Freundschaften wachsen langsamer
Generell gilt: Wer älter wird, schließt langsamer neue Freundschaften. Das ist leider auch bei Menschen mit Kindern nicht anders. Gerade in der Zeit mit Neugeborenen oder der Kleinkinderphase gibt es zwar viele neue Bekanntschaften, aber Freundschaften? Das kann dauern.
Zwar treffe ich jeden Tag Menschen und es gibt in meinem Alltag mit Kindern Menschen, die ich gerne mag und schätze. Aber eine Freundschaft wächst mit der Zeit und den gemeinsamen Momenten. Ich bin vorsichtig geworden. Nur weil die Kinder im gleichen Alter sind und man denselben Humor teilt, wird man nicht zu Freunden. Freunde sind Menschen, die einen kennen, die Schwächen sehen, ohne darüber zu urteilen und bedingungslos zu einem halten.
Es sind nicht die Leute, die mit einem den Kaffee auf dem Spielplatz teilen, um bei der nächsten Gelegenheit mit einer anderen Mutter zu lästern, weil man das Kind nicht sofort getröstet hat, es allein zum Klettergerüst „musste“ oder weil man einfach müde und kaputt war und dem Kind nicht „ausreichend“ zugehört hat. Tatsächlich haben sich Freundschaften in den letzten Jahren mit Kindern nur langsam entwickelt – es dauert, bis man nicht mehr nur die Mama von ist.
Mamasein verbindet nicht zwangsläufig
Zum Zeitpunkt der Geburt meines ersten Kindes war ich gerade ein Jahr in der neuen-alten Stadt. Meine alten Freunde machten ihre Abschlüsse noch im Süden von Deutschland, während ich im Norden meinen Master mit neuen Leuten machte. Rückblickend kann ich sagen: Dieser Wechsel war zu diesem Zeitpunkt für mich nicht gut. Weder in den Unikontext habe ich richtig gut hineingepasst noch in den Mamikontext mit Müttern, die oftmals eher Mitte und Ende 30 waren und nicht wie ich in meinen 20ern. Die Themen waren hier unterschiedlich und haben ungezwungene Kontakte erschwert.
Eine neue Welt
Während meine Herzensmenschen immer einen Telefonanruf entfernt waren und im Alltag keine Rolle spielen konnten, waren im täglichen Miteinander viele Fallstricke enthalten. Als Mutter eines Neugeborenen neue Menschen kennenzulernen, wird durch die Müdigkeit und die Vergesslichkeit minimal erschwert. Eigentlich lernt man in dieser Zeit sich selbst sowie den Partner neu kennen und außerdem an erster Stelle den kleinen Menschen, der neu in dieser Welt ist. Viel Platz für andere Menschen bleibt da ehrlicherweise nicht, um ihnen aufmerksam und nett gegenüberzutreten.
Bedürfnisse versus Vergleiche
Trotzdem: Das Bedürfnis nach einem wohlwollenden Austausch unter Erwachsenen bleibt. Und da fängt der Ärger meiner Erfahrung nach an: Denn wohlwollend ist unter Müttern leider nach wie vor eher die Ausnahme. Es geht viel um die Kinder und was wer mit ihnen wie macht. Was die Kinder alles schon können (sabbern, Bäuerchen und eine Faust halb in den Mund stecken beeindrucken dabei leider nicht). Wie Bio der Brei ist. Warum Kaffee nicht getrunken werden sollte. Wieso auf jeden Fall noch zusätzlich zum Babyschwimmen der Massagekurs und PeKiP notwendig sind. Wann das Baby durchschlafen muss. Wie Konflikte geregelt werden müssen. Wann Frau wieder arbeiten gehen sollte und wie viel sie arbeiten gehen sollte. Ab wann das Breifüttern ansteht. Für all das scheint es nur eine richtige Lösung geben zu dürfen.
Unsicherheit erschwert es
Nie zuvor habe ich so viele unausgesprochene Glaubenssätze erlebt wie im Kontakt mit anderen Müttern. Denn unter all der Theorie sind wir alle unsicher in dieser Phase. Wir alle halten uns an Tipps, angelesenem Wissen, Erleben in der Familie und unseren idealen Vorstellungen fest. Wir alle hoffen, dass wir alles richtig machen und erleben im Alltag doch oft unsere Unzulänglichkeiten.
Wir entscheiden uns für ein Konzept und verteidigen dieses, weil wir nicht sicher wissen, ist das richtig so? Bin ich zu wenig für mein Kind da? Achte ich zu wenig auf mich? Wann habe ich Zeit für meinen Partner? Wann kann ich ein erwachsener Mensch sein und knitterfreie Sachen ohne Babykotze tragen? Darf ich darüber sprechen, dass ich manchmal nur allein sein möchte? Dass ich den Körperkontakt nicht mehr ertrage und die ToDo-Listen im Kopf mich müde machen? – Über all das reden leider gerade beim ersten Kind so wenige Mütter.
Beware of the momsters
Mit etwas Zeit klärt sich das Feld und ein paar Mütter werden langsam zu Freundinnen. Und es gibt die, bei denen man Abstand hält, weil der Kontakt einfach nicht guttut. Unter Müttern gibt es die, die sich immer vergleichen und die anderen schlecht machen müssen. Es gab eine Mutter, die ich witzig fand und eigentlich gerne mochte. Aber wenn wir uns unterhalten haben, kamen immer wieder abwertende Sprüche in meine Richtung. So fragte sie nach meinem Studienfach (Literaturwissenschaft) und sagte dann:
„Oh, wie toll. Ich hätte auch gerne mein ganzes Studium über nur gelesen, aber mich dann doch für etwas Handfesteres entschieden. Man möchte ja auch irgendwann Geld verdienen.“ (Als für mich ironische Notiz: Sie hat Erziehungswissenschaften studiert.)
Als wir uns das letzte Mal vor circa anderthalb Jahren getroffen haben – ich mittlerweile mit meinen vier und sie mit ihren zwei Kindern -, sagte sie: „Ich hatte ja auch immer überlegt, mehr Kinder zu bekommen. Aber mein Erziehungskonzept ist dafür zu anspruchsvoll.“ Ich habe dazu geschwiegen und gelächelt. Nach acht Jahren unter Müttern wusste ich, diese Aussage hat mit mir nichts zu tun.
Als ich sie dann ein halbes Jahr später mit einem Babybauch sah, konnte ich nur noch innerlich lachen. Es werden nicht alle zu Freundinnen, aber ein Netzwerk hilft in Krisenzeiten. Ehrlicher Austausch ohne Vergleiche und Abwertungen – wenn das funktioniert, macht es so vieles einfacher.