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Wie man in Corona-Quarantäne mit Kind noch Zeit für sich und seinen Partner findet

Eltern beschäftigen sich mit Kind
Die Quarantäne stellt das Familienleben auf die Probe.
© Philine Matzen

In Zeiten der Ausgangssperre ist es alles andere als leicht, Zeit für sich zu finden, geschweige denn Zweisamkeit genießen zu können. Meine weise Mutterfreundin erzählte mir vor einigen Tagen „wenn man in Quarantäne nicht mindestens drei Mal an Scheidung gedacht hat, dann ist man entweder ein frisch verliebtes, kinderloses Pärchen oder einer von beiden schreibt heimlich jemandem anderen“. Ja, die Quarantäne schlägt auf das Gemüt einer jeden Elternschaft.

Beziehung während Corona pflegen? Gar nicht so einfach

In China sind die Zahlen der Scheidungen nach der Ausgangssperre in die Höhe geschossen und auch in Europa wird es voraussichtlich nicht anders sein. Aber wieso ist diese aufeinandersitzen Gift für eine Beziehung? Zugegeben befinden wir uns im Rahmen der aktuellen Situation unter den besten Voraussetzungen. Wir sind gesund und haben ein Dach über dem Kopf. Aber eins ist klar, seit der Ausgangssperre habe ich weder Zeit für mich noch für meinen Partner gefunden. Die meiste Zeit verbringen wir damit, unsere Tochter zu unterhalten oder den Haushalt zu schmeißen. Irgendwo zwischen “Bring bitte mal den Müll raus” und “Wir müssen noch die Wäsche aufhängen” kommt die Beziehung viel zu kurz. Wenn der Papa sich mit dem Kind beschäftigt, ergreife ich die Chance unter Druck schnell Dinge, wie E-Mails oder ein schnelles Workout zu erledigen. Aber wirkliche Zeit zu zweit gewinnen wir dadurch auch nicht.

Jeder Morgen sollte mit einer romantischen Geste starten

In den ersten Tagen der Ausgangssperre habe ich mich ziemlich gehen lassen. Wieso den Pyjama ausziehen, wenn ich doch nichts vorhabe? Aber genau dabei bin ich in eine Falle getappt, die Bequemlichkeitsfalle. Seitdem nutzen wir die aktuelle Situation dazu, den Morgen langsam beginnen zu lassen., Ohne Grund bleiben wir also als Familie ein paar Minuten länger im Bett und genießen das Beisammensein. Mein Partner bringt mir meine geliebte heiße Zitrone ans Bett und sich selbst einen doppelten Espresso. Zusammen genießen wir unseren Morgentrunk. Dann wird der Pyjama dort gelassen, wo er hingehört- im Schlafzimmer.

Den Tag beginnen wir mit Zärtlichkeit durch innige Umarmungen oder einen Kuss. Und das verbindet. Es verbindet sogar so sehr, dass ich meinen Partner über den Tag hinaus seine Ruhe gönne. Nicht aus Schuldgefühl oder weil es zeitlich so aufgeteilt wurde, sondern durch die Verbundenheit und dem Wunsch, seinem Partner Zeit für sich zu geben. Denn mit einem Kind in der Ausgangssperre ist es doch so: Man hat eben nicht mehr die 24 Stunden, die man als Single oder Paar ohne Kind hatte. Auf einmal muss die Freizeit auf engstem Raum aufgeteilt werden. Das bedeutet, dass ich meine kostbare Zeit abgebe und umgekehrt. Aber das geht eben nur, wenn es aus Zusammenhalt geschieht. Über den Tag hinaus verteilt finden wir nun immer noch keine Zweisamkeit, aber wir haben angefangen, bewusst jede Möglichkeit auf eine Umarmung oder einen Kuss auszunutzen. Es löst Glücksgefühle aus und diese erlauben mir, über Alltagsprobleme hinaus zu schauen.

