Interview mit Katharina und Lisa von „Stadt Land Mama“

vonMichaela Brehm | Redaktionsleitung
Stadtmama Katharina und Landmama Lisa
Über Alltagsprobleme, Kitas und Mom-Shaming
© Christoph Michaelis

Wir haben Katharina und Lisa von dem Blog-Magazin „Stadt Land Mama“ über die Vor- und Nachteile von Stadt und Land ausgefragt, wie Vereinbarkeit funktionieren kann und warum ihr Blog die beste „Selbsthilfegruppe ever“ ist.

Stadt Land Mama im Interview

Stadt Land Mama: So heißt das Herzensprojekt von Stadtmama Katharina und Landmama Lisa. Katharina lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in der Großstadt Berlin, Katharina hat mit ihrer Familie – ein Mann, drei Kinder und etliche Tiere – eine neue Heimat im Bergischen bei Köln gefunden. Auf ihrem gemeinsamen Blog erzählen die Journalistinnen erfrischend ehrlich vom Mama-Alltag, in dem Versagen und Glück manchmal nahe beieinander liegen.

Hallo:Eltern: Als „Stadt Land Mama“ kennt ihr die Vor- und Nachteile eines Lebens auf dem Land und in der Stadt besser als andere. Katharina, was vermisst du als Stadtmama manchmal? Und Lisa du als Landmama, in welchen Situationen fehlt dir die Großstadt besonders?

Katharina: Meine Mutter wohnt auf dem Land und wenn ich dort spazieren gehe, treffe ich oft gar keinen Menschen. Das wäre hier undenkbar und diese Ruhe vermisse ich.

Lisa: Oh, wir haben ja bis vor sechs Jahren mit den Kindern mitten in Berlin gewohnt, nun wohnen wir so richtig auf dem Land, im Bergischen. Anfangs vermisste ich vor allem das Auf-die-Straße-gehen und spontan Leute treffen. Das Quatschen auf dem Spielplatz, die vielen verschiedenen und interessanten Lebensläufe der anderen. Auf dem Land hat hingegen jeder seinen eigenen Spielplatz im Garten. Was ich sonst noch vermisse: Einfach mal zu Fuß oder mit dem Rad oder mit der Bahn irgendwo hin zu können. Das sich ständig wandelnde Stadtbild mit neuen Cafés.

Vereinbarkeit“ ist bei euch auf dem Blog immer wieder ein Thema. Ihr habt mit einigen Müttern darüber gesprochen oder ihre Geschichten erzählt. Aus ihren Erfahrungen und aus eurer eigenen: Warum ist diese Vereinbarkeit oft so schwer?

Katharina: Weil sich die meisten Paare nicht VOR der Geburt zusammensetzen und über ihre Erwartungen und Wünsche sprechen. Und so bleibt der Hauptteil der Care Arbeit immer noch an der Mutter hängen. Ist sie dann auch noch berufstätig, reibt sie sich eigentlich automatisch ständig auf.

Lisa: Hm, ich glaube, selbst wenn man sich vor der Geburt mit dem Partner zusammensetzt: Es bleibt ein Drahtseilakt. Ich jedenfalls konnte mir vor der Geburt nicht im Geringsten vorstellen, was es wirklich bedeutet. Die Aufgaben werden ja nicht weniger. Mit Kindern und Job und Haushalt und Freunden und Ehrenamt und Reisen und Hobbys und Ausflügen und allem, was dazu gehört. Der Tag hat halt nur 24 Stunden. Wann macht wer was wie und warum? Das ist eine tagtägliche Mammutaufgabe aus dem höheren Management, die wir da alle bewältigen – und dafür können wir uns alle wirklich auch mal regelmäßig auf die Schulter klopfen.

Ihr steht durch euren Blog als Mütter im Fokus – auch von Kritik. Manchmal hat man das Gefühl, unter Mütter herrscht oft gar kein Zusammenhalt mehr und es wird nur noch aufeinander rumgehackt – vor allem im Internet. Wie geht ihr damit um, wenn andere euren Erziehungsstil kritisieren oder verurteilen?

