„Kinder, ihr macht mich fertig!“

gestresste Mutter und ihr Kind
© Pexels / Keira Burton

Wie oft geben wir unseren Kindern die Schuld für unseren eigenen Stress? Mit dieser Frage hat sich unsere Autorin Mama Jenn beschäftigt. Was sie gelernt hat, beschreibt sie dir hier.

Sind Kinder wirklich schuld am Stress – nicht allein!

Natürlich tragen Kinder zum Mama-Stress bei: sie sind oft laut, unordentlich, trotzig, und irrational. Sie haben hohe Bedürfnisse, brauchen viele Aufmerksamkeit und streiten gerne miteinander wegen aus erwachsenen Augen gesehen Kleinigkeiten. Die Kleinen werden schnell beleidigt und sind durchaus überemotional und nah am Wasser gebaut.

Kinder sind so, weil sie noch dabei sind ihr Gehirn, die Sozialkompetenz, und die Regulierung der Emotionen zu entwickeln. Man kann ja ganz nüchtern die Gründe für das Kinderverhalten verstehen, aber gut damit umzugehen ist meiner Meinung nach die größte Herausforderung der Kindererziehung… eben weil wir Erwachsene das ganze schon gelernt haben. Oder?

Wir Erwachsene haben unsere Emotionen auch nicht immer im Griff

Diese „nervigen“ Situationen kennen alle Mamas: Ich habe schlecht geschlafen, finde meine Hausschuhe nicht, ein Kind schreit vor Wut, weil es eine Socke nicht anziehen kann, das andere Kind schüttet einen ganzen Becher Milch über Tisch und sich! Da reagiert man reflexartig wie ein wildes Tier.

In meinem Fall: Eine sensorische Überforderung schüttet Stresshormone aus und mein Gehirn fragt, „Kampf oder Flucht?“

Persönlich wähle ich fast immer „Kampf“ aber manchmal auch „Flucht“ – nachdem ich alle wie eine angegriffene Löwin anbrülle und meine Ruhe hinter der abgesperrten Klotür suche.

In diesen Momenten wird’s mir klar, dass ich doch nicht meine Emotionen im Griff habe bzw. nicht ganz aus meiner eigenen Kindheit gewachsen bin. Ich glaube aber, dass der Weg zum Lernen noch offen ist. Wir müssen nur selbst dafür offen sein, ihn zu finden.

Unsere Kinder zeigen uns unsere Schwächen und wunden Punkte in aller Klarheit – und das ist doch toll.

Ich musste lernen, die Stresszeichen meines Körpers zu deuten

Aus einer Situation zu kommen, die man als „stressig“ befindet, ist gar nicht so leicht. Erstens muss man die Zeichen vom Stress im Körper erkennen: mir wird’s warm, ich kriege ein Kloßgefühl im Hals, ich spanne Muskeln im Rücken und Gesicht an.

Dann muss man bewusst anhalten und ganz gut (aber ohne Emotion) hinschauen: „Hmm, interessant, ich werde wütend, weil Madämchen den Reisverschluss an ihre Jacke nicht zu kriegt und zu wimmern anfängt.“

Erst dann kann ich mich entscheiden, ob ich doch wütend bleiben will oder diese Gedanken loslasse und die Energie woanders hinlenke.

: Mama Jenn über ihre Kinder

Jetzt kenne ich meine Schwächen – und nun?

Mit Meditation – die Übung, sich auf eine Sache zu konzentrieren – geht das. So oft wie möglich setzte ich mich hin und übe zehn Minuten lang, mich auf meinen Atem oder die Geräusche oder die Bilder in meinem Sichtfeld zu fokussieren.

Unvermeidlich tauchen andere Gedanken auf, aber die Übung ist es, sich immer wieder auf die Gegenwart zu konzentrieren und so die Gedanken selbst auswählen zu können.

: Vorteile, Tipps und Anleitung

Man lernt blitzschnell, was für eine Rolle die Gedanken spielen und wie gut es tut, nicht dauernd abgelenkt zu sein. Neulich kam meine Kleine zu mir und wollte, dass ich ihre Puppe anziehe.

Da ich gerade arbeitete, war mein Instinkt den Wunsch abzulehnen. Stattdessen habe ich mich entschieden, ihr kurz meine ganze Aufmerksamkeit zu schenken.

Statt zu denken „Wie nervig!“ und sie nach der dritten Anfrage völlig irritiert wegzuschicken, habe ich mich nur zwei Minuten lang der Tätigkeit übergeben und mein Computer ignoriert. Danach waren beide zufrieden, ich durfte weiterschreiben und war noch dazu stolz auf mich!

Kinder dürfen Kinder sein!

Langsam lerne ich, dass die meisten Konflikte auftauchen, wenn meine Aufmerksamkeit in zu viele Richtungen geteilt ist.

Tatsache ist: Manchmal halte ich den Lärm, den Trotz oder das Gequengel meiner Kinder nicht aus. Das kostet alles Kraft.

Wenn wir Eltern uns nicht fertig machen wollen, müssen wir lernen damit umzugehen. Die Kinder dürfen schließlich Kinder sein: ich will doch, dass meine Kleinen etwas laut, frech und emotional sind. Roboter-Kinder sind bestimmt friedlicher und einfacher, aber auch ziemlich langweilig und lieblos.

Wenn ich meine Ruhe bewahre, tun meine Kinder das auch

Die Entscheidung, raus aus dem Zyklus der spontanen Emotionen und Reaktionen zu entkommen ist wichtig und bewundernswert. Er bedeutet aber auch bewusste Arbeit. Denn man muss seinen eigenen Gedanken und so sich selbst lenken.

Es ist auch eine Arbeit, die nie aufhört.

Trotzdem ist es aber total befreiend, wenn man die Verantwortung für das eigene Verhalten übernehmen kann. Und besonders befriedigend ist es zu merken: wenn ich meine Ruhe bewahre, nehmen meine Kinder das als Beispiel.