Zufriedenes Kind, entspannte Eltern

Dieses Glücksgefühl überträgt sich auch auf unsere Tochter. Wenn sie sieht, dass Mama und Papa sich lieb haben, indem wir uns küssen oder eingekuschelt auf der Couch sitzen, dann ist auch sie glücklich und strahlt. Unsere Tochter findet es sowieso super, dass Mama und Papa plötzlich beide tagtäglich zu Hause sind. Am liebsten spielt sie mit uns zusammen. Zunächst habe ich es als unsinnig empfunden, zu dritt Auto fahren zu spielen, denn währenddessen besteht eine Mega-Gelegenheit, etwas anderes zu erledigen, wie den Haushalt oder die Arbeit. Mittlerweile habe ich gemerkt, dass es nicht nur sie glücklich macht, sondern auch uns. Das gemeinsame kreativ werden durch Musizieren, Malen oder Spielen verbindet und bringt sogar wirklich Spaß. Dann bleiben uns noch ganze eineinhalb bis zwei Stunden, wenn das Kind endlich ihren Mittagsschlaf hält.

Respektieren, was der Partner mit seiner Freizeit macht

In dieser Zeit haben wir uns dazu entschlossen, dass wir machen können, was immer wir wollen. Während des Mittagsschlafes hat es mich oftmals sehr gestört, wenn mein Partner die Zeit unnötig für Fifa-Spiele oder mit Dauerbeschallung am Handy verbracht hat. Ich hingegen möchte ich die Zeit mit meinem Partner nutzen. Es kitzelt mir oft in den Fingerspitzen und ich möchte am liebsten schreiend darauf hinweisen, dass wir endlich Zeit für Romantik hätten. Doch schnell habe ich auch hier festgestellt, Zweisamkeit kann man nicht erzwingen. Es muss natürlich kommen und es ist meine Aufgabe zu respektieren, was der andere mit seiner Freizeit macht. Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich mir das über den Tag häufiger selbst sagen, damit ich nicht in Frustration verfalle.

Einfach mal zuhören!

Je mehr ich von meinen Regeln und Prinzipien loslasse, desto näher kommen mein Partner und ich uns emotional. Ich werde entspannter und kann Momente in aller Ruhe genießen. Wenn ich mich mitten im Kampf der Farbaufteilung der dreckigen Wäsche befinde und meine Tochter vorbei geschlendert kommt und wieder Wörter sagt, von denen ich keine Ahnung habe, was damit gemeint ist, dann lasse ich kurz alles liegen und gebe ihr die volle Aufmerksamkeit. Außerdem hoffe ich darauf, dass ich verstehe, was sie mir sagen möchte. Denn ich gehöre leider nicht zu den Müttern, die verstehen, wenn das eigene Kind “bromm bum ban” sagt und wissen, dass damit “ich möchte dir was zeigen” gemeint ist. Mein Partner ist wesentlich besser in der Sprachdeutung unserer Tochter. Euphorisch erklärt er mir alles und das kann sogar zu einer richtigen erwachsenen Unterhaltung führen. Ich habe in der Zeit der Ausgangssperre vor allem gelernt, dass aktives Zuhören nicht nur eine große Kunst, sondern Basis einer jeden ernsthaften Konversation darstellt.

Über den Tag reflektieren und mal „Danke” sagen

Zum Abend hin wird immer alles ruhiger. Unsere Tochter fährt noch einmal kurz hoch bevor sie dann ins Bett geht. Endlich Ruhe. Dazu muss ich sagen, dass unsere Tochter im Elternbett schläft. Segen und Fluch zu gleich, denn viele Eltern nutzen besonders den Abend für ihre Zweisamkeit. Oftmals schleichen mein Partner und ich wieder ins Wohnzimmer und schauen eine Folge Casa de Papel. Netflix und Chill. Für mich ist insbesondere der Abend eine Möglichkeit, über den Tag zu reflektieren und mich bei meinem Partner für all die Kleinigkeiten zu bedanken.

Im Endeffekt ist die Ausgangssperre auch eine Möglichkeit, um sich näher zu kommen als Familie. Für mich stellt es sich als Herausforderung dar, Zeit zu zweit im großen Alltagschaos zu finden. Ich habe aber verstanden, dass ich durch kleine Gesten die ganze Stimmung des Tages navigieren kann und das tut nicht nur der Familie gut, sondern auch der Beziehung.
Als ich meinem Partner das Geschriebene vorgelesen habe, warte ich aufgeregt auf seine Reaktion. Er erwidert seufzend: “Ach Schatz, wenn es nur jeden Tag so laufen würde”. Unsere Blicke treffen sich und wir fangen an zu lachen.

Autorin: Philine Matzen

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