein trinken und ganze Nächte durchschlafen. Ich kann Rollkragenpullover tragen, denn ich muss nicht mehr überlegen, wie ich möglichst unauffällig meine Brust herausbekomme. Mit einem Mal fehlen mir seltener die konkreten Worte, weil ich nicht mehr stilldement und dauerübermüdet bin. Ich kann Gesprächen vollständig folgen. Sogar nach einer kurzen Unterbrechung weiß ich, worüber wir gesprochen haben.
Babys sind noch immer niedlich, aber ich verspüre keinerlei Drang mehr noch ein kleines Wunder ins Leben zu begleiten. Kinder zu erleben, ist ein besonderes Privileg. Aber es ist auch zermürbend, kräftezehrend und aufreibend.
Nie wieder Krippe
In diesem Sommer verlässt unser letztes Kind die Krippe. Da sie sehr ehrgeizig ist, sich selber Anziehsachen aussucht und anzieht, fühlt sie sich in vielen Bereichen bereits wie ein Kindergartenkind an. Aber im Sommer verlassen wir endgültig die kuschelige Krippe mit nur zehn Kindern, drei ErzieherInnen und einem eigenen kleinen Außenbereich. Wir wechseln in den großen Kindergarten mit 20 Kindern und 2 ErzieherInnen und einem Außenbereich für 4 Gruppen.
Das ist beim vierten Kind kein Kulturschock mehr, aber für uns ist es das Finale einer langen Phase.
Seit neun Jahren hatte ich mit nur einem Jahr Pause immer ein Kind in der Krippe. Ich hänge an den ErzieherInnen, die jeden Tag mit so viel Herzlichkeit und Lebensfreude füllen. Die Krippenzeit war für jedes unserer Kinder eine schöne Zeit. Am letzten Tag werde ich mit Sicherheit Taschentücher brauchen (und hoffe, dass es mich erst zuhause wirklich erwischt).
Windelfreies Leben ist in Sicht
Wenn ich es überschlage, haben wir in den letzten 9,5 Jahren gut 34.000 Windeln gewechselt. Ganz zu schweigen von den Reimen, den Tritten nach mir in bestimmten Phasen und den Verhandlungen rund um die Windeln. Anders als der Krippe weine ich dieser Phase nichts nach.
Ich bin nicht böse, wenn ich in Zukunft weniger dreckige nackte Hintern vor mir sehe.
Auch den Geruch von vollen Windeln werde ich nicht vermissen – gerade in den warmen Monaten beim konzentrierten Spielen in der Sandkiste entstehen Gerüche, die sich problemlos als chemische Kampfwaffen einsetzen lassen.
Jedes das süßeste Baby überhaupt
Nach der Geburt unseres dritten Kindes war ich richtig nostalgisch. Ich war mir sicher, dass sie das letzte Baby sein würde. Jede Bodygröße habe ich beim Aussortieren betrauert. Alle Entwicklungsschritte intensiv beobachtet und das Stillende ausgesprochen schade gefunden. Und dann kam unser Überraschungsbaby, wirbelte alle Pläne über den Haufen und war – wie die anderen Babys zuvor – das süßeste und wunderbarste Baby auf der ganzen Welt.
Ich hielt mich zurück mit großen Gefühlen über Abschiede, weil sie meine Pläne bereits ad absurdum geführt hatte. Sie hatte ein rasantes Entwicklungstempo, bei dem selten die Zeit blieb für irgendwelche Gefühle meinerseits.
Mit acht Monaten zog sie sich überall hoch und mit neun Monaten reichte laufen nicht mehr – es wurde alles beklettert (runter ging oft schneller). So schnell es ging, musste alles alleine gemacht werden. Auf der anderen Seite fielen ihr Abschiede schwer (oder war das doch ich?). Ihre Eingewöhnung in die Krippe dauerte vier Monate und das Stillen hat sie ein Jahr verlängert.
Ins Elternsein reinwachsen
In das Elternsein musste ich hineinwachsen. Babys brauchen nicht viel, aber sie brauchen es kompromisslos und permanent. Mit einem Baby gilt 24 Stunden Bereitschaft. Heute frage ich mich, wovon ich vor den Kindern gestresst war. Ich konnte alles selbstbestimmt in meinem Rhythmus machen. (Ich bin mir sicher, dass ich das Gefühl schnell vergesse und mich auch ohne Babys gestresst fühle.)
Meine Babys waren die besten Gedulds- und Verhandlungstrainer, die ich mir wünschen konnte. Sechs und mehr Kilo reine Wut aushalten, trotz Schlafentzug die Ruhe bewahren, Konflikte einschätzen können, Risiken zulassen und Abstürze aushalten, Tränen trocknen und oft genug nicht mehr tun können – das fällt mir bis heute wahnsinnig schwer.
Während Babys zeitintensiver sind, sind die größeren Kinder gedankenintensiver.
Freude auf neue Abenteuer
In den letzten zehn Jahren war ich oft genug umgehauen von den Emotionen, die Elternsein mit sich bringt. Ängste, Freude, Glück – selten in meinem Leben war all das so intensiv wie in den Schwangerschaften oder der ersten Babyzeit. Eigentlich bin ich kein Mensch, der zu Tränenausbrüchen in der Öffentlichkeit neigt. Aber ab Kind 2 war es mit dieser Zurückhaltung vorbei. In den unmöglichsten Situationen steigen mir Tränen in die Augen.
Traurigkeit, Dankbarkeit, Glück – ich kann mittlerweile aus allen möglichen Gründen weinen.
Jetzt freue ich mich über jedes Baby, dass ich auf den Arm nehmen und wieder abgeben darf. Ich bin bezaubert von dem besonderen Charme dieser ersten Zeit. Voller Dankbarkeit schaue ich auf all die Auf- und Abs, die unsere Zeiten begleitet und mich so sehr geprägt haben. Aber jetzt freue ich mich auf weitere Abenteuer ohne Windeln und ohne durchbrüllte Nächte. Abenteuer voller Diskussionen, Übungen im Loslassen und garantiert immer mit viel Liebe.