Scheidung ist wie ein Todesfall
Es ist leicht, die Schuld beim anderen zu sehen. Sich zu verlieren im Jammern über die Unzulänglichkeiten, die ausschließlich auf der anderen Seite zu sehen sind. Am Ende scheitert eine Beziehung an zwei Menschen und verschiedenen Vorstellungen und Bedürfnissen. Die Frage nach Schuld führt keinen gesund aus diesem Trauerspiel. Denn das ist es. Die Trennung nach einer langen Beziehung fühlt sich an wie ein Todesfall und bringt entsprechende Trauerphasen mit sich.
Ich habe mich nicht nur von meinem Mann getrennt, sondern auch von einem Lebensentwurf. Die Trennung mit gemeinsamen Kindern bringt außerdem eine Besonderheit mit sich: Anstatt auf Abstand gehen zu können, sieht man sich durch die Kinder regelmäßig.
Ich möchte das gut hinbekommen. Ich möchte, dass meine Kinder sehen, dass ich ihren Vater respektiere und mir sein Wohlergehen nicht egal ist.
Was ist man schuldig?
In Gesprächen nach der Trennung kamen Bemerkungen, dass eine langjährige Beziehung eben nicht permanent auf Wolken laufe. Durch die Blume wurde mir gesagt, dass meine Erwartungshaltung zu hoch gewesen sei. Auch eine Nachbarin fühlte sich bemüßigt, mir zu erklären, dass man nicht alle Brücken abreißen solle. Es habe doch immer so nett bei uns gewirkt und man könne auch wieder zusammenfinden, wenn sich die Wogen erst einmal geglättet hätten.
Bereits ohne derartige Sprüche habe ich mich wie eine Versagerin gefühlt und habe lange Zeit mit einer Entscheidung und auch nach der Entscheidung mit ihr gehadert. Ist es egoistisch? Stelle ich mein Glück über das Glück meiner Kinder? Ist es eine Frage von „Wie man sich bettet, so liegt man“? Hätte ich mich nicht einfach mehr arrangieren können und müssen? War ich das nicht allen in meinem Leben schuldig: Mit mehr Verständnis, mehr Akzeptanz und noch mehr Versuchen alles zusammenzuhalten?
Zusammen allein
Irgendwann in der Zeit hatte ich einen Alptraum, in dem ich als Clown angemalt in der Manege auf einem Ball balancieren musste und mir von allen Seiten etwas zugeworfen wurde, mit dem ich jonglieren musste. Es war niemand da zum Zuwerfen. Manchmal ist man außen noch in einer Beziehung, während man innerlich lange allein ist. Und das ist kein Zustand, den man erhalten muss. Für niemanden. Vielleicht lässt sich dieser Zustand in einigen Partnerschaften mit intensiven Gesprächen und Bemühen von beiden Seiten auflösen. Bei uns war das auch mit Paartherapie nicht so.
Für mich ist es bis jetzt noch schwer zu akzeptieren, dass es manches Mal so verfahren ist, dass sich etwas nicht mehr retten lässt.
Eigentlich möchte ich daran glauben, dass man alles klären und besprechen kann – vor allem, wenn doch einmal Liebe da gewesen ist. Mir fällt schwer zu akzeptieren, dass die Richtungen und Bedürfnisse so sehr auseinandergehen, dass es keinen gemeinsamen Weg mehr gibt.
Aber wenn es so ist, dann gilt es – so schmerzhaft es ist – ehrlich miteinander zu sein und voreinander zuzugeben, dass jeder für sich allein ist. Vielleicht schmerzt es beide nicht gleich, aber allein sind sie eben doch. Es ist dann eine Lösung, einen so respektvollen Weg wie möglich einzuschlagen und auseinanderzugehen.
Und nein, mit dem Respekt ist es so eine Sache in einer Trennung. Das funktioniert nicht immer. Zu viel Schmerz, zu viel Wut und zu viel Trauer und mit gemeinsamen Kindern zu viele Dinge, die direkt besprochen werden müssen. Manchmal war ich da nicht abgeklärt genug, nicht ruhig genug. Die Distanz zu halten, fällt mir schwer bei dem Menschen, mit dem mich immer so viel verbinden wird. Sich zu trennen und ein neues Verhältnis zu entwickeln, ist auch ein Lernprozess.
„Ihr sollt wieder zusammenwohnen“
Nach gut einem Jahr kann ich jedoch sagen, zusammenzubleiben und es unabhängig von allen seelischen Zuständen durchzuziehen wäre für mich zu schmerzhaft gewesen. Ehrlich zu sein und auseinanderzugehen, bietet jetzt jedem die Möglichkeit, sein Leben wieder mehr nach seinen Vorstellungen und Bedürfnissen auszurichten. Und ja, eine Trennung bringt Schmerz mit sich – für die Erwachsenen und auch für die Kinder, die unmittelbar betroffen sind und die sich das anders vorstellen und wünschen. Manchmal zeigt sich da der Schmerz über die Abwesenheit des anderen Elternteils und der Wunsch wird ausgesprochen: „Ihr sollt einfach wieder zusammenwohnen.“
Ja, das sticht und es tut mir weh, meinen Kindern diesen so verständlichen Wunsch nicht erfüllen zu können. Ich sehe aber auch, dass wir beide im Umgang mit den Kindern entspannter sein können, seitdem wir Dinge allein entscheiden, weil der andere Elternteil nicht mehr involviert ist. Die Stimmung im Haus ist gut. Da ist viel Last von uns beiden abgefallen und davon profitieren die Kinder. Die Trennung wertet nicht ab, was war. Sie bietet aber eine Chance auf Glück für alle Beteiligten jenseits der Trauer, um die nicht mehr passende Beziehung.
Ende des Triumphes
Wenn ich zurückblicke, möchte ich unsere Ehe nicht als Scheitern oder Versagen sehen. In dieser Beziehung bin ich endgültig erwachsen geworden. Meine Kinder sind in mein Leben gekommen und ich durfte und darf an ihnen und mit ihnen wachsen. All das gäbe es nicht ohne diese Ehe und meinen ehemaligen Partner.
Wenn es „nur“ die Beziehung für diesen Abschnitt in meinem Leben gewesen ist, nimmt ihr das keineswegs die Wichtigkeit und Schönheit, die sie hatte. Wie es der Poet Jack Gilbert ausdrückt: „Ich glaube, Ikarus ist nicht gescheitert, sondern war am Ende seines Triumphes.“ Ein Ende ehrlich anzuerkennen, tut weh, ist aber respektvoll und ehrlich und bietet die Möglichkeit von Neuanfängen.