Eine gute Idee mit Hindernissen
Beim morgendlichen Kaffee am Sonntag tobten die Kinder ziemlich laut. Die Sonne schien durch das Fenster und ich dachte nur, dass ich nicht auf den Spielplatz wollte. Also schlug ich vor, dass wir an den nahen See fahren könnten.
Rasch packten wir die Sachen – ich die Flaschen, mein Mann die Windeln und Wechselsachen – und mein Mann verschwand kurz (einer anonymen Umfrage unter Freunden und Bekannten zufolge verlassen viele Männer in Pack- und Anziehsituationen das Schlachtfeld Familie – niemand weiß wohin sie gehen, eine Vermutung lautet, dass sie mit einer Zeitung, einem Buch, dem Handy oder Tablett auf die Toilette verschwinden, aber das ist nur die Vermutung einer entfernten Bekannten).
Der Bus fuhr am Sonntag einmal in der Stunde und wir mussten uns ranhalten. Also fix, fix, fix, die Kinder anziehen. Die hatten natürlich pünktlich zum Entschluss rauszugehen eine spannende Beschäftigung gefunden und wollten gar nicht raus.
Erkenntnis 1: Interessen in einer Familie sind unterschiedlich und Argumente überzeugen nur bedingt.
Zwei malten Bilder, ein Kind puzzelte und das andere war gar nicht da. Ich beschrieb, wie aufregend das am See werden würde. Ich erklärte, dass der Bus leider nicht auf uns warten würde und dass es doch schön wäre, wenn wir noch etwas Zeit hätten.
Dann drohte ich, dass ich die Bilder und das Puzzle gleich wegnehmen würde. Wenn sie jetzt mitmachten, würde ich sie liegenlassen und später vielleicht sogar helfen (es gibt diese Droh-Momente, für die ich mich immer, immer, immer direkt in der Situation schäme, aber nicht jedes Mal eine bessere Alternative weiß).
Schließlich waren die Kinder angezogen, der Mann tauchte auf und der Kampf um die Schuhe ging los. Während Tochter 1 immer Gummistiefel anziehen möchte und damit dieses Mal recht hatte, wollte Tochter 2 ihre Sandalen anziehen. Nach einer Diskussion mit meinem Mann hatte Tochter 2 Sandalen an und die Gummistiefel lagen unten im Buggy.
(Es gibt Situationen, in denen sollte man sich nicht einmischen. Nachfragen werden meistens höchst unwirsch zur Kenntnis genommen und steigern keineswegs die Laune – nicht, dass ich nachgefragt hätte…)
Erkenntnis 2: Nur weil man aus dem Haus ist, ist man noch lange nicht unterwegs.
Nun standen wir vor unserem Haus, Kind 4 im Buggy, der Hund zog an der Leine und die anderen zwei Kinder griffen nach ihrem Laufrad-Pferd und dem Roller. Ich rief nur „Nein, wir fahren doch Bus“, während mein Mann bereits mit dem Buggy voran zur Eile aufrief. Nach hinten sagte er nur kurz: „Nun lass sie doch. Dann sind wir insgesamt schneller.“
Tochter 1 nölte bereits, dass sie ohne ihre Sabrina (das Laufrad-Pferd) auf gar keinen Fall zu irgendeinem See fahren würde. Sabrina bräuchte Bewegung und müsste Bus fahren lernen. Wer will da schon diskutieren? Ich schloss also die Haustür erneut auf und holte den Helm. Tochter 2 (im Buggy wohlgemerkt) sah das und begann nach ihrem „Helm“ zu brüllen. Also erneut zurückgedreht und den anderen Helm geschnappt. (Kind mit Helm im Buggy stört mich mittlerweile nicht mehr).
In manchen Situationen können wir Mamas unseren Kindern einfach nichts abschlagen. Manchmal muss Nein aber auch einfach Nein heißen.
Erkenntnis 3: Eine gepackte Tasche fliegt nicht magisch mit.
An der Bushaltestelle hielten wir inne – die Extra-Tasche mit Windeln und Wechselsachen war nicht dabei. Mein Mann hatte sie neben den Buggy gestellt und darauf gebaut, dass ich sie einpacke.
An dieser Stelle könnte man über Zuständigkeiten und das Abarbeiten von Aufgaben von A-Z sprechen. Oder man schaut in die Sonne und findet sich damit ab, dass keine Wechselsachen dabei sind. Für die Laune und die Nerven ist das zweite besser und Debatten um Schuld führen immer vom Hölzchen aufs Stöckchen. Wir haben das in den letzten Jahren mehrfach selbstlos getestet.
Erkenntnis 4: Gesagt ist nicht verstanden.
Unser Hund Caspar war mäßig begeistert vom Busfahren, überstand es aber mit zittriger Fassung und sprang voll Freude aus dem Bus. Die zwei älteren Kinder düsten vorweg und bogen direkt zum ersten Strandabschnitt ab. Ein kurzer Blick auf das Schild brachte mich zum Rufen „Nein, kommt zurück.“ – Nudistenstrand klang jetzt nicht nach meinem Sonntagswunschprogramm.
Die Kinder düsten weiter durch den Wald vorweg. Ich verfluchte die Roller/Laufrad-Kombi, während mein Mann sich an den wichtigen Fragen von Tochter 2 erfreute: „Bald da?“ Da war Wasser in Sicht. „Wir gehen da hinten zu dem leeren Abschnitt“, war die Anweisung an Sohn 2. Auf dem Weg sah Sohn 2 jedoch ein Wasserspiel und flugs lagen Roller und Laufrad am Rand. Die Kinder zogen sich unterwegs die Schuhe aus und erst ein paar Schritte später die Socken. Die Waschmaschine wird es schon richten.
Erkenntnis 5: Nach einem Ausflug weiß man die Vier-Wände des Hauses zu schätzen.
Es wurde auch nach dem endgültigen Wechsel in den leeren Abschnitt nicht schöner. Der Sohn ging immer voran ins Wasser und Tochter 2 folgte angstfrei hinterher. Da beide Kinder noch nicht sicher schwimmen, waren wir nicht begeistert. Schließlich brachen wir entnervt ab, begannen auf dem Rückweg alle miteinander einen Streit und ich wünschte mich zurück zu dem Moment, in dem ich die Sonne angeschaut und einen Kaffee hatte. Ein kurzer Gang zum Spielplatz klang nicht mehr ganz so schlecht…