Montag, Tag eins: erklären, was Corona ist
Die Kinder, vor allem der dreijährige K., verstehen nicht, warum sie nicht mehr in die Schule beziehungsweise in den Kindergarten gehen dürfen. Ich erkläre beiden Jungs noch einmal mit einfachen Worten, warum es so wichtig ist, dass wir zu Hause bleiben – erzähle ihnen dazu eine Geschichte. Die vom fiesen, unsichtbaren Virus, das es liebt, an mehr und auch weniger öffentlichen Orten herumzulungern und vor allem über unsere Hände in Mund, Nase oder Augen zu kriechen und Menschen krank zu machen. Dass es deshalb auch so wichtig ist, uns recht oft und ausgiebig die Hände zu waschen. Dass Corona bevorzugt Ältere und Kranke schwächt. „Warum gerade die, Mama?“ P. stellt gute Fragen. Ich informiere den Erstklässler und das Kleinkind gleich noch etwas über unser Immunsystem.
Wir spielen Schule und Kindergarten. P. zieht sich an, holt seinen Ranzen, huckelt ihn auf, tut so, als würden wir jetzt tatsächlich losgehen – nur die Schuhe zieht er nicht an. Die Schule ist heute unser großer, rechteckiger Küchentisch. Wir erledigen spielend ein paar der Aufgaben, die uns seine Klassenlehrerin mitgegeben beziehungsweise gemailt hat. K. malt, bastelt, singt – eben wie in der Kita, nur eben ohne den Lärm.
Ich kann mir gut vorstellen, dass wir auf diese Weise die Vormittage zu Hause gut herumbekommen können. Warten wir es ab, jede Routine hält schließlich nicht nur Sicherheit, sondern auch Langeweile bereit. Und zum Arbeiten komme ich bisher auch kaum. Da muss noch eine Lösung für mich her.
Dienstag, Tag zwei: Einkauf mit Beklemmungen
Struktur tut uns gut: Wir bringen zuerst „Schule“ und „Kindergarten“ hinter uns, dann wagen wir zögerlich einen Einkauf im Supermarkt. Zugegeben: Nur ich bin zögerlich, das dafür aber auch so richtig. Am liebsten würde ich ja allein fahren, denn ich kann die Blicke der anderen Einkäufer regelrecht vor meinem geistigen Auge visualisieren: Was nimmt die ihre Kinder mit? Kann sie die nicht zu Hause lassen? Von ängstlich bis verärgert wird wohl alles dabei sein.
Es hilft aber nichts: Papa kann nicht im Homeoffice arbeiten, ist also unterwegs, wir müssen leider ran. Wir brauchen: Klopapier, Nudeln, Mehl … 😉
Nein, an diesen Dingen fehlt es uns gerade nicht. Wir benötigen – ganz trivial – Butter und Aufschnitt, Joghurt, frisches Obst und Gemüse.
Noch zu Hause instruiere ich die glücklicherweise kerngesunden Kinder: bitte nichts anfassen, das wir nicht ohnehin in den Wagen legen werden. Husten, Niesen und Schnoddern bitte immer ins Taschentuch oder – wenn das nicht schnell genug geht – in die Armbeuge. Einfach am Wagen bleiben (sie springen sowieso meist an den Seiten oder am Bug auf). Abstand halten zu allen …
In der Theorie klingt es entspannt.
Als wir dann im weiträumigen Supermarkt einen Abstecher bei der Post machen, kann ich hier leider nicht mit der EC-Karte zahlen und gehe zum Automaten, der sich im Gebäude befindet. Fehlanzeige. Er ist ebenfalls vorübergehend außer Betrieb. Ich packe die Kinder wieder ins Auto und fahre los, um anderswo Geld aufzutreiben. Als Pfand bleibt mein Ausweis zurück, denn die Postpakete sind bereits frankiert.
Zurück im Supermarkt. P. und K. üben spontan „In-die-Armbeuge-husten“. Die Leute gucken besorgt bis leicht verärgert – klar. „Jungs!“, sage ich betont laut, damit alle erkennen: Das hier ist nicht echt. „Nicht mehr üben. Nur, wenn ihr wirklich müsst!“ Gleichzeitig muss ich stark an mich halten, um nicht loszuprusten. Situationskomik vom Feinsten. Wenn es nur nicht so traurig wäre … Was mir gleich auffällt: Heute sind fast ausschließlich ältere Menschen und Mütter mit kleineren Kindern unterwegs. Und schön zu sehen: Sehr viel weniger Leute kaufen ein.