Katharina: Wir versuchen uns da rauszuhalten. Es ist uns wichtig, dass wir auf dem Blog möglichst bunt sind und zeigen: Es gibt nicht nur den einen Weg, es gibt nicht nur die eine Familie. Jede Mutter ist die beste für ihr Kind.

Wir stehen immer wieder für Zusammenhalt und Solidarität unter Müttern ein und dafür, dass viele Wege nach Rom führen und jede ihren eigenen Weg finden muss, mit dem sie glücklich wird.

Lisa: Manchmal glaube ich auch, da wird ein virtuelles Monster erschaffen, dass es in dieser beschriebenen Heftigkeit vielleicht gar nicht so gibt, wie es immer dargestellt wird. Wir haben jedenfalls an den meisten Tagen einen sehr fairen Umgang unter unseren Leserinnen festgestellt, das mag aber auch vielleicht an dem Klima liegen, dass wir bei uns im Blog erschaffen. Wir stehen immer wieder für Zusammenhalt und Solidarität unter Müttern ein und dafür, dass viele Wege nach Rom führen und jede ihren eigenen Weg finden muss, mit dem sie glücklich wird. Dass gar kein Zusammenhalt mehr unter Müttern besteht, kann ich jedenfalls weder für mein Privatleben noch für Stadt Land Mama bestätigen.

Ihr seid beide seit über zehn Jahren Mütter: Ist das Mama-Leben so, wie ihr es euch es vorgestellt habt?

Katharina: Nein, gar nicht. Ich hätte nie damit gerechnet, wie einnehmend die Mutterschaft ist. Ich dachte, Kinder würden viel mehr so nebenbei laufen.

Lisa: Ich weiß noch, wie ich irgendwann am Mittagstisch saß und die Kinder ihre Rucksäcke in die Ecke warfen und wir uns zusammensetzten. Da dachten ich: Wow, genau so hatte ich mir das Muttersein vorgestellt. Wie im Film halt. Ein kurzer Moment der Selbstverständlichkeit und familiären Harmonie. Bis dahin waren Jahre vergangen ? Aber ehrlich gesagt: Ich war 23 als ich schwanger wurde, ich habe mich wahnsinnig auf dieses erste Kind gefreut und mir – vielleicht einfach jung, vielleicht auch etwas naiv – gar nicht so viele Gedanken gemacht, wie das werden würde. Schön, dachte ich. Und dann wurde ich müde. Und überfordert. Und glücklich. Alles sehr intensiv. Mit dieser mütterlichen Gefühls-Achterbahn hatte ich so jedenfalls nicht gerechnet.
Aber immerhin war das so toll, dass ich bald darauf wieder schwanger wurde. Dass das dann Zwillinge werden würden, konnte ich ja nicht ahnen. Aber ich bin eh keine Person, die 5- oder 10-Jahres-Pläne aufstellt. Ich lass mich gern vom Leben überraschen. Und deswegen passte es damals und passt es heute irgendwie alles so wie es ist.

Lisa, ein Kleinkind und dazu dann gleich Zwillinge: Wie hast du das geschafft? Welchen Überlebens-Tipp hast du für andere Zwillings-Mamas?

Lisa: Danke für diese Frage! Denn die „Boah, das hätte ich nicht geschafft mit drei Kindern innerhalb von zwei Jahren“-Bekundungen bekomme ich natürlich immer noch. Dabei ist das ja Quatsch: Natürlich schafft man das. Jeder schafft das, denn was bleibt uns denn anderes übrig? Ich konnte ja nicht ein Kind einfach zurückgeben. Aber Spaß beiseite. Es war unfassbar. Meine langjährige Schulfreundin beichtete mir neulich, dass sie mich einmal besucht hatte, da hatte ich einen Zwilling zum Stillen an der Brust, den anderen schubste ich mit meinem Fuß in seiner Wippe an, damit er nicht weint und der Zweijährigen half ich gleichzeitig beim Ausschneiden. Da sei sie nach Hause gefahren, habe sich auf die Couch gesetzt, ne Pizza bestellt, die Ruhe genossen und erstmal geheult. Sowas kann man doch nicht schaffen, dachte sie. Nicht 24 Stunden am Tag, denn irgendwie war in dieser Zeit ja immer jemand wach.

