Die Sache mit dem „Von-der-Brücke-springen“
Kennt ihr sie, diese Sprüche, die einen selbst als Kind oder Jugendlicher zur Weißglut getrieben und die Zornesröte ins Gesicht gezaubert haben? Ich kann mich jedenfalls noch gut erinnern. Einer meiner absoluten Hass-Sprüche war dieses „Und wenn alle von der Brücke springen, springst du dann auch?!“
„Ja – Ja – Jaaa!“, hat alles in mir geschrien. „Mit Anlauf!“
Gereicht hat es meistens nur für ein Augenrollen. Ganz fest hab ich mir geschworen: MEINE Kinder bekommen solche Weisheiten nicht zu hören. Zumindest nicht von mir! Tja, dann bin ich Mama geworden…
Der Brücken-Spruch? Fällt verdammt oft!
Heute, knapp elf Jahre nach dem ersten Kind, kann ich gar nicht mehr zählen, wie oft mir dieser Brücken-Spruch in allen möglichen Variationen schon über die Lippen gekommen ist. Sehr oft jedenfalls!
Irgendwie scheint das so eine vorprogrammierte elterliche Reaktion zu sein, die dann aktiviert wird, wenn der Nachwuchs etwas als ganz unfair empfindet und dagegen aufbegehrt.
Immerhin denkt man sich ja als Elternteil was dabei, wenn man die Dinge so entscheidet, wie man sie entscheidet, oder etwa nicht? Ganz egal, wie gemein und unfair das ist, weil ALLE (!) möglichen Freunde, Schulkollegen oder Nachbarskinder IMMER (!) viel mehr haben, können oder – ganz schlimm – dürfen!
Warum auch sollte es den eigenen Kindern besser gehen als einem selbst in dem Alter? Haben wir doch alle durch, dass wir diejenigen waren, die einfach NICHTS (!) gehabt oder gedurft haben. Liebend gerne wären wir also die eine oder andere Brücke runtergesprungen. Warum auch nicht?
Zeiten ändern sich – Rollen auch
So haben sich nun die Zeiten gewandelt. Auf einmal ist man selbst die Mama, die alles verbietet, was Spaß macht und nichts kauft, das nun wirklich alle haben. Das fängt mit dem Schokocroissant in der Jausenbox an (ja, die böse Mama findet, eine Jause sollte gesund sein…), geht bei FSK12-Filmen für 8jährige weiter (ja, die böse Mama findet Jugendschutz ganz gut…) und endet irgendwann zwangsläufig bei Handys, Konsolen und Internet, wozu ALLE anderen rund um die Uhr Zugang haben, nur der arme, vernachlässigte Nachwuchs nicht.
Dass das URGEMEIN, VOLL ÜBERZOGEN und TOTAL UNFAIR ist, versteht sich von selbst.
Spielverderberin sein? Kann ich ganz gut!
Ich persönlich habe mich in meiner Rolle der Spielverderberin mittlerweile ganz gut zurechtgefunden. Ich brauche keine „coole“ Mama zu sein, nur damit meine Kinder zufrieden sind. (Cool bin ich ja sowieso ;)). Die Regeln bestimmen nun mal die Erwachsenen, finde ich. Und tatsächlich: Im Allgemeinen denken die sich was dabei und tun das nicht, weil es so lustig ist, Grabenkämpfe auszufechten.
Dass das mein Nachwuchs generell blöd findet und ohne mit der Wimper zu zucken die meisten Brücken runterspringen würde, ist okay. Schließlich war ich in dem Alter auch nicht anders…
Irgendwann werden sie mich wohl verstehen. Bis dahin gehe ich davon aus, dass sie das eine oder andere Mal heimlich springen werden. Gemeinsam mit all den anderen Kindern, die natürlich (!) immer (!) alles (!) dürfen. Solange sie sich dabei nicht wehtun, halten wir Mamas und Papas das aus, denke ich. Gehört ja schließlich zum Erwachsenwerden dazu…