An der Kasse stehen wir in sicherem Abstand zu den beiden älteren Vorderfrauen. Als eine Kundin sich umdreht und die Bengelchen sieht, erschrickt sie sichtlich und sucht Schutz an der Spitze ihres Einkaufswagens.
Als wir wieder daheim sind, muss ich mich erst einmal setzen.
Mittwoch, Tag drei: erschöpft, aber zufrieden
Schule spielen wird schon langweiliger. Deshalb verlegen wir das Ganze nach draußen. Zum Glück ist das Wetter frühlingshaft mild, die Sonne strahlt uns an, und wir haben einen großen Garten. Vor etwa einem Jahr hatte ich unseren kleinen Geräteschuppen zu einem Kinderhäuschen umfunktioniert. Ein flacher Tisch kommt hinein, die Mulden zweier alter Autoreifen bekommen kleine, dicke Kissen verpasst und werden zu Sitzgelegenheiten. Die Jungs schleppen Spielzeug und Sportgeräte wie Pfeil und Bogen an, fegen die kleine Terrasse vor dem Häuschen.

© Anja Polaszewski
Jetzt macht Spielen und Lernen gleich doppelt soviel Spaß. Ich räume gleich noch etwas die Garage auf, die Kids fahren später Kettcar und Laufrad auf Einfahrt und Wiese.
Wir haben den ganzen Tag zu tun und sind abends richtig erschöpft, aber sehr zufrieden. Das soziale Leben fehlt uns noch nicht so wirklich.
Doch ehrlich gesagt komme ich noch immer nicht wirklich dazu, mehr als nur ein paar Sätze zu tippen … Die ruhigen Vormittage fallen für unbestimmte Zeit flach, ich muss dringend schauen, wie ich mich hier besser organisiere. Abends? Bin ich zu müde (zwei Kinder können ganz schön Krachen machen). Ich werde versuchen, die beiden morgen noch etwas mehr zum alleinigen Spielen zu verdonnern.
Donnerstag, Tag vier: Spielen, spielen und nochmals spielen …
Das „Verdonnern“ klappt ganz gut. Aber es ist eben doch nicht so, als wären sie nicht zu Hause. Einer von beiden kommt immer mal wieder und möchte dies oder das – klar, sie sind eben noch klein. Oft muss ich mitten im Schreibflow unterbrechen, etwas besorgen oder reparieren, etwas kochen oder einfach dabei sein. Na, es wird schon irgendwie noch besser werden. Ich beschließe, flexibler zu sein und mich eben an den Schreibtisch zu setzen, wann immer es geht – zum Beispiel jetzt – und bröckchenweise zu schreiben.
Ansonsten verläuft Tag vier in selbst auferlegter Quarantäne recht entspannt, bei den Kindern kommt glücklicherweise noch keine große Langeweile auf: Sie werfen Ninja-Dosen vom letzten Kindergeburtstag, bauen im Sandkasten einen Vulkan und lassen ihre Playmobil-Krokodile die Rutsche hinuntersausen. Sie vertragen sich, sie zanken, vertragen sich, zanken … Tief durchatmen, Mama.

© Anja Polaszewski
Der Papa arbeitet isoliert in seinem Büro, kommt gegen neunzehn Uhr nach Hause. Die Kinder hüpfen auf seinem Schoß herum. Freuen sich vielleicht, einmal jemand anderen als nur sich selbst und Mama zu sehen, denke ich schmunzelnd – und bin gleichzeitig besorgt über die Entwicklung in den kommenden Tagen und Wochen.
Freitag, Tag fünf: warten, wie es weitergeht
Heute bin ich nicht nur froh über unseren riesigen Garten, der sich einmal großzügig um unser Haus legt, sondern absolut dankbar. Die Kids beginnen nämlich langsam, ihre Freunde zu vermissen, vor allem P. Nach nur wenigen Tagen … Dagegen hilft nur: der Dachboden! Wir kramen herum, räumen hier und ordnen dort. Spannend, auch für mich. Einige Dinge habe ich wirklich lange nicht gesehen.
Ende der ersten Woche in freiwilliger Isolation fast komplett daheim mit beiden Kindern. Ich meine, ich bin ohnehin am heimischen Schreibtisch, aber mit den Kleinen ist es zugegeben echt schwierig. Klar kenne ich das von den Ferien oder wenn einer der beiden krank ist. Aber das hier ist doch noch einmal etwas anderes. Ich fühle mich erschöpft … aber ruhig. Wie es wohl weitergeht?