Wir haben uns immer schon zwei Kinder gewünscht, am besten das zweite knapp nach dem ersten. Selbst die anstrengende Babyzeit mit unserem Erstgeborenen – Schlaflosigkeit lässt grüßen! – änderte daran nichts. Dass sich die zweite Schwangerschaft aber so unmittelbar auf die Stillbeziehung zu meinem Sohn auswirken würde, damit habe ich nicht gerechnet…
Unser Baby und die Milch
Als Baby war unser Großer – anders kann man es nicht ausdrücken – ein ganz schön herausforderndes Menschenkind. Ließe sich im Duden unter „High-Need-Baby“ ein Foto von Sohnemann finden, würde mich das kein bisschen wundern. Das Baby ablegen? Fehlanzeige! Das Baby schläft? Fehlanzeige! Das Baby ist einfach nur zufrieden? Fehlanzeige!
Woran du erkennst, ob du ein High-Need Baby hast und was du tun kannst, erfährst du hier.
Das Einzige, das sich von Anfang an als Selbstläufer herausstellte, war das Stillen. Darin war er Profi! Sohn konnte und wollte immer und überall: im schaukelnden Bus, in der Umkleidekabine, im Supermarkt, bei Minus 12 Grad Celsius auf der Parkbank: Gab es Milch, war er glücklich und zufrieden! Und ich ebenfalls, denn wenn er den Mund voll hatte, konnte er wenigstens nicht schreien…
Ein Zweites wäre schon fein…
Herausforderung hin oder her, unserer Wunschvorstellung blieben wir treu! Ein kleines Brüderchen oder Schwesterchen mit geringem Altersabstand: Wenn es das Schicksal will, wir sind dabei! Unser High-Need-Sprössling war etwa sieben Monate alt, da fanden wir uns alle zusammen in der Praxis meines Frauenarztes ein. Der gab grünes Licht. Aber nicht ohne darauf hinzuweisen, dass bei einem vollgestillten Baby (Sohn schlief übrigens nicht nur nicht, er aß auch nichts) die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Schwangerschaft sehr gering sei. Dennoch ließen wir uns nicht entmutigen und legten los. Und schon einen Monat später war ich wieder schwanger! So weit, so gut! Der Altersabstand sollte letztendlich 17 Monate betragen. Perfekt für uns!
Was ist bloß mit dem Stillen los?
Perfekt war es leider nur für kurze Zeit! Schon wenige Wochen nach dem positiven Schwangerschaftstest stimmte nämlich etwas ganz und gar nicht. Söhnchen nuckelte kräftig an der Brust und wurde dabei immer ungehaltener. Letztendlich brüllte er die Brust völlig aufgelöst an und schien dabei wirklich, wirklich unglücklich zu sein!
Was war nur los? Beim Stillen gab es bisher nie Probleme! Nach mehreren Versuchen, die stets nach dem selben Schema abliefen, fiel es mir irgendwann wie Schuppen von den Augen: Ich spürte den Milchspendereflex nicht so stark wie gewöhnlich! Klar, nach etwa zehn Monaten hatte sich die ganze Sache schon eingespielt, aber dennoch: Da stimmte irgendetwas nicht, das sagte mir mein Gefühl! Und langsam vermutete ich, es liegt an mir…
Oh nein! Plötzlich war die Milch weg!
Beim nächsten Stillversuch dockte ich mein Kind nach den ersten paar Zügen ab und versuchte, Milch auszustreichen. Nur: Viel war da nicht mehr! In Panik suchte ich in den gelben Seiten nach einer Stillberaterin in meiner Nähe. Noch am selben Tag durften Sohn und ich vorbeikommen. Dort bewahrheitete sich das, was ich bereits befürchtet hatte: Zu einem guten Teil war die Milch versiegt!
Der Grund? Die Hormonumstellung durch die erneute Schwangerschaft! Gar kein so seltenes Phänomen, wie mir die Stillberaterin erklärte. In manchen Fällen könne man die Kinder „trocken“ weiterstillen. Da für meinen Sohn Milch aber die Hauptnahrungsquelle darstelle (er aß zu diesem Zeitpunkt keine nennenswerten Mengen), brauche er eine Alternative. Und zwar heute noch, denn satt werde er mit meinen „Restbeständen“ leider nicht mehr. Pre-Milch also! Das zog mir den Boden unter den Füßen weg…
Mein Sohn und sein Fläschchen
Natürlich fühlte ich mich – wider besseren Wissens – wie die größte Versagerin. Ich war die Mutter, die ihrem Kind das Stillen ruiniert hatte! Ich wollte nicht abstillen!! Darüber hinaus machte ich mir Sorgen. Sohnemann hatte die letzten zehn Monate von Luft, Liebe und meiner Milch gelebt. Etwas anderes kannte der Kerl gar nicht! Beikost lehnte er ab. Ganz selten hatte er sich in der Vergangenheit auf ein Fläschchen mit abgepumpter Milch eingelassen. Aber auch das war eher die Ausnahme als die Regel.
Wie um Himmels Willen sollte ich also ein Fläschchen mit Pre-Milch in ihn hineinbekommen? Aber es blieb uns eben nichts anderes übrig! Also auf in die Drogerie, um das richtige Equipment zu besorgen. Sohn war hungrig, Mama gestresst! Immerhin musste ich erst eruieren, wie man Pre-Milch anrührt. Ich kannte das ja nicht! Irgendwann war das Fläschchen fertig. Und Sohn?
Der trank, als hätte er nie im Leben etwas anders gemacht. Glücklich und zufrieden war er! Ab diesem Zeitpunkt war die Brust Geschichte und sein heißgeliebtes Fläschchen und er waren noch viele, viele Monate lang ein Herz und eine Seele!
Und die Mama?
Ich selbst haderte schon noch ein wenig länger damit, dass die doch sehr harmonische Stillbeziehung von einen Tag auf den anderen einfach so vorbei war. Irgendwie fehlte ein würdiger Abschluss! Doch Sohnemann schien das gar nicht weiter zu stören und irgendwann geriet die Sache in den Hintergrund. Heute – immerhin sind mittlerweile sieben Jahre vergangen – ist es nur noch eine Erinnerung, emotional kaum gefärbt. Denn ganz ehrlich: Im Leben mit Kindern gibt es durchaus Wesentlicheres als die Stilldauer!