Ich werde nie wieder so unbekümmert sein…

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Die Liebe zu seinem Kind ist kaum in Worte zu fassen, genauso wenig wie die Angst, die einen ein Leben lang begleiten wird. Wie sich diese Angst anfühlt, versucht unsere Autorin Marie Binder zu beschreiben

Mein Kind, ich liebe es einfach abgöttisch. Ich dachte immer, dass ich wüsste was Liebe bedeutet, dass ich meine Eltern liebe, meinen Mann, meine Geschwister, meine Freunde… das tue ich auch, sehr sogar. Aber die Liebe zum eigenen Kind, die kann einem niemand erklären. Diese Liebe ist so stark, so zauberhaft, so unerschütterlich, man weiß es erst, wenn man sie am eigenen Leib erleben durfte.

„Mein Herz zog bei mir aus, und lebt seitdem im Körper eines anderen Menschen.“

Leider kommt mit dieser Liebe auch immer die Angst. Die Angst um genau die Person, die man so unglaublich liebt, dass es manchmal weh tut. Liebe kann schmerzhaft sein. Sie kann einem den Atem rauben. Sie kann einen glücklich und traurig zugleich machen. In der Sekunde, in der meine Tochter geboren wurde, spürte ich das ganze Ausmaß dieser Elternliebe: Mein Herz zog bei mir aus, und lebt seitdem im Körper eines anderen Menschen.

Mit jeder Schwangerschaftswoche änderten sich die Sorgen

In der Schwangerschaft machte ich mir immer wieder unglaubliche Sorgen um mein damals noch ungeborenes Baby. Geht es ihm gut, wächst es, gedeiht es, ist es gesund? Schlägt sein Herzchen noch im richtigen Takt? Die Angst ist in der Schwangerschaft mal stärker, mal schwächer, aber immer irgendwie da.

Bis zur 12. SSW machte ich mir Sorgen, das Baby könnte abgehen. „Wenn doch nur die ersten drei Monate geschafft wären“, habe ich oft gedacht. Dann kann ich endlich beruhigt sein. Doch so war es nicht. Mit jeder Schwangerschaftswoche änderten sich die Sorgen. Mal die Frage, ob die Lunge gut reift, dann, ob das Baby groß genug ist.

Irgendwann merkte ich: Ich machte mir immer irgendwelche Sorgen um mein Kind. Wenn es doch nur endlich auf der Welt wäre, würden die Sorgen weniger werden. Doch dann war das gesunde kleine Baby da – und mit ihm andere Sorgen. Angst vor dem plötzlichen Kindstod, vor Stürzen, Ersticken – all den Gefahren, die auf mein Kind lauerten.

Was, wenn meinem Kind einmal so etwas passiert?

Jetzt weiß ich, was mir anfangs noch nicht bewusst war: Ich werde nie wieder so unbekümmert sein, wie ich es vor meinem Kind war. Weil irgendwo in mir die Angst sitzt, dass meinem geliebten Kind irgendwann etwas zustoßen könnte. Die Sorgen um das Kind ändern sich mit den Lebensphasen, aber sie begleiten uns ein Leben lang. Dass es krank wird, einen Unfall hat, ein böser Mensch in sein Leben treten könnte. Wenn ich in der Zeitung von entführten Kindern lese, könnte ich weinen. Wenn ein Autounfall Jugendliche das Leben kostet, dann weint mein Herz vor Angst: Was, wenn meinem Kind einmal so etwas passiert?

Ich vertraue darauf, dass alles gut werden wird – mehr kann ich nicht machen. Und ich muss lernen, mit dieser Angst in mir zu leben, jeden Tag zu genießen und dankbar dafür zu sein, dass es uns jetzt gerade gut geht. Ich muss lernen damit zu leben, dass mein Herz eben für immer in einem anderen Körper schlagen wird.