Für mich und meinen Seelenfrieden gut war vermutlich auch, dass andere Freunde noch keine Kinder hatten und ich mich also nicht ständig vergleichen musste.

Was mir in dieser Zeit geholfen hat? Mich ab und zu auszuheulen bei Freundinnen oder Partner. Mir helfen lassen von einer Mütterpflegerin und meiner Mama, die leider 600 Kilometer entfernt wohnte, aber manchmal einfach zur Hilfe kam. Viel rausgehen, unter Leuten sein, um nicht ganz zu vereinsamen. Schlafen, wann immer es irgendwie möglich ist.. Und die Hoffnung und den Optimismus nicht aufgeben, dass es irgendwann besser wird. Für mich und meinen Seelenfrieden gut war vermutlich auch, dass andere Freunde noch keine Kinder hatten und ich mich also nicht ständig vergleichen musste. Und dass ich zu dieser Zeit noch kein Smartphone hatte, um zu sehen, wie gut andere das mit ihren Babys und Kleinkindern hinkriegen – oder wie sie gerade um die Welt reisen, während ich zu Hause sitze und 90 Windeln pro Woche wechsle. Wir haben halt einfach gemacht und versucht, uns da alle irgendwie unbeschadet durch den Alltag zu bringen. Hat geklappt. Auch wenn man die Fotos von damals keinem zeigen kann.

Aber auch, wenn die Kinder nacheinander kommen, macht es das nicht weniger aufregend und anstrengend. Katharina, wie schafft man es, all seinen Kindern gerecht zu werden? In einem deiner letzten Blog-Artikeln hast du von euren „Ein-Kind-Wochenenden“ geschrieben: Ist das eine Möglichkeit?

Katharina: Ich finde, das ist eine ganz wunderbare Möglichkeit. Im Alltag kommt diese Qualitätszeit oft zu kurz. So ein Ein-Kind-Wochenende tut nicht nur dem Kind gut, sondern auch den Eltern. Endlich können sie ihr Kind mal wieder in Ruhe beobachten und einfach nur genießen.

Stichwort „KiTa“: Wo ist die Kinderbetreuung besser zu organisieren: Stadt oder Land? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

Katharina: Ich hatte in Berlin bisher immer großes Glück und habe für meine drei Kinder immer nach dem ersten Geburtstag eine Betreuung gehabt.

Lisa: Uh, wir waren in Berlin unzufrieden mit unserer Kita und haben dann zusammen mit anderen Eltern eine eigene gegründet. Das war ein Wahnsinns-Aufwand, puh und als dann alles fertig war und lief, zogen wir um. Die Große wurde dann eingeschult, die Zwillinge waren dreieihalb und hatten einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kitaplatz. Wir fanden aber über fünf Monate keinen auf dem Land, ich studierte in dieser Zeit nochmal, musste meine Zwischenprüfung bestehen und schrieb mein erstes Buch. Ich musste also abends oder nachts arbeiten, das war wirklich kurz vor Burnout. Bis ich irgendwann das Jugendamt fragte, wohin ich die Babysitter-Rechnungen schicken darf. Am selben Tag bekamen wir zwei Plätze.

Abschlussfrage: Seit ich Mama bin kann ich nicht mehr ohne, _____ ? Und um es etwas schwieriger zu machen, beantwortet die Frage ohne die zwei K-Wörter: „Kinder“ & „Kaffee“.

Katharina: Sport. Ich muss regelmäßig meine Joggingschuhe anziehen, um mir im Wald den Kopf frei zu laufen – oder zum Yoga auf die Matte, um wieder bei mir selbst anzukommen.

Lisa: Darf ich trotzdem Kaffee sagen? Na gut, ich könnte nicht ohne meine Großfamilie, meine Freunde und die anderen tollen Mütter in meinem Umfeld. Und ohne meine Schreiberei ginge es vermutlich auch nicht. Unsere Community ist die beste Selbsthilfegruppe ever.

Dann hoffen wir, dass ihr noch lange mit eurer „Selbsthilfegruppe“ weitermacht. Unterstützung unter Müttern ist so wichtig, wir sitzen ja alle im selben Boot. Schön dass es auch bei euch eine Anlaufstelle für Mamas gibt!